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Altmann, Richard: Die Elementarorganismen und ihre Beziehungen zu den Zellen. Leipzig, 1890.

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Die Geschichte der Zellengranula
sagen und gesagt worden. Warum aber diese selben Objecte,
welche nach der einen Seite hin so wunderbare Schönheiten
offenbaren, auch anderweitig massgebend sein sollen, das ist
nicht einzusehen.

Es scheint, als wenn für das Studium des protoplasmati¬
schen Baues zwei Grundsätze massgebend sein müssen: die An¬
wendung der künstlichen Methoden, welche uns weiter in die
Tiefe jenes Baues hineinzuführen vermögen, als die natürlichen
Beobachtungen, und die Wahl geeigneter Objecte, deren Ele¬
mente sich durch ihre Deutlichkeit auszeichnen. Wenn man aus
unpassenden Objecten mit unpassenden Methoden allgemeine
Folgerungen herleiten will, so weiss man eben nicht, was
feinere mikroskopische Analyse bedeutet; es ist hier eine der
alltäglichsten Erfahrungen, dass Dinge, welche vorhanden sind,
wegen ihrer Kleinheit oder aus anderen Gründen nicht gesehen
werden, und je weiter die Erfahrungen in der feineren mikro¬
skopischen Analyse reichen, desto mehr kommt man zu der
Ansicht, dass das, was wir von den morphologischen Elementen
sehen, nur ein Bruchtheil ist von dem, was wir nicht sehen.
Der Mikrologe ist selten in der Lage, gegenüber diesen noch
nicht gesehenen Dingen mit vorgefasstem Willen einen Erfolg
zu erreichen; seine Kunst besteht darin, den Dingen geduldig
nachzugehen und ihnen ihre Eigenheiten abzulauschen, wo und
wie er sie erreichen kann; wer hier an Andere unberechtigte
Forderungen macht, der stellt sich auf den Standpunkt des¬
jenigen, der nicht gelernt hat, sein eigenes Können und das der
Anderen abzuwägen.

Die lebenden Objecte haben zunächst den grossen Nach¬
theil, dass die Sichtbarkeit der Elemente von mancherlei Zu¬
fälligkeiten abhängt; es bedarf nur eines annähernden Ausgleichs
der Brechungsunterschiede, um selbst solche Elemente unsicht¬
bar zu machen, die wegen ihrer Grösse sonst bequem der Be¬
obachtung zugänglich wären. Die künstlichen Methoden sind
von solchen Zufälligkeiten im hohen Grade unabhängig, und es
liegt nur in unserem Können, wie intensiv wir die Differenzen der
Sichtbarkeit erzeugen. Da die Grösse der hier in Betracht kom¬
menden Elemente oft unterhalb und oft an der Leistungsgrenze
der Mikroskope liegt, so müssen wir um so mehr bemüht sein,

Die Geschichte der Zellengranula
sagen und gesagt worden. Warum aber diese selben Objecte,
welche nach der einen Seite hin so wunderbare Schönheiten
offenbaren, auch anderweitig massgebend sein sollen, das ist
nicht einzusehen.

Es scheint, als wenn für das Studium des protoplasmati¬
schen Baues zwei Grundsätze massgebend sein müssen: die An¬
wendung der künstlichen Methoden, welche uns weiter in die
Tiefe jenes Baues hineinzuführen vermögen, als die natürlichen
Beobachtungen, und die Wahl geeigneter Objecte, deren Ele¬
mente sich durch ihre Deutlichkeit auszeichnen. Wenn man aus
unpassenden Objecten mit unpassenden Methoden allgemeine
Folgerungen herleiten will, so weiss man eben nicht, was
feinere mikroskopische Analyse bedeutet; es ist hier eine der
alltäglichsten Erfahrungen, dass Dinge, welche vorhanden sind,
wegen ihrer Kleinheit oder aus anderen Gründen nicht gesehen
werden, und je weiter die Erfahrungen in der feineren mikro¬
skopischen Analyse reichen, desto mehr kommt man zu der
Ansicht, dass das, was wir von den morphologischen Elementen
sehen, nur ein Bruchtheil ist von dem, was wir nicht sehen.
Der Mikrologe ist selten in der Lage, gegenüber diesen noch
nicht gesehenen Dingen mit vorgefasstem Willen einen Erfolg
zu erreichen; seine Kunst besteht darin, den Dingen geduldig
nachzugehen und ihnen ihre Eigenheiten abzulauschen, wo und
wie er sie erreichen kann; wer hier an Andere unberechtigte
Forderungen macht, der stellt sich auf den Standpunkt des¬
jenigen, der nicht gelernt hat, sein eigenes Können und das der
Anderen abzuwägen.

