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Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700.

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Th. III. C. XVI. Von der Antoinette Bourignon,
[Spaltenumbruch] Jahr
MDC.
biß
DC C.
und der geheimnisse von unserer erlösung
einschärffen: Wie tieff sie die unermeßli-
che verderbnis des menschen| entdecken/
wie ruhig und zu frieden sie das gemüth
machen über denreligion-streiten/ wie
sie alle
Controversien überhaupt abschnei-
den/ alle ketzereyen vernichten/ und das
hertz so erwecken/ rühren und durchdrin-
gen/ auch nicht ruhen lassen/ biß es sich
GOtt ergebe/ und mit verwerffung al-
ler eitelkeiten dem Göttlichen willen
auffopffere/ ihm allein nothwendig an-
hange/ an keiner parthey oder
secte kle-
be/ sondern friedfertig/ demüthig und
gnügsam sey. Mit einem wort/ Gottse-
lige leser werden erfahren/ daß ihnen in
diesen schrifften nach allen stücken
satis-
faction
geschehe/ was nur in Theoria oder
Praxi von äusserlicher und innerlicher le-
bens-art gegen GOtt/ gegen sich selbst
und gegen andere so wolböse als fromme
kan gefragt/ oder verlanget werden: Und
dieses alles wird nicht etwan auff eine
dunckele weise/ sondern mit einer un-
glaublichen und unvergleichlichen
ap-
plication
und leichtigkeit/ daß es auch
kleine kinder/ wenn sie einen guten wil-
len haben/ in denen sonst hohen und
grossen
materien fassen können/ auch mit
solcher deutlichkeit und ungezweiffelter
klarheit/ wie auch mit einem solchen rei-
nen zweck/ der allein auff die liebe GOt-
tes/ und auff die vernichtung der sünden
zielet. Also daß ich nicht begreiffen kan/
wie es möglich sey/ daß etliche vor GOtt
und in ihrem hertzen nicht solten gott-
loß seyn/ die dennoch diese Göttliche
wercke verdammen und verwerffen/
wenn sie anders selbige gelesen haben.

Dergleichen lobsprüche man hin und wiederbey
diesem auctore findet/ so wol in der gedachten
Oeconomia, als auch in den büchern de erudi-
tione, vid. pag. 422, 430, 433, 454. &c.
Wie-
wol er daselbst auch/ und hernach in den Obser-
vationibus ad Lib. de Educatione p.
131. sich
gar weißlich erklärt/ daß er dieser Jungfrau nur
so fern beypflichte/ als selbige mit dem Evange-
lio einstimme.

Foirets le-
bensbe-
schrei-
bung.

32. Betreffend aber andere umstände von
diesem manne/ gehe ich dieselbe allhier meisten-
theils vorbey/ weil von solchen personen/ die
annoch am leben sind/ (wie dennder Herr Poi-
ret
annoch zu Rinßburg nahe bey Leyden in der
einsamkeit lebet) zu schreiben/ meines vorha-
bens nicht ist. So viel ist aus seiner eigenen
relation zu melden/ nicht undienlich/ daß er in
seiner jugend wider seinen willen/ bloß seinen el-
tern zu gefallen/ Theologiam studirt/ und den-
noch niemals von hertzen den gemeinen meinun-
gen und sätzen beyflichten können/ weßwegen er
denn nach und nach in wiederspruch und disput
gerathen. Nachmals ist er zwar Prediger in
der Pfaltz/ und letztens zu Heidelberg worden;
da er aber in Sam. Maresii schrifften gelesen/
daß er den Voetium bloß daraus verdächtig zu
machen gesucht/ weil er irgendwo den Tho-
mam a Kempis recommendi
rt gehabt/ hat
Poiret diesen grund/ einen zum ketzer zu machen/
vor sehr elend erkant/ und so fort eine begierde be-
kommen/ den Kempis zu lesen. Darauff fügte
[Spaltenumbruch] sichs nach langer zeit/ daß er zu Franckfurt amJahr
MDC.
biß
MDCC.

