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Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700.

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Th. III. C. XVII. Von denen Quietisten.
[Spaltenumbruch] Jahr
MDC.
biß
MDCC.
GOTT zu/ daß sie ihr müthlein kühleten auf
folgende weise: Sie nahmen anno 1684. ih-
re zuflucht zu dem König in Franckreich/ mit
vorstellung/ daß zu einer zeit/ da seine Maje-
stät in dero Königreich die Ketzerey ausrottete/
der Pabst selbst eine neue im busen hegete/ die
schon gantz Jtalien angestecket/ deren urheber
Molinos ein Spanier/ ein gefährlicher Mann;
von dem sich der Pabst so hätte einnehmen
lassen/ daß sie kein gehör könten kriegen. Wo
nun seine Allerchristlichste Majestät hie nicht
zutrette/ so müsse die Christliche Kirche unter-
gehen; der König ließ sich von ihnen einneh-
men/ und schrieb zu seinem in Rom residiren-
den Abgesandten/ er solte mit äusserster schärf-
fe den Molinos verfolgen. Der Abgesandte
selbst war dem Molinos nicht ungünstig/ doch
aber dem befehl seines Herrn und Königes zu
folge/ gieng er zum Pabst/ und begehrte/ daß
eine Inquisition über Molinos möchte ange-
stellet werden. Darüber wurde der Pabst sehr
betrübet/ doch um des eyffers willen/ den der
grosse König mit drohung gegen den Pabst
ließ bezeigen/ wiese er den Abgesandten ans
General-Inquisitions-Amt. Nun hatten
des Molinos widersacher dem Königlichen
Abgesandten zu gnug schweren auflagen vor-
schub gethan. Mit solchen beschuldigungen
meldete sich der Abgesandte an/ vor dem be-
sagten Tribunal, mit vorlegung des äus-
serlichen begehrens des Königes/ daß sie ihr amt
thun/ und diese gefährliche Ketzerey untersuchen
und ausrotten solten: Von stund an sandten
sie hin ihre diener/ das war im Majo 1685.
und liessen Molinos in eines ihrer gefängniß
führen/ und alle seine sachen in bewahrung
nehmen/ bestehende meist in brieffen/ die täg-
lich in grosser menge an ihn geschrieben ka-
men. Das schiene eine grosse und eben gleiche
gefahr zu seyn über alle seine Correspondenten;
allein sie blieben gantzer zwey Jahr zwischen
furcht und hoffnung hangen. Unterdessen wur-
de die untersuchung und berathschlagung in
geheim fleißig fortgesetzet/ und ein Edict durch
gantz Jtalien in alle und jegliche örter gesandt/
darinn die lesung der bücher des Petrucci und
des Molinos bey schwerer straffe verboten wur-
de im namen des General-Inquisition-Amts.
Der Pabst ward hiebey ein blosser zuseher/
und wenn jemand vor ihm erwehnte/ daß in
Molinos büchlein so gefährliche irrthümer wä-
ren/ pflegte der Pabst die nicht darinnen kön-
nen zu finden zu antworten; Als er auch nu-
mehro dem Molinos selbst keine hülffe und ret-
tung vermochte beyzubringen/ suchte er gleich-
wol dessen gute freunde/ so viel als möglich/ in
sicherheit zu stellen. Solcher vier oder fünff/
die theils schon Bischöffe/ theils nur gemeine
Priester waren/ setzte der Pabst im Septembr.
1686. in den Cardinals-stand/ welcher in der
Römischen Kirchen vor die höchste würde ge-
halten/ nechst der Päbstlichen/ und deswegen
vor unverbrüchlich und sonderlich geachtet
wird. Die Einführung erwehnter Personen
ging mit mühe doch endlich von statten: unter
derselben war auch der mehr erwehnte Petrus
Matthaeus Petrucci,
deme der Pabst schon vor-
hin das Bischoffthum seines vaterlandes Jesi
hatte geschencket/ so ihm aber nachgehends als
einem irrgeist durch anspruch des Inquisitions-
[Spaltenumbruch] amts wieder genommen worden/ mit befehlJahr
MDC.
biß
MDCC.

