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Altmann, Richard: Die Elementarorganismen und ihre Beziehungen zu den Zellen. Leipzig, 1890.

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Die Geschichte der Zellengranula.
zwar von der grössten Bedeutung für die Physiologie und
Medicin und zum Theil auch vom rein wissenschaftlichen Stand¬
punkte aus von hohem Werthe, allein Alles dieses war doch nicht
der Art, dass es um einen namhaften Schritt weiter zu einem
neuen Abschnitt geführt hätte. Dieser Stand der Gewebelehre
wird so lange dauern, als es nicht gelingt, um ein Wesentliches
weiter in die Tiefe des Baues der lebenden Wesen zu schauen
und auch die Elemente zu erfassen, aus denen das, was wir
jetzt noch für einfach halten, zusammengesetzt ist.

"Sollte das aber je möglich werden, dann würde auch für
die Histologie eine neue Zeit beginnen, und die Entdeckung des
Gesetzes der Zellengenese würde ebenso oder noch mehr Be¬
deutung gewinnen, als die Lehre von der Zusammensetzung
aller thierischen Gewebe aus Zellen."

Wir stellen die Aeusserungen dieser beiden Autoren hier
voran, weil sie in einfachster Weise den Standpunkt charakte¬
risiren, auf welchen bis in unsere Tage die Lehre von den
organisirten Formelementen gestanden hat. Es hat weder vor
noch nach diesen Aeusserungen an Bemühungen gefehlt, der
Frage von den wirklichen Elementarorganismen näher zu treten,
aber alle diese Bemühungen haben keinen Erfolg gehabt, weil
sie mehr auf hypothetischen Anschauungen, als auf gefundenen
Thatsachen beruhten.

Die Lehre von den Elementarorganismen ist in ihrer primi¬
tiven Form weit älter als die Zellenlehre selbst; es ist aber für
den heutigen Biologen oft schwierig, sich in jene älteren Ideen
hineinzudenken, und muss dieses jedenfalls mit Berücksichtigung
aller jener Unterschiede geschehen, welche die Hilfsmittel der
neueren Zeit vor denen der älteren auszeichnen. Darum thun
wir vielleicht gut, folgende Worte Virchow's1 zu citiren, welcher,
indem er selbst den Uebergang zur neueren Zeit mit erlebte
und mit begründete, die Anschauungen jener älteren in folgen¬
der Weise schildert:

"Noch in den Elementa physiologiae von Haller findet man
an die Spitze des ganzen Werkes, wo von den Elementen des
Körpers gehandelt wird, die Faser gestellt. Haller braucht da¬

1 Virchow, Die Cellularpathologie. 4. Aufl. 1871. S. 22 f.

Die Geschichte der Zellengranula.
zwar von der grössten Bedeutung für die Physiologie und
Medicin und zum Theil auch vom rein wissenschaftlichen Stand¬
punkte aus von hohem Werthe, allein Alles dieses war doch nicht
der Art, dass es um einen namhaften Schritt weiter zu einem
neuen Abschnitt geführt hätte. Dieser Stand der Gewebelehre
wird so lange dauern, als es nicht gelingt, um ein Wesentliches
weiter in die Tiefe des Baues der lebenden Wesen zu schauen
und auch die Elemente zu erfassen, aus denen das, was wir
jetzt noch für einfach halten, zusammengesetzt ist.

„Sollte das aber je möglich werden, dann würde auch für
die Histologie eine neue Zeit beginnen, und die Entdeckung des
Gesetzes der Zellengenese würde ebenso oder noch mehr Be¬
deutung gewinnen, als die Lehre von der Zusammensetzung
aller thierischen Gewebe aus Zellen.“

Wir stellen die Aeusserungen dieser beiden Autoren hier
voran, weil sie in einfachster Weise den Standpunkt charakte¬
risiren, auf welchen bis in unsere Tage die Lehre von den
organisirten Formelementen gestanden hat. Es hat weder vor
noch nach diesen Aeusserungen an Bemühungen gefehlt, der
Frage von den wirklichen Elementarorganismen näher zu treten,
aber alle diese Bemühungen haben keinen Erfolg gehabt, weil
sie mehr auf hypothetischen Anschauungen, als auf gefundenen
Thatsachen beruhten.