Mäyn dieses buch nebenst der Antoinette Bou-
rignon
Licht der welt ohgefehr an sich tauscht/
daraus er einen anderen begriff von der wahren
Theologie und ein verlangen die Antoinette
zu sprechen/ bey sich gemercket/ zu welcher er
nach einigem briefwechsel erst in Hamburg kom-
men ist/ nachdem die Frantzosen anno 1676. ihn
aus seinem ort und amt getrieben gehabt/ wel-
ches er zuvor offt hertzlich von GOtt gewün-
schet und gebeten gehabt/ weil er so wol die
schwerigkeit des lehr-amts als auch seine eige-
ne schwachheit einsehen lernen. Er ist nach-
mals mit gedachter Antoinette von Hamburg
bey ihrer verfolgung nach Ost-Frießland/ und
von dar eben auch wegen der verfolgung in
Holland gezogen. Sonst erzehlet er auch von
sich selbst im letztgedachten buche in der Epistola
ad Auctorem Bibliothec. Univers p.
449. sei-
ne ersten führungen. Wie er nemlich so wol"Studiten.
als alle andere gelehrte in der eigenen liebe und"
hoffart geboren und erzogen worden/ bey sei-"
nem studiren an statt einer heiligen lehre/ da-"
durch man erst zur wahren erkäntnis seines"
elendes/ und denn zur wahren weißheit gelan-"
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sehen gehabt/ gelobt und werth gehalten wor-"
den. Dergestalt habe er die gemeine erudi-"
tion
als ein pralerhafftes kleid um sich ge-"
hengt gehabt/ und an denen Praeceptoren"
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auch selbige mit aller macht zu defendiren ge-"
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tiqu
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nicht bezwingen noch stillen mögen/ in dem er"
seiner verderbten vernunfft als einem götzen"
eifrigst angehangen. Endlich aber hätte ihn"Seine be-
kehrung.

Gott aus grosser barmhertzigkeit ergriffen/ da"
er über Taulerum, Thomam a Kempis, und"
die Teutsche theologie gerathen/ und daraus"
die nothwendigkeit der erkäntniß sein selbst"
und der reinigung unserer seelen ersehen. Es"
hätten ihm auch alsobald alle spaltungen/ se-"
ct
en und zänckereyen mißgefallen/ so daß er eine"
allgemeine eintracht unter allen gewünschet."
Zu letzt hätte ihn GOtt durch diese Jungfrau"
so gewaltig gerühret/ daß er seinen heimlichen"
widerstand wider GOtt und die wahrheit erst"
recht empfunden/ und dadurch zur tieffsten zer-"
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auch so fort zur gründlichen erkäntniß GOt-"
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gelegt und ein privat-leben erwehlet."

33. Bey dieser Relation ist alsbald zu ver-Urtheile
der Ge-
lehrten
von ihm.

muthen/ daß die Judicia derer gelehrten von
diesem mann unterschiedlich müssen gefallen
seyn. Jn der Edition des buchs de Eruditio-
ne
finden sich unterschiedliche nachtrückliche
Encomia desselben/ so wol von Juristen als
Medicis und andern gelehrten/ die ich/ weil

das buch

Th. III. C. XVI. Von der Antoinette Bourignon,
[Spaltenumbruch] Jahr
MDC.
biß
DC C.
und der geheimniſſe von unſeꝛer eꝛloͤſung
einſchaͤrffen: Wie tieff ſie die unermeßli-
che verderbnis des menſchen| entdecken/
wie ruhig und zu frieden ſie das gemuͤth
machen uͤber denreligion-ſtreiten/ wie
ſie alle
Controverſien uͤberhaupt abſchnei-
den/ alle ketzereyen vernichten/ und das
hertz ſo erwecken/ ruͤhren und durchdrin-
gen/ auch nicht ruhen laſſen/ biß es ſich
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ſecte kle-
be/ ſondern friedfertig/ demuͤthig und
gnuͤgſam ſey. Mit einem wort/ Gottſe-
lige leſer werden erfahren/ daß ihnen in
dieſen ſchrifften nach allen ſtuͤcken
ſatiſ-
faction
geſchehe/ was nur in Theoria oder
Praxi von aͤuſſerlicher und innerlicher le-
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und gegen andere ſo wolboͤſe als fromme
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dieſes alles wird nicht etwan auff eine
dunckele weiſe/ ſondern mit einer un-
glaublichen und unvergleichlichen
ap-
plication
und leichtigkeit/ daß es auch
kleine kinder/ wenn ſie einen guten wil-
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groſſen
materien faſſen koͤnnen/ auch mit
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loß ſeyn/ die dennoch dieſe Goͤttliche
wercke verdammen und verwerffen/
wenn ſie anders ſelbige geleſen haben.

