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Arndts, Maria: Der Juhschrei auf der Halseralm. Novelle aus dem bayerischen Gebirgslande. Dresden, 1875.

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schickte er mir durch die Luxbäuerin zu Jakobi allerlei Schönes
und Gutes aus unserem Haus und eine ganze Stuben voll
Grüß' dazu, -- aber mein Gott, der Vater selber war's halt
doch nicht." Ach, diese Sehnsucht nach Besuch aus dem Dorfe
sollte nur zu bald auf schauerliche Art erfüllt werden! -- Nach
bisher vergeblichem Bemühen gelang es leider dem Michel, den
eigentlichen Stallknecht des Hauses zu überreden, daß er ihn
anstatt seiner mit dem Wochenvorrath auf die Alm gehen ließ.
Als ihn die Resl kommen sah, verwandelte sich ihr früheres
Gefühl in einen wahren Widerwillen. Merkwürdiger Weise
schien sie der Michel aber heute gar nicht zu beachten, und so
ging sie sorglos in ihre Hütte, um das gebrachte Brod weg-
zuräumen. Nach einiger Zeit ging er auch eben so gleichgiltig
scheinend mit den andern Brodträgern wieder fort, -- kaum
waren sie aber eine kurze Strecke unten, als Michel vorgab
etwas vergessen zu haben, und hastig sprang er wieder hinauf
und in Resl's Hütte hinein. -- Das arme Mädchen wurde
todtenblaß und konnte vor Schrecken nicht sprechen. Als ihr
aber der Eindringling in dreistester Weise geradezu seine Liebe
antrug, und sagte, er könne ohne sie nicht leben, und werde sich
den Tod anthun, wenn sie ihn nicht heirathe, da gewann sie
wieder ihre gewöhnliche Entschlossenheit und sagte mit fester
Stimme: "Du unverschämter Bursch! wer erlaubt dir da herein
zu kommen? ich will ein für allemal nichts wissen von dir.
Verlass' mich augenblicklich!" "Du wirst es bereuen", rief
Michel leidenschaftlich, "wenn du mich so zurückweisest." "Das
ist meine Sach'", sagte die Resl, "schau du nur, daß du fort-
kommst." "Nicht eher, als bis du mir einen Kuß gibst", sagte
er schmeichelnd, und wollte seinen Arm um sie schlingen. Jn
diesem Augenblick bekam aber die Resl Muth und Kraft, als
stünden zehn Schutzwachen hinter ihr. Statt des Kusses gab
sie dem Michel eine derbe Ohrfeige und wand sich mit Ge-
schicklichkeit aus seinem Arm. -- Jm nächsten Momente gelang
es ihr, die Thüre der Sennhütte aufzustoßen und um Hilfe zu
schreien. Da sah der Bursche freilich, daß nichts mehr zu er-
reichen sei und entfloh. Mit flammendem Zorn rief er aber

ſchickte er mir durch die Luxbäuerin zu Jakobi allerlei Schönes
und Gutes aus unſerem Haus und eine ganze Stuben voll
Grüß’ dazu, — aber mein Gott, der Vater ſelber war’s halt
doch nicht.“ Ach, dieſe Sehnſucht nach Beſuch aus dem Dorfe
ſollte nur zu bald auf ſchauerliche Art erfüllt werden! — Nach
bisher vergeblichem Bemühen gelang es leider dem Michel, den
eigentlichen Stallknecht des Hauſes zu überreden, daß er ihn
anſtatt ſeiner mit dem Wochenvorrath auf die Alm gehen ließ.
Als ihn die Resl kommen ſah, verwandelte ſich ihr früheres
Gefühl in einen wahren Widerwillen. Merkwürdiger Weiſe
ſchien ſie der Michel aber heute gar nicht zu beachten, und ſo
ging ſie ſorglos in ihre Hütte, um das gebrachte Brod weg-
zuräumen. Nach einiger Zeit ging er auch eben ſo gleichgiltig
ſcheinend mit den andern Brodträgern wieder fort, — kaum
waren ſie aber eine kurze Strecke unten, als Michel vorgab
etwas vergeſſen zu haben, und haſtig ſprang er wieder hinauf
und in Resl’s Hütte hinein. — Das arme Mädchen wurde
todtenblaß und konnte vor Schrecken nicht ſprechen. Als ihr
aber der Eindringling in dreiſteſter Weiſe geradezu ſeine Liebe
antrug, und ſagte, er könne ohne ſie nicht leben, und werde ſich
den Tod anthun, wenn ſie ihn nicht heirathe, da gewann ſie
wieder ihre gewöhnliche Entſchloſſenheit und ſagte mit feſter
Stimme: „Du unverſchämter Burſch! wer erlaubt dir da herein
zu kommen? ich will ein für allemal nichts wiſſen von dir.
Verlaſſ’ mich augenblicklich!“ „Du wirſt es bereuen“, rief
Michel leidenſchaftlich, „wenn du mich ſo zurückweiſeſt.“ „Das
iſt meine Sach’“, ſagte die Resl, „ſchau du nur, daß du fort-
kommſt.“ „Nicht eher, als bis du mir einen Kuß gibſt“, ſagte
er ſchmeichelnd, und wollte ſeinen Arm um ſie ſchlingen. Jn
dieſem Augenblick bekam aber die Resl Muth und Kraft, als
ſtünden zehn Schutzwachen hinter ihr. Statt des Kuſſes gab
ſie dem Michel eine derbe Ohrfeige und wand ſich mit Ge-
ſchicklichkeit aus ſeinem Arm. — Jm nächſten Momente gelang
es ihr, die Thüre der Sennhütte aufzuſtoßen und um Hilfe zu
ſchreien. Da ſah der Burſche freilich, daß nichts mehr zu er-
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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Andreas Hungeling / https://www.stimm-los.de/: Bereitstellung der Texttranskription. (2020-06-17T10:39:18Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2020-06-17T10:39:18Z)

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Zitationshilfe: Arndts, Maria: Der Juhschrei auf der Halseralm. Novelle aus dem bayerischen Gebirgslande. Dresden, 1875, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arndts_juhschrei_1875/48>, abgerufen am 24.04.2024.