Die lebenden Objecte haben zunächst den grossen Nach¬
theil, dass die Sichtbarkeit der Elemente von mancherlei Zu¬
fälligkeiten abhängt; es bedarf nur eines annähernden Ausgleichs
der Brechungsunterschiede, um selbst solche Elemente unsicht¬
bar zu machen, die wegen ihrer Grösse sonst bequem der Be¬
obachtung zugänglich wären. Die künstlichen Methoden sind
von solchen Zufälligkeiten im hohen Grade unabhängig, und es
liegt nur in unserem Können, wie intensiv wir die Differenzen der
Sichtbarkeit erzeugen. Da die Grösse der hier in Betracht kom¬
menden Elemente oft unterhalb und oft an der Leistungsgrenze
der Mikroskope liegt, so müssen wir um so mehr bemüht sein,

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[10/0026] Die Geschichte der Zellengranula sagen und gesagt worden. Warum aber diese selben Objecte, welche nach der einen Seite hin so wunderbare Schönheiten offenbaren, auch anderweitig massgebend sein sollen, das ist nicht einzusehen. Es scheint, als wenn für das Studium des protoplasmati¬ schen Baues zwei Grundsätze massgebend sein müssen: die An¬ wendung der künstlichen Methoden, welche uns weiter in die Tiefe jenes Baues hineinzuführen vermögen, als die natürlichen Beobachtungen, und die Wahl geeigneter Objecte, deren Ele¬ mente sich durch ihre Deutlichkeit auszeichnen. Wenn man aus unpassenden Objecten mit unpassenden Methoden allgemeine Folgerungen herleiten will, so weiss man eben nicht, was feinere mikroskopische Analyse bedeutet; es ist hier eine der alltäglichsten Erfahrungen, dass Dinge, welche vorhanden sind, wegen ihrer Kleinheit oder aus anderen Gründen nicht gesehen werden, und je weiter die Erfahrungen in der feineren mikro¬ skopischen Analyse reichen, desto mehr kommt man zu der Ansicht, dass das, was wir von den morphologischen Elementen sehen, nur ein Bruchtheil ist von dem, was wir nicht sehen. Der Mikrologe ist selten in der Lage, gegenüber diesen noch nicht gesehenen Dingen mit vorgefasstem Willen einen Erfolg zu erreichen; seine Kunst besteht darin, den Dingen geduldig nachzugehen und ihnen ihre Eigenheiten abzulauschen, wo und wie er sie erreichen kann; wer hier an Andere unberechtigte Forderungen macht, der stellt sich auf den Standpunkt des¬ jenigen, der nicht gelernt hat, sein eigenes Können und das der Anderen abzuwägen. Die lebenden Objecte haben zunächst den grossen Nach¬ theil, dass die Sichtbarkeit der Elemente von mancherlei Zu¬ fälligkeiten abhängt; es bedarf nur eines annähernden Ausgleichs der Brechungsunterschiede, um selbst solche Elemente unsicht¬ bar zu machen, die wegen ihrer Grösse sonst bequem der Be¬ obachtung zugänglich wären. Die künstlichen Methoden sind von solchen Zufälligkeiten im hohen Grade unabhängig, und es liegt nur in unserem Können, wie intensiv wir die Differenzen der Sichtbarkeit erzeugen. Da die Grösse der hier in Betracht kom¬ menden Elemente oft unterhalb und oft an der Leistungsgrenze der Mikroskope liegt, so müssen wir um so mehr bemüht sein,

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Zitationshilfe: Altmann, Richard: Die Elementarorganismen und ihre Beziehungen zu den Zellen. Leipzig, 1890, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/altmann_elementarorganismen_1890/26>, abgerufen am 28.03.2024.