binnen Rom zu bleiben/ und weder etwas schrei-
ben noch drucken zu lassen. Ein so gelinder
spruch geschahe über ihn in ansehung seiner Car-
dinals-würde/ deren ohnverletzlichkeit denen
Herrn Inquisitoribus selbst angelegen war/ als
derer gröster theil Cardinäle sind. Petrucci hiel-
te sich/ nachdem sein freund gefangen gelegt
war/ sehr still und eingezogen; Dennoch wag-
te ers einmahl/ mit des Pabsts erlaubniß/
als ein Jonathan seinen David im gefängniß
zu besuchen/ da sie sich etliche stunden lang sa-
hen und sprachen welches ihr letztes mal auff
dieser welt geblieben. Anno 1687. den 9. Se-
ptembris
erhub sich zu Rom plößlich ein groß
ungewitter der verfolgung derer so genannten
Quietisten/ welches wort von dem Lateinischen
Quies, welches ruhe heisset/ herkömmet/ und
bezeichnet spotts weise solche leute/ die dem von
der gemüths-ruhe geschrieben habendem Moli-
nos
nicht abhold seyn. Und du bist auch ein
Quietist, war ja jetzt so arg als dort ein Galileer.
Der Graff und seine Gemahlin Vespaniani, un-
terschiedliche fromm- und gelehrt-genante
Priester/ des Cardinals Petrucci Secretarius
und vetter/ und mehr andere personen/ gemeine
auch vornehme/ an der zahl 70. wurden durch die
schergen und diener des Inquisition-amts aus den
häusern geholt und in das gefängniß geführt/
des andern und folgenden tages wurde damit
immer fortgefahren/ und in weniger als 4. wo-
chen zeit war die zahl solcher gefangenen über
290. Wobey denen Herrn Inquisitoren selbst wehe
ward/ als sie sahen/ daß bald in keinem gefäng-
niß raum mehrübrig/ und die meisten der schon
gefangenen so wol zu frieden sich daselbst bezeige-
ten/ als wären sie daheim. Als nun die Inqui-
sitores,
was ihnen zu thun wäre/ bey so bewand-
ter sache/ nicht wusten noch bedencken konten/
ergrieffen sie diesen rath; Es wäre besser/ daß
der eintzige Molinos desto härter litte/ und
exemplariter vor allen abgestrafft würde/ denn
daß man allen gefangenen den Process formir-
te. Wie gesagt/ so gethan: Alle mit einan-
der/ erstlich die Grossen/ nachgehends die gemei-
nen/ wurden in der stille/ ein jeglicher mit scharf-
fem/ doch nur mündlichem verweiß/ loß und wie-
der heim gelassen. Aber Molinos sein Process
wurde mit desto grösserm ernst vor die hand ge-
nommen. Vierzehen zeugen wurden wider ihn
auffgenommen/ deren zwar 6. gezwungen/ 8.
aber waren freywillig auffgetreten. Es stim-
mete aber ihr zeugniß nicht übere in mit Moli-
nos
geist und sinn! Denn sie sagten die worte
zwar/ die er geredet hatte/ aber nicht die um-
stände/ seine absicht/ verstand/ meinung und
beschränckung solcher seiner ausgesproche-
nen reden. Dennoch aber aus solchen zeug-
nissen und aus mehr dergleichen (aus diesem
büchlein/ und aus briefen heraus gezogenen)
wurde das corpus delicti und die gantze be-
schuldigung formiret/ bestehende in 68. proposi-
tion
en/ die Molinos solte gelehrt haben/ die der
Ertz-bischoff von Camerich bey seiner anno
1697. heraus gegebenen Instruction Pastorale
anhencken und durch den druck renoviren hat
wollen. Solche nennet der Pabst voll von
gefährlichen und schädlichen irrthümern. Man
muß aber/ wenn man Innocentii undecimi na-
men der verdammungs-bulle siehet vor- und

nachste-
A. K. H. Dritter Theil. A a 2

Th. III. C. XVII. Von denen Quietiſten.
[Spaltenumbruch] Jahr
MDC.
biß
MDCC.
