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Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898.

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In den darauffolgenden Tagen drängte es ihn sehr,
Fenia aufzusuchen oder ihr zu schreiben, doch zauderte er
immer wieder und unterließ es. Erst nach längerer Zeit,
als er schon mit einigem Humor an seine Eselei zurück¬
dachte, that er es trotzdem; aber da war Fenia, --
Fiona Iwanowna Betjagin hieß sie, -- bereits wieder
nach Zürich abgereist.

Indessen schien es des Schicksals Wille, daß sie sich
wiederfinden sollten, als sie beide längst nicht mehr dran
dachten.

Ein Jahr ging hin. Max Werner verbrachte es,
nach seiner Rückkehr aus Paris, in der österreichischen
Heimat, wo ihn seit einiger Zeit etwas Liebes festhielt
und seine Reiselust merklich abschwächte. Da erhielt er
eines Tages einen Brief seiner einzigen Schwester, die sich
den letzten Monat bei einer nach Rußland verheirateten
Freundin auf deren Gut aufgehalten hatte: sie zeigte ihm
ihre Verlobung mit einem in der Nähe von Smolensk
begüterten Landedelmann an, und sandte ihm zugleich
einen schönen Gruß von Fiona Iwanowna Betjagin, --
einer Verwandten ihres zukünftigen Mannes, die im
Auslande studiert und kürzlich promoviert habe.

Tief im Winter, Mitte Januar, reiste Max Werner

In den darauffolgenden Tagen drängte es ihn ſehr,
Fenia aufzuſuchen oder ihr zu ſchreiben, doch zauderte er
immer wieder und unterließ es. Erſt nach längerer Zeit,
als er ſchon mit einigem Humor an ſeine Eſelei zurück¬
dachte, that er es trotzdem; aber da war Fenia, —
Fiona Iwanowna Betjagin hieß ſie, — bereits wieder
nach Zürich abgereiſt.

Indeſſen ſchien es des Schickſals Wille, daß ſie ſich
wiederfinden ſollten, als ſie beide längſt nicht mehr dran
dachten.

Ein Jahr ging hin. Max Werner verbrachte es,
nach ſeiner Rückkehr aus Paris, in der öſterreichiſchen
Heimat, wo ihn ſeit einiger Zeit etwas Liebes feſthielt
und ſeine Reiſeluſt merklich abſchwächte. Da erhielt er
eines Tages einen Brief ſeiner einzigen Schweſter, die ſich
den letzten Monat bei einer nach Rußland verheirateten
Freundin auf deren Gut aufgehalten hatte: ſie zeigte ihm
ihre Verlobung mit einem in der Nähe von Smolensk
begüterten Landedelmann an, und ſandte ihm zugleich
einen ſchönen Gruß von Fiona Iwanowna Betjagin, —
einer Verwandten ihres zukünftigen Mannes, die im
Auslande ſtudiert und kürzlich promoviert habe.

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[0031] In den darauffolgenden Tagen drängte es ihn ſehr, Fenia aufzuſuchen oder ihr zu ſchreiben, doch zauderte er immer wieder und unterließ es. Erſt nach längerer Zeit, als er ſchon mit einigem Humor an ſeine Eſelei zurück¬ dachte, that er es trotzdem; aber da war Fenia, — Fiona Iwanowna Betjagin hieß ſie, — bereits wieder nach Zürich abgereiſt. Indeſſen ſchien es des Schickſals Wille, daß ſie ſich wiederfinden ſollten, als ſie beide längſt nicht mehr dran dachten. Ein Jahr ging hin. Max Werner verbrachte es, nach ſeiner Rückkehr aus Paris, in der öſterreichiſchen Heimat, wo ihn ſeit einiger Zeit etwas Liebes feſthielt und ſeine Reiſeluſt merklich abſchwächte. Da erhielt er eines Tages einen Brief ſeiner einzigen Schweſter, die ſich den letzten Monat bei einer nach Rußland verheirateten Freundin auf deren Gut aufgehalten hatte: ſie zeigte ihm ihre Verlobung mit einem in der Nähe von Smolensk begüterten Landedelmann an, und ſandte ihm zugleich einen ſchönen Gruß von Fiona Iwanowna Betjagin, — einer Verwandten ihres zukünftigen Mannes, die im Auslande ſtudiert und kürzlich promoviert habe. Tief im Winter, Mitte Januar, reiſte Max Werner

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Zitationshilfe: Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/andreas_fenitschka_1898/31>, abgerufen am 19.04.2024.