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dieſem auctore findet/ ſo wol in der gedachten
Oeconomia, als auch in den buͤchern de erudi-
tione, vid. pag. 422, 430, 433, 454. &c.
Wie-
wol er daſelbſt auch/ und hernach in den Obſer-
vationibus ad Lib. de Educatione p.
131. ſich
gar weißlich erklaͤrt/ daß er dieſer Jungfrau nur
ſo fern beypflichte/ als ſelbige mit dem Evange-
lio einſtimme.

Foirets le-
bensbe-
ſchrei-
bung.

32. Betreffend aber andere umſtaͤnde von
dieſem manne/ gehe ich dieſelbe allhier meiſten-
theils vorbey/ weil von ſolchen perſonen/ die
annoch am leben ſind/ (wie dennder Herꝛ Poi-
ret
annoch zu Rinßburg nahe bey Leyden in der
einſamkeit lebet) zu ſchreiben/ meines vorha-
bens nicht iſt. So viel iſt aus ſeiner eigenen
relation zu melden/ nicht undienlich/ daß er in
ſeiner jugend wider ſeinen willen/ bloß ſeinen el-
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gen und ſaͤtzen beyflichten koͤnnen/ weßwegen er
denn nach und nach in wiederſpruch und diſput
gerathen. Nachmals iſt er zwar Prediger in
der Pfaltz/ und letztens zu Heidelberg worden;
da er aber in Sam. Mareſii ſchrifften geleſen/
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machen geſucht/ weil er irgendwo den Tho-
mam à Kempis recommendi
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Poiret dieſen grund/ einen zum ketzer zu machen/
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kommen/ den Kempis zu leſen. Darauff fuͤgte
[Spaltenumbruch] ſichs nach langer zeit/ daß er zu Franckfurt amJahr
MDC.
biß
MDCC.

Maͤyn dieſes buch nebenſt der Antoinette Bou-
rignon
Licht der welt ohgefehr an ſich tauſcht/
daraus er einen anderen begriff von der wahren
Theologie und ein verlangen die Antoinette
zu ſprechen/ bey ſich gemercket/ zu welcher er
nach einigem bꝛiefwechſel eꝛſt in Hamburg kom-
men iſt/ nachdem die Frantzoſen anno 1676. ihn
aus ſeinem ort und amt getrieben gehabt/ wel-
ches er zuvor offt hertzlich von GOtt gewuͤn-
ſchet und gebeten gehabt/ weil er ſo wol die
ſchwerigkeit des lehr-amts als auch ſeine eige-
ne ſchwachheit einſehen lernen. Er iſt nach-
mals mit gedachter Antoinette von Hamburg
bey ihrer verfolgung nach Oſt-Frießland/ und
von dar eben auch wegen der verfolgung in
Holland gezogen. Sonſt erzehlet er auch von
ſich ſelbſt im letztgedachten buche in der Epiſtola
ad Auctorem Bibliothec. Univerſ p.
449. ſei-
ne erſten fuͤhrungen. Wie er nemlich ſo wol„Studiten.
als alle andere gelehrte in der eigenen liebe und“
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nem ſtudiren an ſtatt einer heiligen lehre/ da-“
durch man erſt zur wahren erkaͤntnis ſeines“
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den. Dergeſtalt habe er die gemeine erudi-“
tion
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tiqu
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Zu letzt haͤtte ihn GOtt durch dieſe Jungfrau“
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gelegt und ein privat-leben erwehlet.„