GOTT zu/ daß ſie ihr muͤthlein kuͤhleten auf
folgende weiſe: Sie nahmen anno 1684. ih-
re zuflucht zu dem Koͤnig in Franckreich/ mit
vorſtellung/ daß zu einer zeit/ da ſeine Maje-
ſtaͤt in dero Koͤnigreich die Ketzerey ausrottete/
der Pabſt ſelbſt eine neue im buſen hegete/ die
ſchon gantz Jtalien angeſtecket/ deren urheber
Molinos ein Spanier/ ein gefaͤhrlicher Mann;
von dem ſich der Pabſt ſo haͤtte einnehmen
laſſen/ daß ſie kein gehoͤr koͤnten kriegen. Wo
nun ſeine Allerchriſtlichſte Majeſtaͤt hie nicht
zutrette/ ſo muͤſſe die Chriſtliche Kirche unter-
gehen; der Koͤnig ließ ſich von ihnen einneh-
men/ und ſchrieb zu ſeinem in Rom reſidiren-
den Abgeſandten/ er ſolte mit aͤuſſerſter ſchaͤrf-
fe den Molinos verfolgen. Der Abgeſandte
ſelbſt war dem Molinos nicht unguͤnſtig/ doch
aber dem befehl ſeines Herrn und Koͤniges zu
folge/ gieng er zum Pabſt/ und begehrte/ daß
eine Inquiſition uͤber Molinos moͤchte ange-
ſtellet werden. Daruͤber wurde der Pabſt ſehr
betruͤbet/ doch um des eyffers willen/ den der
groſſe Koͤnig mit drohung gegen den Pabſt
ließ bezeigen/ wieſe er den Abgeſandten ans
General-Inquiſitions-Amt. Nun hatten
des Molinos widerſacher dem Koͤniglichen
Abgeſandten zu gnug ſchweren auflagen vor-
ſchub gethan. Mit ſolchen beſchuldigungen
meldete ſich der Abgeſandte an/ vor dem be-
ſagten Tribunal, mit vorlegung des aͤuſ-
ſerlichen begehrens des Koͤniges/ daß ſie ihr amt
thun/ und dieſe gefaͤhrliche Ketzerey unterſuchen
und ausrotten ſolten: Von ſtund an ſandten
ſie hin ihre diener/ das war im Majo 1685.
und lieſſen Molinos in eines ihrer gefaͤngniß
fuͤhren/ und alle ſeine ſachen in bewahrung
nehmen/ beſtehende meiſt in brieffen/ die taͤg-
lich in groſſer menge an ihn geſchrieben ka-
men. Das ſchiene eine groſſe und eben gleiche
gefahr zu ſeyn uͤber alle ſeine Correſpondenten;
allein ſie blieben gantzer zwey Jahr zwiſchen
furcht und hoffnung hangen. Unterdeſſen wur-
de die unterſuchung und berathſchlagung in
geheim fleißig fortgeſetzet/ und ein Edict durch
gantz Jtalien in alle und jegliche oͤrter geſandt/
darinn die leſung der buͤcher des Petrucci und
des Molinos bey ſchwerer ſtraffe verboten wur-
de im namen des General-Inquiſition-Amts.
Der Pabſt ward hiebey ein bloſſer zuſeher/
und wenn jemand vor ihm erwehnte/ daß in
Molinos buͤchlein ſo gefaͤhrliche irrthuͤmer waͤ-
ren/ pflegte der Pabſt die nicht darinnen koͤn-
nen zu finden zu antworten; Als er auch nu-
mehro dem Molinos ſelbſt keine huͤlffe und ret-
tung vermochte beyzubringen/ ſuchte er gleich-
wol deſſen gute freunde/ ſo viel als moͤglich/ in
ſicherheit zu ſtellen. Solcher vier oder fuͤnff/
die theils ſchon Biſchoͤffe/ theils nur gemeine
Prieſter waren/ ſetzte der Pabſt im Septembr.
1686. in den Cardinals-ſtand/ welcher in der
Roͤmiſchen Kirchen vor die hoͤchſte wuͤrde ge-
halten/ nechſt der Paͤbſtlichen/ und deswegen
vor unverbruͤchlich und ſonderlich geachtet
wird. Die Einfuͤhrung erwehnter Perſonen
ging mit muͤhe doch endlich von ſtatten: unter
derſelben war auch der mehr erwehnte Petrus
Matthæus Petrucci,
deme der Pabſt ſchon vor-
hin das Biſchoffthum ſeines vaterlandes Jeſi
hatte geſchencket/ ſo ihm aber nachgehends als
einem irꝛgeiſt durch anſpruch des Inquiſitions-
[Spaltenumbruch] amts wieder genommen worden/ mit befehlJahr
MDC.
biß
MDCC.

