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Arndts, Maria: Der Juhschrei auf der Halseralm. Novelle aus dem bayerischen Gebirgslande. Dresden, 1875.

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Promenaden im Thal und zu den Höhen empor in Angriff ge-
nommen wurden; auch durch einen Hauptzug im Charakter dieses
Fürsten: zu lindern und zu helfen wo es Noth und Elend gab,
flossen reiche Gaben und Almosen unter das Bergvolk, so daß
es bald keinen Jammer ohne Milderung, keinen Kummer ohne
Trost mehr gab; und mit kindlicher Liebe hing Alles an dem
königlichen Gutsherrn, den sie nur "Herr König" oder "Herr
Vater" nannten. -- Der Menschenschlag in diesem malerischen
Theile Bayerns zeichnet sich nicht allein durch eine schöne kräf-
tige Gestalt und durch Biederkeit des Charakters aus, auch Gast-
freundschaft und Freude an Festen, wie an Uebungen der Kraft
und Geschicklichkeit sind hier besonders zu Haus. Ein Wett-
kampf im Schießen, im Rudern oder im Ringen, das ist so
recht ihre Liebhaberei, und Hochzeiten wie Kirchweihfeste mit all
den sinnigen Gebräuchen und lieblichen Nationaltänzen werden
hier schöner gefeiert als irgendwo anders. Mit wahrer Herzens-
lust weilte dann der König mitten unter den dichtesten Volks-
massen, und wie er für jede Klage seiner lieben Bauern ein
mitleidiges Herz hatte, so theilte er dann auch ihre Freuden
aus ganzer Seele.

6. Der Königstag.

Der 27. Mai war des königlichen Gutsherrn Geburts-
tag. Diesen "Königstag" feierte das Volk von Tegernsee und
der Umgebung gern auf eine ganz besondere Weise. Dieses-
mal wollte man ihn durch ein großes Scheibenschießen ehren,
und da in der Nähe von Tirol jeder Bergbewohner ein Schütze
ist, so konnte es darum nicht leicht etwas Ergötzlicheres für die
jungen Burschen geben, als gerade ein solches Fest. Schaaren-
weise kamen sie herbei, den Stutzen über die breite Schulter
gehängt, den Hut mit Auerhahn- oder Gemsgeierfedern, mit
frischen Blumen und fliegenden Bändern geschmückt, und so
zogen sie, -- die Musik fröhliche Weisen spielend voran, --
zu den Schießständen, welche sich gewöhnlich auf einem großen,
freien Platz befinden, der mit flatternden Fahnen, Tannengrün

Promenaden im Thal und zu den Höhen empor in Angriff ge-
nommen wurden; auch durch einen Hauptzug im Charakter dieſes
Fürſten: zu lindern und zu helfen wo es Noth und Elend gab,
floſſen reiche Gaben und Almoſen unter das Bergvolk, ſo daß
es bald keinen Jammer ohne Milderung, keinen Kummer ohne
Troſt mehr gab; und mit kindlicher Liebe hing Alles an dem
königlichen Gutsherrn, den ſie nur „Herr König“ oder „Herr
Vater“ nannten. — Der Menſchenſchlag in dieſem maleriſchen
Theile Bayerns zeichnet ſich nicht allein durch eine ſchöne kräf-
tige Geſtalt und durch Biederkeit des Charakters aus, auch Gaſt-
freundſchaft und Freude an Feſten, wie an Uebungen der Kraft
und Geſchicklichkeit ſind hier beſonders zu Haus. Ein Wett-
kampf im Schießen, im Rudern oder im Ringen, das iſt ſo
recht ihre Liebhaberei, und Hochzeiten wie Kirchweihfeſte mit all
den ſinnigen Gebräuchen und lieblichen Nationaltänzen werden
hier ſchöner gefeiert als irgendwo anders. Mit wahrer Herzens-
luſt weilte dann der König mitten unter den dichteſten Volks-
maſſen, und wie er für jede Klage ſeiner lieben Bauern ein
mitleidiges Herz hatte, ſo theilte er dann auch ihre Freuden
aus ganzer Seele.

6. Der Königstag.

Der 27. Mai war des königlichen Gutsherrn Geburts-
tag. Dieſen „Königstag“ feierte das Volk von Tegernſee und
der Umgebung gern auf eine ganz beſondere Weiſe. Dieſes-
mal wollte man ihn durch ein großes Scheibenſchießen ehren,
und da in der Nähe von Tirol jeder Bergbewohner ein Schütze
iſt, ſo konnte es darum nicht leicht etwas Ergötzlicheres für die
jungen Burſchen geben, als gerade ein ſolches Feſt. Schaaren-
weiſe kamen ſie herbei, den Stutzen über die breite Schulter
gehängt, den Hut mit Auerhahn- oder Gemsgeierfedern, mit
friſchen Blumen und fliegenden Bändern geſchmückt, und ſo
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zu den Schießſtänden, welche ſich gewöhnlich auf einem großen,
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Zitationshilfe: Arndts, Maria: Der Juhschrei auf der Halseralm. Novelle aus dem bayerischen Gebirgslande. Dresden, 1875, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arndts_juhschrei_1875/20>, abgerufen am 28.03.2024.