33. Bey dieſer Relation iſt alsbald zu ver-Urtheile
der Ge-
lehrten
von ihm.

muthen/ daß die Judicia derer gelehrten von
dieſem mann unterſchiedlich muͤſſen gefallen
ſeyn. Jn der Edition des buchs de Eruditio-
ne
finden ſich unterſchiedliche nachtruͤckliche
Encomia deſſelben/ ſo wol von Juriſten als
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[164/0176] Th. III. C. XVI. Von der Antoinette Bourignon, und der geheimniſſe von unſeꝛer eꝛloͤſung einſchaͤrffen: Wie tieff ſie die unermeßli- che verderbnis des menſchen| entdecken/ wie ruhig und zu frieden ſie das gemuͤth machen uͤber denreligion-ſtreiten/ wie ſie alle Controverſien uͤberhaupt abſchnei- den/ alle ketzereyen vernichten/ und das hertz ſo erwecken/ ruͤhren und durchdrin- gen/ auch nicht ruhen laſſen/ biß es ſich GOtt ergebe/ und mit verwerffung al- ler eitelkeiten dem Goͤttlichen willen auffopffere/ ihm allein nothwendig an- hange/ an keiner parthey oder ſecte kle- be/ ſondern friedfertig/ demuͤthig und gnuͤgſam ſey. Mit einem wort/ Gottſe- lige leſer werden erfahren/ daß ihnen in dieſen ſchrifften nach allen ſtuͤcken ſatiſ- faction geſchehe/ was nur in Theoria oder Praxi von aͤuſſerlicher und innerlicher le- bens-art gegen GOtt/ gegen ſich ſelbſt und gegen andere ſo wolboͤſe als fromme kan gefragt/ odeꝛ veꝛlanget werden: Und dieſes alles wird nicht etwan auff eine dunckele weiſe/ ſondern mit einer un- glaublichen und unvergleichlichen ap- plication und leichtigkeit/ daß es auch kleine kinder/ wenn ſie einen guten wil- len haben/ in denen ſonſt hohen und groſſen materien faſſen koͤnnen/ auch mit ſolcher deutlichkeit und ungezweiffelter klarheit/ wie auch mit einem ſolchen rei- nen zweck/ der allein auff die liebe GOt- tes/ und auff die vernichtung der ſuͤnden zielet. Alſo daß ich nicht begreiffen kan/ wie es moͤglich ſey/ daß etliche vor GOtt und in ihrem hertzen nicht ſolten gott- loß ſeyn/ die dennoch dieſe Goͤttliche wercke verdammen und verwerffen/ wenn ſie anders ſelbige geleſen haben. Dergleichen lobſpruͤche man hin und wiedeꝛbey dieſem auctore findet/ ſo wol in der gedachten Oeconomia, als auch in den buͤchern de erudi- tione, vid. pag. 422, 430, 433, 454. &c. Wie- wol er daſelbſt auch/ und hernach in den Obſer- vationibus ad Lib. de Educatione p. 131. ſich gar weißlich erklaͤrt/ daß er dieſer Jungfrau nur ſo fern beypflichte/ als ſelbige mit dem Evange- lio einſtimme. Jahr MDC. biß DC C. 32. Betreffend aber andere umſtaͤnde von dieſem manne/ gehe ich dieſelbe allhier meiſten- theils vorbey/ weil von ſolchen perſonen/ die annoch am leben ſind/ (wie dennder Herꝛ Poi- ret annoch zu Rinßburg nahe bey Leyden in der einſamkeit lebet) zu ſchreiben/ meines vorha- bens nicht iſt. So viel iſt aus ſeiner eigenen relation zu melden/ nicht undienlich/ daß er in ſeiner jugend wider ſeinen willen/ bloß ſeinen el- tern zu gefallen/ Theologiam ſtudirt/ und den- noch niemals von heꝛtzen den gemeinen meinun- gen und ſaͤtzen beyflichten koͤnnen/ weßwegen er denn nach und nach in wiederſpruch und diſput gerathen. Nachmals iſt er zwar Prediger in der Pfaltz/ und letztens zu Heidelberg worden; da er aber in Sam. Mareſii ſchrifften geleſen/ daß er den Voëtium bloß daraus verdaͤchtig zu machen geſucht/ weil er irgendwo den Tho- mam à Kempis recommendirt gehabt/ hat Poiret dieſen grund/ einen zum ketzer zu machen/ vor ſehr elend erkant/ und ſo fort eine begierde be- kommen/ den Kempis zu leſen. Darauff fuͤgte ſichs nach langer zeit/ daß er zu Franckfurt