binnen Rom zu bleiben/ und weder etwas ſchrei-
ben noch drucken zu laſſen. Ein ſo gelinder
ſpruch geſchahe uͤber ihn in anſehung ſeiner Car-
dinals-wuͤrde/ deren ohnverletzlichkeit denen
Herꝛn Inquiſitoribus ſelbſt angelegen war/ als
derer groͤſter theil Cardinaͤle ſind. Petrucci hiel-
te ſich/ nachdem ſein freund gefangen gelegt
war/ ſehr ſtill und eingezogen; Dennoch wag-
te ers einmahl/ mit des Pabſts erlaubniß/
als ein Jonathan ſeinen David im gefaͤngniß
zu beſuchen/ da ſie ſich etliche ſtunden lang ſa-
hen und ſprachen welches ihr letztes mal auff
dieſer welt geblieben. Anno 1687. den 9. Se-
ptembris
erhub ſich zu Rom ploͤßlich ein groß
ungewitter der verfolgung derer ſo genannten
Quietiſten/ welches wort von dem Lateiniſchen
Quies, welches ruhe heiſſet/ herkoͤmmet/ und
bezeichnet ſpotts weiſe ſolche leute/ die dem von
der gemuͤths-ruhe geſchrieben habendem Moli-
nos
nicht abhold ſeyn. Und du biſt auch ein
Quietiſt, war ja jetzt ſo arg als dort ein Galileer.
Der Graff und ſeine Gemahlin Veſpaniani, un-
terſchiedliche fromm- und gelehrt-genante
Prieſter/ des Cardinals Petrucci Secretarius
und vetter/ und mehr andere perſonen/ gemeine
auch vornehme/ an der zahl 70. wurden durch die
ſchergen uñ dieneꝛ des Inquiſition-amts aus den
haͤuſern geholt und in das gefaͤngniß gefuͤhrt/
des andern und folgenden tages wurde damit
immer fortgefahren/ und in weniger als 4. wo-
chen zeit war die zahl ſolcher gefangenen uͤber
290. Wobey denẽ Herꝛn Inquiſitoren ſelbſt wehe
ward/ als ſie ſahen/ daß bald in keinem gefaͤng-
niß raum mehruͤbrig/ und die meiſten der ſchon
gefangenẽ ſo wol zu frieden ſich daſelbſt bezeige-
ten/ als waͤren ſie daheim. Als nun die Inqui-
ſitores,
was ihnen zu thun waͤre/ bey ſo bewand-
ter ſache/ nicht wuſten noch bedencken konten/
ergrieffen ſie dieſen rath; Es waͤre beſſer/ daß
der eintzige Molinos deſto haͤrter litte/ und
exemplariter vor allen abgeſtrafft wuͤrde/ denn
daß man allen gefangenen den Proceſs formir-
te. Wie geſagt/ ſo gethan: Alle mit einan-
der/ erſtlich die Groſſen/ nachgehends die gemei-
nen/ wurden in der ſtille/ ein jeglicher mit ſcharf-
fem/ doch nur muͤndlichem verweiß/ loß und wie-
der heim gelaſſen. Aber Molinos ſein Proceſs
wurde mit deſto groͤſſerm ernſt vor die hand ge-
nommen. Vierzehen zeugen wurden wider ihn
auffgenommen/ deren zwar 6. gezwungen/ 8.
aber waren freywillig auffgetreten. Es ſtim-
mete aber ihr zeugniß nicht uͤbere in mit Moli-
nos
geiſt und ſinn! Denn ſie ſagten die worte
zwar/ die er geredet hatte/ aber nicht die um-
ſtaͤnde/ ſeine abſicht/ verſtand/ meinung und
beſchraͤnckung ſolcher ſeiner ausgeſproche-
nen reden. Dennoch aber aus ſolchen zeug-
niſſen und aus mehr dergleichen (aus dieſem
buͤchlein/ und aus briefen heraus gezogenen)
wurde das corpus delicti und die gantze be-
ſchuldigung formiꝛet/ beſtehende in 68. propoſi-
tion
en/ die Molinos ſolte gelehrt haben/ die der
Ertz-biſchoff von Camerich bey ſeiner anno
1697. heraus gegebenen Inſtruction Paſtorale
anhencken und durch den druck renoviren hat
wollen. Solche nennet der Pabſt voll von
gefaͤhrlichen und ſchaͤdlichen irꝛthuͤmern. Man
muß aber/ wenn man Innocentii undecimi na-
men der verdammungs-bulle ſiehet vor- und

nachſte-
A. K. H. Dritter Theil. A a 2
