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Arndts, Maria: Der Juhschrei auf der Halseralm. Novelle aus dem bayerischen Gebirgslande. Dresden, 1875.

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Steinkrypta der Ostung birgt eine Tumba den Leib des hl. Qui-
rinus, welchen die beiden Gründer in Rom geschenkt bekamen;
und an einer Stelle neben dem See, wo die Ueberbringer der
kostbaren Reliquie einst die Theka auf den Boden gestellt hatten,
entsprang eine Heilquelle, über welche die St. Quirinuskapelle
gebaut wurde. Adalbert übernahm auf den Willen und die
Approbation der bei der Einweihung anwesenden Bischöfe die
abteiliche Würde, Otgar aber blieb Konversbruder. Da das
Mönchsleben, wie bekannt, neben dem nächtlichen Gebet und
der schweren Arbeit auch ernste Studien und tiefe Wissenschaft
in sich schloß, so wuchs die Bibliothek bald zu einem bedeuten-
den Umfang an, und Segen und Gedeihen ruhten sichtlich auf
dem emporblühenden Kloster.

Da entstanden denn nach und nach in der Nähe Ansiede-
lungen, ja bald ganze Ortschaften, und Alles lebte fast aus-
schließlich von den Beschäftigungen für das Stift und von dessen
Wohlthaten.

Elf und ein halbes Jahrhundert genoß die Gegend den
Segen dieses herrlichen Stiftes. Da schlug für Bayern eine
dunkle Stunde, und die Abtei Tegernsee wurde mit vielen andern
Klöstern aufgehoben. Ueber einen Akt, der so tief in das innerste
Leben des bayrischen Volkes einschnitt, zu urtheilen, gehört nicht
hierher, wohl aber die Hinweisung auf den trüben Schatten,
welchen die Folgen davon auf unsere noch vor Kurzem so heitere
Gebirgslandschaft warfen. Der Erwerb von Hunderten hörte
auf, die Alten und Kranken wurden nicht mehr gespeist, und
die sonst glücklichen Dörfer verarmten mehr und mehr. -- Da
faßte König Maxmilian J. im Jahre 1817 den Entschluß, die
Gebäude dieser Abtei am Tegernsee ihrem damaligen Besitzer,
einem königlichen Beamten, abzukaufen, um öfters in dieser an-
muthigen Gegend sich zur Sommerszeit zu erholen und zu
stärken, wodurch die Bewohner dieser romantischen Gauen, ein
gutes und munteres Völkchen, für manches traurige Jahr wie-
der entschädigt wurden. Nicht nur gab es wieder Arbeit und
Verdienst in Fülle, indem sich über den niedergerissenen Kloster-
mauern ein königliches Schloß erhob, und Gartenanlagen und

Steinkrypta der Oſtung birgt eine Tumba den Leib des hl. Qui-
rinus, welchen die beiden Gründer in Rom geſchenkt bekamen;
und an einer Stelle neben dem See, wo die Ueberbringer der
koſtbaren Reliquie einſt die Theka auf den Boden geſtellt hatten,
entſprang eine Heilquelle, über welche die St. Quirinuskapelle
gebaut wurde. Adalbert übernahm auf den Willen und die
Approbation der bei der Einweihung anweſenden Biſchöfe die
abteiliche Würde, Otgar aber blieb Konversbruder. Da das
Mönchsleben, wie bekannt, neben dem nächtlichen Gebet und
der ſchweren Arbeit auch ernſte Studien und tiefe Wiſſenſchaft
in ſich ſchloß, ſo wuchs die Bibliothek bald zu einem bedeuten-
den Umfang an, und Segen und Gedeihen ruhten ſichtlich auf
dem emporblühenden Kloſter.

Da entſtanden denn nach und nach in der Nähe Anſiede-
lungen, ja bald ganze Ortſchaften, und Alles lebte faſt aus-
ſchließlich von den Beſchäftigungen für das Stift und von deſſen
Wohlthaten.

Elf und ein halbes Jahrhundert genoß die Gegend den
Segen dieſes herrlichen Stiftes. Da ſchlug für Bayern eine
dunkle Stunde, und die Abtei Tegernſee wurde mit vielen andern
Klöſtern aufgehoben. Ueber einen Akt, der ſo tief in das innerſte
Leben des bayriſchen Volkes einſchnitt, zu urtheilen, gehört nicht
hierher, wohl aber die Hinweiſung auf den trüben Schatten,
welchen die Folgen davon auf unſere noch vor Kurzem ſo heitere
Gebirgslandſchaft warfen. Der Erwerb von Hunderten hörte
auf, die Alten und Kranken wurden nicht mehr geſpeiſt, und
die ſonſt glücklichen Dörfer verarmten mehr und mehr. — Da
faßte König Maxmilian J. im Jahre 1817 den Entſchluß, die
Gebäude dieſer Abtei am Tegernſee ihrem damaligen Beſitzer,
einem königlichen Beamten, abzukaufen, um öfters in dieſer an-
muthigen Gegend ſich zur Sommerszeit zu erholen und zu
ſtärken, wodurch die Bewohner dieſer romantiſchen Gauen, ein
gutes und munteres Völkchen, für manches traurige Jahr wie-
der entſchädigt wurden. Nicht nur gab es wieder Arbeit und
Verdienſt in Fülle, indem ſich über den niedergeriſſenen Kloſter-
mauern ein königliches Schloß erhob, und Gartenanlagen und

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Zitationshilfe: Arndts, Maria: Der Juhschrei auf der Halseralm. Novelle aus dem bayerischen Gebirgslande. Dresden, 1875, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arndts_juhschrei_1875/19>, abgerufen am 29.03.2024.