am Maͤyn dieſes buch nebenſt der Antoinette Bou- rignon Licht der welt ohgefehr an ſich tauſcht/ daraus er einen anderen begriff von der wahren Theologie und ein verlangen die Antoinette zu ſprechen/ bey ſich gemercket/ zu welcher er nach einigem bꝛiefwechſel eꝛſt in Hamburg kom- men iſt/ nachdem die Frantzoſen anno 1676. ihn aus ſeinem ort und amt getrieben gehabt/ wel- ches er zuvor offt hertzlich von GOtt gewuͤn- ſchet und gebeten gehabt/ weil er ſo wol die ſchwerigkeit des lehr-amts als auch ſeine eige- ne ſchwachheit einſehen lernen. Er iſt nach- mals mit gedachter Antoinette von Hamburg bey ihrer verfolgung nach Oſt-Frießland/ und von dar eben auch wegen der verfolgung in Holland gezogen. Sonſt erzehlet er auch von ſich ſelbſt im letztgedachten buche in der Epiſtola ad Auctorem Bibliothec. Univerſ p. 449. ſei- ne erſten fuͤhrungen. Wie er nemlich ſo wol„ als alle andere gelehrte in der eigenen liebe und“ hoffart geboren und erzogen worden/ bey ſei-“ nem ſtudiren an ſtatt einer heiligen lehre/ da-“ durch man erſt zur wahren erkaͤntnis ſeines“ elendes/ und denn zur wahren weißheit gelan-“ gen koͤnte/ die zeit und muͤhe auff eitele thorhei-“ ten gewendet/ gleich wol von denen die das an-“ ſehen gehabt/ gelobt und werth gehalten wor-“ den. Dergeſtalt habe er die gemeine erudi-“ tion als ein pralerhafftes kleid um ſich ge-“ hengt gehabt/ und an denen Præceptoren“ und ihren ſatzungen auffs eifrigſte gehangen/“ auch ſelbige mit aller macht zu defendiren ge-“ ſuchet. Er habe ferner zwar nicht in allen er-“ ſinnlichen wiſſenſchafften/ ſprachen/ und cri-“ tiquen ſich zu vertieffen geſucht/ weil ihm die-“ ſes alles zu geringe geweſen/ doch habe er im-“ mer nach etwas hoͤhers und wichtigers ge-“ trachtet. Da haͤtte er ſich in Metaphyſiſchen“ uͤbernatuͤrlichen und theologiſchen dingen ei-“ nen hauffen Chimæren und unnuͤtze Ideen ge-“ macht/ wodurch er gleichwol ſeine begierden“ nicht bezwingen noch ſtillen moͤgen/ in dem er“ ſeiner verderbten vernunfft als einem goͤtzen“ eifrigſt angehangen. Endlich aber haͤtte ihn„ Gott aus groſſer barmhertzigkeit ergriffen/ da“ er uͤber Taulerum, Thomam à Kempis, und“ die Teutſche theologie gerathen/ und daraus“ die nothwendigkeit der erkaͤntniß ſein ſelbſt“ und der reinigung unſerer ſeelen erſehen. Es“ haͤtten ihm auch alſobald alle ſpaltungen/ ſe-“ cten und zaͤnckereyen mißgefallen/ ſo daß er eine“ allgemeine eintracht unter allen gewuͤnſchet.“ Zu letzt haͤtte ihn GOtt durch dieſe Jungfrau“ ſo gewaltig geruͤhret/ daß er ſeinen heimlichen“ widerſtand wider GOtt und die wahrheit erſt“ recht empfunden/ und dadurch zur tieffſten zer-“ knirſchung und niedrigkeit ſeines hertzens/“ auch ſo fort zur gruͤndlichen erkaͤntniß GOt-“ tes und CHriſti gelanget waͤre. Er hat auch“ nach dieſer ſeiner veraͤnderung das predigamt/“ ſo er unter den Reformirten verwaltet/ nieder-“ gelegt und ein privat-leben erwehlet.„ Jahr MDC. biß MDCC. Studiten. Seine be- kehrung. 33. Bey dieſer Relation iſt alsbald zu ver- muthen/ daß die Judicia derer gelehrten von dieſem mann unterſchiedlich muͤſſen gefallen ſeyn. Jn der Edition des buchs de Eruditio- ne finden ſich unterſchiedliche nachtruͤckliche Encomia deſſelben/ ſo wol von Juriſten als Medicis und andern gelehrten/ die ich/ weil das buch Urtheile der Ge- lehrten von ihm.

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Zitationshilfe: Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_ketzerhistorie02_1700/176>, abgerufen am 18.04.2024.