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Arndt, Johann: Vom wahren Christenthumb. Bd. 2. Magdeburg, 1610.

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Von der Krafft der edlen
GOttes Liebe beschlossen/ so liebet sie
auch alles/ was Gott liebet.

Der demü[-]
tigen Lie-
be art.

Daher folget/ daß die Liebe sich
frewet vber allem guten/ so dem Nehesten
wiederfehret/ vnd trauret vber allem vn-
heil/ so jhm begegnet. Vnnd weil sie
freundlich vnd gütig ist gegen den Nehe-
sten/ richter vnnd vrtheilet sie jhn nicht
Demut
richtet
niemand.
bald/ wann sie sein elend siehet/ viel we-
niger wird sie auffgeblasen/ vnnd stoltz
jhn zu verachten. Dann in wahrer De-
mut siehet sie jhr selbst eigen Elend vnnd
Nichtigkeit/ vnnd das sie in gleichem vn-
glück/ vnd Sünden vnnd noch wol grös-
serm stecke. So sie stehet/ erkennet sie wol
daß sie von jhr selbst vnd durch sich selbst
nicht hat bestehen können/ sondern sey
durch Gottes gnade erhalten.

Die demütige Liebe richtet vnd vr-
theilet sich allezeit selbst/ ehe sie andere
Leute vrtheilet/ vnnd gehet in sich selbst/
wann sie siehet des Nehesten Vnglück/
vnd betrauret sich selbst. Dann sie siehet
in des Nehesten Fall jhre eigene gebre-

chen

Von der Krafft der edlen
GOttes Liebe beſchloſſen/ ſo liebet ſie
auch alles/ was Gott liebet.

Der demuͤ[-]
tigen Lie-
be art.

Daher folget/ daß die Liebe ſich
frewet vber allem guten/ ſo dem Neheſten
wiederfehret/ vnd trauret vber allem vn-
heil/ ſo jhm begegnet. Vnnd weil ſie
freundlich vnd guͤtig iſt gegen den Nehe-
ſten/ richter vnnd vrtheilet ſie jhn nicht
Demut
richtet
niemand.
bald/ wann ſie ſein elend ſiehet/ viel we-
niger wird ſie auffgeblaſen/ vnnd ſtoltz
jhn zu verachten. Dann in wahrer De-
mut ſiehet ſie jhr ſelbſt eigen Elend vnnd
Nichtigkeit/ vnnd das ſie in gleichem vn-
gluͤck/ vnd Suͤnden vnnd noch wol groͤſ-
ſerm ſtecke. So ſie ſtehet/ erkennet ſie wol
daß ſie von jhr ſelbſt vnd durch ſich ſelbſt
nicht hat beſtehen koͤnnen/ ſondern ſey
durch Gottes gnade erhalten.

Die demuͤtige Liebe richtet vnd vr-
theilet ſich allezeit ſelbſt/ ehe ſie andere
Leute vrtheilet/ vnnd gehet in ſich ſelbſt/
wann ſie ſiehet des Neheſten Vngluͤck/
vnd betrauret ſich ſelbſt. Dann ſie ſiehet
in des Neheſten Fall jhre eigene gebre-

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[248/0272] Von der Krafft der edlen GOttes Liebe beſchloſſen/ ſo liebet ſie auch alles/ was Gott liebet. Daher folget/ daß die Liebe ſich frewet vber allem guten/ ſo dem Neheſten wiederfehret/ vnd trauret vber allem vn- heil/ ſo jhm begegnet. Vnnd weil ſie freundlich vnd guͤtig iſt gegen den Nehe- ſten/ richter vnnd vrtheilet ſie jhn nicht bald/ wann ſie ſein elend ſiehet/ viel we- niger wird ſie auffgeblaſen/ vnnd ſtoltz jhn zu verachten. Dann in wahrer De- mut ſiehet ſie jhr ſelbſt eigen Elend vnnd Nichtigkeit/ vnnd das ſie in gleichem vn- gluͤck/ vnd Suͤnden vnnd noch wol groͤſ- ſerm ſtecke. So ſie ſtehet/ erkennet ſie wol daß ſie von jhr ſelbſt vnd durch ſich ſelbſt nicht hat beſtehen koͤnnen/ ſondern ſey durch Gottes gnade erhalten. Demut richtet niemand. Die demuͤtige Liebe richtet vnd vr- theilet ſich allezeit ſelbſt/ ehe ſie andere Leute vrtheilet/ vnnd gehet in ſich ſelbſt/ wann ſie ſiehet des Neheſten Vngluͤck/ vnd betrauret ſich ſelbſt. Dann ſie ſiehet in des Neheſten Fall jhre eigene gebre- chen

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Zitationshilfe: Arndt, Johann: Vom wahren Christenthumb. Bd. 2. Magdeburg, 1610, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arndt_christentum02_1610/272>, abgerufen am 29.03.2024.