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[187/0199] Th. III. C. XVII. Von denen Quietiſten. GOTT zu/ daß ſie ihr muͤthlein kuͤhleten auf folgende weiſe: Sie nahmen anno 1684. ih- re zuflucht zu dem Koͤnig in Franckreich/ mit vorſtellung/ daß zu einer zeit/ da ſeine Maje- ſtaͤt in dero Koͤnigreich die Ketzerey ausrottete/ der Pabſt ſelbſt eine neue im buſen hegete/ die ſchon gantz Jtalien angeſtecket/ deren urheber Molinos ein Spanier/ ein gefaͤhrlicher Mann; von dem ſich der Pabſt ſo haͤtte einnehmen laſſen/ daß ſie kein gehoͤr koͤnten kriegen. Wo nun ſeine Allerchriſtlichſte Majeſtaͤt hie nicht zutrette/ ſo muͤſſe die Chriſtliche Kirche unter- gehen; der Koͤnig ließ ſich von ihnen einneh- men/ und ſchrieb zu ſeinem in Rom reſidiren- den Abgeſandten/ er ſolte mit aͤuſſerſter ſchaͤrf- fe den Molinos verfolgen. Der Abgeſandte ſelbſt war dem Molinos nicht unguͤnſtig/ doch aber dem befehl ſeines Herrn und Koͤniges zu folge/ gieng er zum Pabſt/ und begehrte/ daß eine Inquiſition uͤber Molinos moͤchte ange- ſtellet werden. Daruͤber wurde der Pabſt ſehr betruͤbet/ doch um des eyffers willen/ den der groſſe Koͤnig mit drohung gegen den Pabſt ließ bezeigen/ wieſe er den Abgeſandten ans General-Inquiſitions-Amt. Nun hatten des Molinos widerſacher dem Koͤniglichen Abgeſandten zu gnug ſchweren auflagen vor- ſchub gethan. Mit ſolchen beſchuldigungen meldete ſich der Abgeſandte an/ vor dem be- ſagten Tribunal, mit vorlegung des aͤuſ- ſerlichen begehrens des Koͤniges/ daß ſie ihr amt thun/ und dieſe gefaͤhrliche Ketzerey unterſuchen und ausrotten ſolten: Von ſtund an ſandten ſie hin ihre diener/ das war im Majo 1685. und lieſſen Molinos in eines ihrer gefaͤngniß fuͤhren/ und alle ſeine ſachen in bewahrung nehmen/ beſtehende meiſt in brieffen/ die taͤg- lich in groſſer menge an ihn geſchrieben ka- men. Das ſchiene eine groſſe und eben gleiche gefahr zu ſeyn uͤber alle ſeine Correſpondenten; allein ſie blieben gantzer zwey Jahr zwiſchen furcht und hoffnung hangen. Unterdeſſen wur- de die unterſuchung und berathſchlagung in geheim fleißig fortgeſetzet/ und ein Edict durch gantz Jtalien in alle und jegliche oͤrter geſandt/ darinn die leſung der buͤcher des Petrucci und des Molinos bey ſchwerer ſtraffe verboten wur- de im namen des General-Inquiſition-Amts. Der Pabſt ward hiebey ein bloſſer zuſeher/ und wenn jemand vor ihm erwehnte/ daß in Molinos buͤchlein ſo gefaͤhrliche irrthuͤmer waͤ- ren/ pflegte der Pabſt die nicht darinnen koͤn- nen zu finden zu antworten; Als er auch nu- mehro dem Molinos ſelbſt keine huͤlffe und ret- tung vermochte beyzubringen/ ſuchte er gleich- wol deſſen gute freunde/ ſo viel als moͤglich/ in ſicherheit zu ſtellen. Solcher vier oder fuͤnff/ die theils ſchon Biſchoͤffe/ theils nur gemeine Prieſter waren/ ſetzte der Pabſt im Septembr. 1686. in den Cardinals-ſtand/ welcher in der Roͤmiſchen Kirchen vor die hoͤchſte wuͤrde ge- halten/ nechſt der Paͤbſtlichen/ und deswegen vor unverbruͤchlich und ſonderlich geachtet wird. Die Einfuͤhrung erwehnter Perſonen ging mit muͤhe doch endlich von ſtatten: unter derſelben war auch der mehr erwehnte Petrus Matthæus Petrucci, deme der Pabſt ſchon vor- hin das Biſchoffthum ſeines vaterlandes Jeſi hatte geſchencket/ ſo ihm aber nachgehends als einem irꝛgeiſt durch anſpruch des Inquiſitions- amts wieder genommen worden/ mit befehl binnen Rom zu bleiben/ und weder etwas ſchrei- ben noch drucken zu laſſen. Ein ſo gelinder ſpruch geſchahe