Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnim, Achim von: Der tolle Invalide auf dem Fort Ratonneau. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 1. München, [1871], S. [163]–201. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

gesandter der Stadt, wo sich das Gerücht verbreitet hatte, und stellte den Untergang des schönsten Theiles der Stadt als ganz unvermeidlich dar. Es wurde allgemein anerkannt, daß mit Gewalt nicht verfahren werden dürfe, denn Ehre sei nicht gegen einen einzelnen Menschen zu erringen, wohl aber ein ungeheurer Verlust durch Nachgiebigkeit abzuwenden; der Schlaf werde die Wuth Francoeur's doch endlich überwinden, dann sollten entschlossene Leute das Fort erklettern und ihn fesseln. Dieser Rathschluß war kaum gefaßt, so wurden die beiden Soldaten eingeführt, welche Rosaliens Betten und Geräth zurückgebracht hatten. Sie hatten eine Bestellung Francoeur's zu überbringen, daß ihm der Teufel verrathen: sie wollten ihn im Schlafe fangen, aber er warne sie aus Liebe zu einigen Teufelskameraden, die zu dem Unternehmen gebraucht werden sollten, denn er werde ruhig in seinem verschlossenen Pulverthurme mit geladenen Gewehren schlafen, und ehe sie die Thüre erbrechen könnten, wäre er längst erwacht und der Thurm mit einem Schusse in die Pulverfässer zersprengt. Er hat Recht, sagte der Commandant, er kann nicht anders handeln, wir müssen ihn aushungern. -- Er hat den ganzen Wintervorrath für uns Alle hinaufgeschafft, bemerkte Brunet, wir müssen wenigstens ein halbes Jahr warten; auch sagte er, daß ihm die vorbeifahrenden Schiffe, welche die Stadt versorgen, reichlichen Zoll geben sollten, sonst bohre er sie in den Grund, und zum Zeichen, daß Niemand in der Nacht fahren sollte ohne seine Be-

gesandter der Stadt, wo sich das Gerücht verbreitet hatte, und stellte den Untergang des schönsten Theiles der Stadt als ganz unvermeidlich dar. Es wurde allgemein anerkannt, daß mit Gewalt nicht verfahren werden dürfe, denn Ehre sei nicht gegen einen einzelnen Menschen zu erringen, wohl aber ein ungeheurer Verlust durch Nachgiebigkeit abzuwenden; der Schlaf werde die Wuth Francoeur's doch endlich überwinden, dann sollten entschlossene Leute das Fort erklettern und ihn fesseln. Dieser Rathschluß war kaum gefaßt, so wurden die beiden Soldaten eingeführt, welche Rosaliens Betten und Geräth zurückgebracht hatten. Sie hatten eine Bestellung Francoeur's zu überbringen, daß ihm der Teufel verrathen: sie wollten ihn im Schlafe fangen, aber er warne sie aus Liebe zu einigen Teufelskameraden, die zu dem Unternehmen gebraucht werden sollten, denn er werde ruhig in seinem verschlossenen Pulverthurme mit geladenen Gewehren schlafen, und ehe sie die Thüre erbrechen könnten, wäre er längst erwacht und der Thurm mit einem Schusse in die Pulverfässer zersprengt. Er hat Recht, sagte der Commandant, er kann nicht anders handeln, wir müssen ihn aushungern. — Er hat den ganzen Wintervorrath für uns Alle hinaufgeschafft, bemerkte Brunet, wir müssen wenigstens ein halbes Jahr warten; auch sagte er, daß ihm die vorbeifahrenden Schiffe, welche die Stadt versorgen, reichlichen Zoll geben sollten, sonst bohre er sie in den Grund, und zum Zeichen, daß Niemand in der Nacht fahren sollte ohne seine Be-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0032"/>