Die Lehre von den Elementarorganismen ist in ihrer primi¬
tiven Form weit älter als die Zellenlehre selbst; es ist aber für
den heutigen Biologen oft schwierig, sich in jene älteren Ideen
hineinzudenken, und muss dieses jedenfalls mit Berücksichtigung
aller jener Unterschiede geschehen, welche die Hilfsmittel der
neueren Zeit vor denen der älteren auszeichnen. Darum thun
wir vielleicht gut, folgende Worte Virchow's1 zu citiren, welcher,
indem er selbst den Uebergang zur neueren Zeit mit erlebte
und mit begründete, die Anschauungen jener älteren in folgen¬
der Weise schildert:

„Noch in den Elementa physiologiae von Haller findet man
an die Spitze des ganzen Werkes, wo von den Elementen des
Körpers gehandelt wird, die Faser gestellt. Haller braucht da¬

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[5/0021] Die Geschichte der Zellengranula. zwar von der grössten Bedeutung für die Physiologie und Medicin und zum Theil auch vom rein wissenschaftlichen Stand¬ punkte aus von hohem Werthe, allein Alles dieses war doch nicht der Art, dass es um einen namhaften Schritt weiter zu einem neuen Abschnitt geführt hätte. Dieser Stand der Gewebelehre wird so lange dauern, als es nicht gelingt, um ein Wesentliches weiter in die Tiefe des Baues der lebenden Wesen zu schauen und auch die Elemente zu erfassen, aus denen das, was wir jetzt noch für einfach halten, zusammengesetzt ist. „Sollte das aber je möglich werden, dann würde auch für die Histologie eine neue Zeit beginnen, und die Entdeckung des Gesetzes der Zellengenese würde ebenso oder noch mehr Be¬ deutung gewinnen, als die Lehre von der Zusammensetzung aller thierischen Gewebe aus Zellen.“ Wir stellen die Aeusserungen dieser beiden Autoren hier voran, weil sie in einfachster Weise den Standpunkt charakte¬ risiren, auf welchen bis in unsere Tage die Lehre von den organisirten Formelementen gestanden hat. Es hat weder vor noch nach diesen Aeusserungen an Bemühungen gefehlt, der Frage von den wirklichen Elementarorganismen näher zu treten, aber alle diese Bemühungen haben keinen Erfolg gehabt, weil sie mehr auf hypothetischen Anschauungen, als auf gefundenen Thatsachen beruhten. Die Lehre von den Elementarorganismen ist in ihrer primi¬ tiven Form weit älter als die Zellenlehre selbst; es ist aber für den heutigen Biologen oft schwierig, sich in jene älteren Ideen hineinzudenken, und muss dieses jedenfalls mit Berücksichtigung aller jener Unterschiede geschehen, welche die Hilfsmittel der neueren Zeit vor denen der älteren auszeichnen. Darum thun wir vielleicht gut, folgende Worte Virchow's 1 zu citiren, welcher, indem er selbst den Uebergang zur neueren Zeit mit erlebte und mit begründete, die Anschauungen jener älteren in folgen¬ der Weise schildert: „Noch in den Elementa physiologiae von Haller findet man an die Spitze des ganzen Werkes, wo von den Elementen des Körpers gehandelt wird, die Faser gestellt. Haller braucht da¬ 1 Virchow, Die Cellularpathologie. 4. Aufl. 1871. S. 22 f.

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Zitationshilfe: Altmann, Richard: Die Elementarorganismen und ihre Beziehungen zu den Zellen. Leipzig, 1890, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/altmann_elementarorganismen_1890/21>, abgerufen am 29.03.2024.