uͤber ihn in anſehung ſeiner Car- dinals-wuͤrde/ deren ohnverletzlichkeit denen Herꝛn Inquiſitoribus ſelbſt angelegen war/ als derer groͤſter theil Cardinaͤle ſind. Petrucci hiel- te ſich/ nachdem ſein freund gefangen gelegt war/ ſehr ſtill und eingezogen; Dennoch wag- te ers einmahl/ mit des Pabſts erlaubniß/ als ein Jonathan ſeinen David im gefaͤngniß zu beſuchen/ da ſie ſich etliche ſtunden lang ſa- hen und ſprachen welches ihr letztes mal auff dieſer welt geblieben. Anno 1687. den 9. Se- ptembris erhub ſich zu Rom ploͤßlich ein groß ungewitter der verfolgung derer ſo genannten Quietiſten/ welches wort von dem Lateiniſchen Quies, welches ruhe heiſſet/ herkoͤmmet/ und bezeichnet ſpotts weiſe ſolche leute/ die dem von der gemuͤths-ruhe geſchrieben habendem Moli- nos nicht abhold ſeyn. Und du biſt auch ein Quietiſt, war ja jetzt ſo arg als dort ein Galileer. Der Graff und ſeine Gemahlin Veſpaniani, un- terſchiedliche fromm- und gelehrt-genante Prieſter/ des Cardinals Petrucci Secretarius und vetter/ und mehr andere perſonen/ gemeine auch vornehme/ an der zahl 70. wurden durch die ſchergen uñ dieneꝛ des Inquiſition-amts aus den haͤuſern geholt und in das gefaͤngniß gefuͤhrt/ des andern und folgenden tages wurde damit immer fortgefahren/ und in weniger als 4. wo- chen zeit war die zahl ſolcher gefangenen uͤber 290. Wobey denẽ Herꝛn Inquiſitoren ſelbſt wehe ward/ als ſie ſahen/ daß bald in keinem gefaͤng- niß raum mehruͤbrig/ und die meiſten der ſchon gefangenẽ ſo wol zu frieden ſich daſelbſt bezeige- ten/ als waͤren ſie daheim. Als nun die Inqui- ſitores, was ihnen zu thun waͤre/ bey ſo bewand- ter ſache/ nicht wuſten noch bedencken konten/ ergrieffen ſie dieſen rath; Es waͤre beſſer/ daß der eintzige Molinos deſto haͤrter litte/ und exemplariter vor allen abgeſtrafft wuͤrde/ denn daß man allen gefangenen den Proceſs formir- te. Wie geſagt/ ſo gethan: Alle mit einan- der/ erſtlich die Groſſen/ nachgehends die gemei- nen/ wurden in der ſtille/ ein jeglicher mit ſcharf- fem/ doch nur muͤndlichem verweiß/ loß und wie- der heim gelaſſen. Aber Molinos ſein Proceſs wurde mit deſto groͤſſerm ernſt vor die hand ge- nommen. Vierzehen zeugen wurden wider ihn auffgenommen/ deren zwar 6. gezwungen/ 8. aber waren freywillig auffgetreten. Es ſtim- mete aber ihr zeugniß nicht uͤbere in mit Moli- nos geiſt und ſinn! Denn ſie ſagten die worte zwar/ die er geredet hatte/ aber nicht die um- ſtaͤnde/ ſeine abſicht/ verſtand/ meinung und beſchraͤnckung ſolcher ſeiner ausgeſproche- nen reden. Dennoch aber aus ſolchen zeug- niſſen und aus mehr dergleichen (aus dieſem buͤchlein/ und aus briefen heraus gezogenen) wurde das corpus delicti und die gantze be- ſchuldigung formiꝛet/ beſtehende in 68. propoſi- tionen/ die Molinos ſolte gelehrt haben/ die der Ertz-biſchoff von Camerich bey ſeiner anno 1697. heraus gegebenen Inſtruction Paſtorale anhencken und durch den druck renoviren hat wollen. Solche nennet der Pabſt voll von gefaͤhrlichen und ſchaͤdlichen irꝛthuͤmern. Man muß aber/ wenn man Innocentii undecimi na- men der verdammungs-bulle ſiehet vor- und nachſte- Jahr MDC. biß MDCC. Jahr MDC. biß MDCC. A. K. H. Dritter Theil. A a 2

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Zitationshilfe: Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_ketzerhistorie02_1700/199>, abgerufen am 18.04.2024.