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Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898.

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zeit unsre persönlichen Genußrechte in einem Kloster auf¬
geben wollten."

Es war Max Werner noch ebenso angenehm und
anregend wie früher, mit Fenia zu disputieren, wenn
ihre Meinungen auch ebenso aufeinanderstießen wie da¬
mals in Paris. Aber wie in ihrem Aeußeren erschien
Fenia ihm auch in ihren Meinungen jetzt weit frauen¬
hafter als früher, und vielleicht bewirkte es grade dieser
Umstand, daß sie sich in der kurzen Woche fast unaus¬
gesetzten Zusammenseins schließlich eng befreundeten.

Die einfache Schwesterlichkeit ihrer Umgangsformen,
die er damals mit so argwöhnischen Augen angesehen
hatte, wurde ihm hier im fremden Lande unendlich sym¬
pathisch, und sehr bald erkannte er auch im Schlichten,
arglos Vertrauenden des Benehmens einen spezifisch sla¬
vischen Zug der Mädchen und Frauen. Fenia unter¬
schied sich von den andern nur wenig, -- am wenigsten
durch den Umstand, daß sie ein so langes Studienleben
geführt hatte. Der Ausdruck ihres Naturwesens war viel
stärker als irgend etwas Angelerntes.

Endlich kam es sogar dazu, daß Max Werner Fenia
den größten Vertrauensbeweis gab, indem er ihr andeu¬
tete, was ihn jetzt so ganz an seine Heimat fesselte und
ihn dahin zurückzog. Sie erfuhr, daß er seit Jahres¬
frist heimlich verlobt sei.

Er gestand es ihr während einer großen Schlitten¬
partie, die alle Gutsgäste gemeinsam bei prachtvollem
Winterwetter in die verschneite waldreiche Umgebung
unternahmen. Fenia und ihr deutscher Freund kamen
zusammen in eine der niedrigen zweisitzigen "Salaski"

zeit unſre perſönlichen Genußrechte in einem Kloſter auf¬
geben wollten.“

Es war Max Werner noch ebenſo angenehm und
anregend wie früher, mit Fenia zu disputieren, wenn
ihre Meinungen auch ebenſo aufeinanderſtießen wie da¬
mals in Paris. Aber wie in ihrem Aeußeren erſchien
Fenia ihm auch in ihren Meinungen jetzt weit frauen¬
hafter als früher, und vielleicht bewirkte es grade dieſer
Umſtand, daß ſie ſich in der kurzen Woche faſt unaus¬
geſetzten Zuſammenſeins ſchließlich eng befreundeten.

Die einfache Schweſterlichkeit ihrer Umgangsformen,
die er damals mit ſo argwöhniſchen Augen angeſehen
hatte, wurde ihm hier im fremden Lande unendlich ſym¬
pathiſch, und ſehr bald erkannte er auch im Schlichten,
arglos Vertrauenden des Benehmens einen ſpezifiſch ſla¬
viſchen Zug der Mädchen und Frauen. Fenia unter¬
ſchied ſich von den andern nur wenig, — am wenigſten
durch den Umſtand, daß ſie ein ſo langes Studienleben
geführt hatte. Der Ausdruck ihres Naturweſens war viel
ſtärker als irgend etwas Angelerntes.

Endlich kam es ſogar dazu, daß Max Werner Fenia
den größten Vertrauensbeweis gab, indem er ihr andeu¬
tete, was ihn jetzt ſo ganz an ſeine Heimat feſſelte und
ihn dahin zurückzog. Sie erfuhr, daß er ſeit Jahres¬
friſt heimlich verlobt ſei.

Er geſtand es ihr während einer großen Schlitten¬
partie, die alle Gutsgäſte gemeinſam bei prachtvollem
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unternahmen. Fenia und ihr deutſcher Freund kamen
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[31/0035] — 31 — zeit unſre perſönlichen Genußrechte in einem Kloſter auf¬ geben wollten.“ Es war Max Werner noch ebenſo angenehm und anregend wie früher, mit Fenia zu disputieren, wenn ihre Meinungen auch ebenſo aufeinanderſtießen wie da¬ mals in Paris. Aber wie in ihrem Aeußeren erſchien Fenia ihm auch in ihren Meinungen jetzt weit frauen¬ hafter als früher, und vielleicht bewirkte es grade dieſer Umſtand, daß ſie ſich in der kurzen Woche faſt unaus¬ geſetzten Zuſammenſeins ſchließlich eng befreundeten. Die einfache Schweſterlichkeit ihrer Umgangsformen, die er damals mit ſo argwöhniſchen Augen angeſehen hatte, wurde ihm hier im fremden Lande unendlich ſym¬ pathiſch, und ſehr bald erkannte er auch im Schlichten, arglos Vertrauenden des Benehmens einen ſpezifiſch ſla¬ viſchen Zug der Mädchen und Frauen. Fenia unter¬ ſchied ſich von den andern nur wenig, — am wenigſten durch den Umſtand, daß ſie ein ſo langes Studienleben geführt hatte. Der Ausdruck ihres Naturweſens war viel ſtärker als irgend etwas Angelerntes. Endlich kam es ſogar dazu, daß Max Werner Fenia den größten Vertrauensbeweis gab, indem er ihr andeu¬ tete, was ihn jetzt ſo ganz an ſeine Heimat feſſelte und ihn dahin zurückzog. Sie erfuhr, daß er ſeit Jahres¬ friſt heimlich verlobt ſei. Er geſtand es ihr während einer großen Schlitten¬ partie, die alle Gutsgäſte gemeinſam bei prachtvollem Winterwetter in die verſchneite waldreiche Umgebung unternahmen. Fenia und ihr deutſcher Freund kamen zuſammen in eine der niedrigen zweiſitzigen „Salaski“

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Zitationshilfe: Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/andreas_fenitschka_1898/35>, abgerufen am 19.04.2024.