gesandter der Stadt, wo sich das Gerücht verbreitet hatte, und stellte den                Untergang des schönsten Theiles der Stadt als ganz unvermeidlich dar. Es wurde                allgemein anerkannt, daß mit Gewalt nicht verfahren werden dürfe, denn Ehre sei nicht                gegen einen einzelnen Menschen zu erringen, wohl aber ein ungeheurer Verlust durch                Nachgiebigkeit abzuwenden; der Schlaf werde die Wuth Francoeur's doch endlich                überwinden, dann sollten entschlossene Leute das Fort erklettern und ihn fesseln.                Dieser Rathschluß war kaum gefaßt, so wurden die beiden Soldaten eingeführt, welche                Rosaliens Betten und Geräth zurückgebracht hatten. Sie hatten eine Bestellung                Francoeur's zu überbringen, daß ihm der Teufel verrathen: sie wollten ihn im Schlafe                fangen, aber er warne sie aus Liebe zu einigen Teufelskameraden, die zu dem                Unternehmen gebraucht werden sollten, denn er werde ruhig in seinem verschlossenen                Pulverthurme mit geladenen Gewehren schlafen, und ehe sie die Thüre erbrechen                könnten, wäre er längst erwacht und der Thurm mit einem Schusse in die Pulverfässer                zersprengt. Er hat Recht, sagte der Commandant, er kann nicht anders handeln, wir                müssen ihn aushungern. &#x2014; Er hat den ganzen Wintervorrath für uns Alle                hinaufgeschafft, bemerkte Brunet, wir müssen wenigstens ein halbes Jahr warten; auch                sagte er, daß ihm die vorbeifahrenden Schiffe, welche die Stadt versorgen,                reichlichen Zoll geben sollten, sonst bohre er sie in den Grund, und zum Zeichen, daß                Niemand in der Nacht fahren sollte ohne seine Be-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0032] gesandter der Stadt, wo sich das Gerücht verbreitet hatte, und stellte den Untergang des schönsten Theiles der Stadt als ganz unvermeidlich dar. Es wurde allgemein anerkannt, daß mit Gewalt nicht verfahren werden dürfe, denn Ehre sei nicht gegen einen einzelnen Menschen zu erringen, wohl aber ein ungeheurer Verlust durch Nachgiebigkeit abzuwenden; der Schlaf werde die Wuth Francoeur's doch endlich überwinden, dann sollten entschlossene Leute das Fort erklettern und ihn fesseln. Dieser Rathschluß war kaum gefaßt, so wurden die beiden Soldaten eingeführt, welche Rosaliens Betten und Geräth zurückgebracht hatten. Sie hatten eine Bestellung Francoeur's zu überbringen, daß ihm der Teufel verrathen: sie wollten ihn im Schlafe fangen, aber er warne sie aus Liebe zu einigen Teufelskameraden, die zu dem Unternehmen gebraucht werden sollten, denn er werde ruhig in seinem verschlossenen Pulverthurme mit geladenen Gewehren schlafen, und ehe sie die Thüre erbrechen könnten, wäre er längst erwacht und der Thurm mit einem Schusse in die Pulverfässer zersprengt. Er hat Recht, sagte der Commandant, er kann nicht anders handeln, wir müssen ihn aushungern. — Er hat den ganzen Wintervorrath für uns Alle hinaufgeschafft, bemerkte Brunet, wir müssen wenigstens ein halbes Jahr warten; auch sagte er, daß ihm die vorbeifahrenden Schiffe, welche die Stadt versorgen, reichlichen Zoll geben sollten, sonst bohre er sie in den Grund, und zum Zeichen, daß Niemand in der Nacht fahren sollte ohne seine Be-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T12:48:52Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T12:48:52Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: nicht gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: nein; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_invalide_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_invalide_1910/32
Zitationshilfe: Arnim, Achim von: Der tolle Invalide auf dem Fort Ratonneau. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 1. München, [1871], S. [163]–201. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_invalide_1910/32>, abgerufen am 29.03.2024.