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Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 3. Heidelberg, 1808.

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O Tochter das war gar verrucht,
Die Schrift ein solches Thun verflucht,
Gottes Wort allein sollst hören;
Das kann dir geben Trost und Freud,
Die Bilder thun bethören.
Das Bild o liebste Mutter mein,
Das mich zieht in die Kirch hinein,
Ist nicht von Holz formieret;
Es ist ein schöner stolzer Knab,
Sein Leib gar wohl gezieret.
Solch lebend Bild die Kraft jezt han,
Ziehn in die Kirch manch Frau und Mann,
Wenn sich die Augen drehen,
Das man also verstehen kann,
Manch Wunder ist geschehen.


O Himmel, was hab ich gethan.
Das Klosterleben ist eine harte Pein,
Weil ich ohn mein Liebchen muß seyn;
Ich habe mich drein ergeben zur Zeit,
Den Orden ertrag ich mit Schmerz und mit Leid.
O Himmel, was hab ich gethan?
Die Liebe war schuldig daran.
Und komm ich am Morgen zur Kirche hinein,
So sing ich die Metten allein;
Und wenn ich das Gloria patri da sing,
So liegt mir mein Herzallerliebster im Sinn.
3. Band. 3.
O Tochter das war gar verrucht,
Die Schrift ein ſolches Thun verflucht,
Gottes Wort allein ſollſt hoͤren;
Das kann dir geben Troſt und Freud,
Die Bilder thun bethoͤren.
Das Bild o liebſte Mutter mein,
Das mich zieht in die Kirch hinein,
Iſt nicht von Holz formieret;
Es iſt ein ſchoͤner ſtolzer Knab,
Sein Leib gar wohl gezieret.
Solch lebend Bild die Kraft jezt han,
Ziehn in die Kirch manch Frau und Mann,
Wenn ſich die Augen drehen,
Das man alſo verſtehen kann,
Manch Wunder iſt geſchehen.


O Himmel, was hab ich gethan.
Das Kloſterleben iſt eine harte Pein,
Weil ich ohn mein Liebchen muß ſeyn;
Ich habe mich drein ergeben zur Zeit,
Den Orden ertrag ich mit Schmerz und mit Leid.
O Himmel, was hab ich gethan?
Die Liebe war ſchuldig daran.
Und komm ich am Morgen zur Kirche hinein,
So ſing ich die Metten allein;
Und wenn ich das Gloria patri da ſing,
So liegt mir mein Herzallerliebſter im Sinn.
3. Band. 3.
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[33/0043] O Tochter das war gar verrucht, Die Schrift ein ſolches Thun verflucht, Gottes Wort allein ſollſt hoͤren; Das kann dir geben Troſt und Freud, Die Bilder thun bethoͤren. Das Bild o liebſte Mutter mein, Das mich zieht in die Kirch hinein, Iſt nicht von Holz formieret; Es iſt ein ſchoͤner ſtolzer Knab, Sein Leib gar wohl gezieret. Solch lebend Bild die Kraft jezt han, Ziehn in die Kirch manch Frau und Mann, Wenn ſich die Augen drehen, Das man alſo verſtehen kann, Manch Wunder iſt geſchehen. O Himmel, was hab ich gethan. Das Kloſterleben iſt eine harte Pein, Weil ich ohn mein Liebchen muß ſeyn; Ich habe mich drein ergeben zur Zeit, Den Orden ertrag ich mit Schmerz und mit Leid. O Himmel, was hab ich gethan? Die Liebe war ſchuldig daran. Und komm ich am Morgen zur Kirche hinein, So ſing ich die Metten allein; Und wenn ich das Gloria patri da ſing, So liegt mir mein Herzallerliebſter im Sinn. 3. Band. 3.

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Zitationshilfe: Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 3. Heidelberg, 1808, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn03_1808/43>, abgerufen am 25.04.2024.