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Alexis, Willibald: Herr von Sacken. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–202. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Jenen zu verlieren, der doch alle wesentlichen Ausgaben für ihn berichtigte. Ja selbst mit dem eigenen Kutscher des Freiherrn hatte er sich so in Rapport gesetzt, daß er mehr als Letzterer die Reise zu regieren schien.

Dies lag in der Natur der Sache; denn Sacken sprach wenig oder gar nichts, der Kutscher fühlte aber dies Bedürfniß, und gelegentliche Rücksprachen wegen des Weges und der Einkehr waren nothwendig. Mit jeder Stunde wurde ihm die immer lächelnde Miene des Andern, in der alles Andere eher zu lesen war, als ein Gefühl für die Verhältnisse, unter denen er im Wagen saß, widerwärtiger. Er fühlte sich in seiner Freiheit gebunden. Es war nicht sowohl die Anwesenheit des Fremden, als daß seine Gedanken sich unaufhörlich mit ihm beschäftigen mußten. Die Grenze war glücklich zurückgelegt. Dichtere Wälder, wüstere Steppen, ein unwirthliches Land und schlechte Wege durch die weiten Haiden verstärkten die Monotonie der Reise. Ein unfreundlicher, kalter Herbstnebel hüllte am nächsten Morgen die Gegenstände ein. Die Beiden waren daher unausweichlich auf sich verwiesen.

In gewissen Momenten fühlt auch der Menschenscheueste sich gedrungen, durch das Mittel der Sprache der Bangigkeit oder der Leerheit in sich zu Hülfe zu kommen. Ein solcher trat an diesem naßkalten Morgen für Theosophus Sacken ein. Er knüpfte ein gleichgültiges Gespräch mit dem ungelegenen Gefährten an. Hatte er erwartet, daß dies des Andern Verwunderung und

Jenen zu verlieren, der doch alle wesentlichen Ausgaben für ihn berichtigte. Ja selbst mit dem eigenen Kutscher des Freiherrn hatte er sich so in Rapport gesetzt, daß er mehr als Letzterer die Reise zu regieren schien.

Dies lag in der Natur der Sache; denn Sacken sprach wenig oder gar nichts, der Kutscher fühlte aber dies Bedürfniß, und gelegentliche Rücksprachen wegen des Weges und der Einkehr waren nothwendig. Mit jeder Stunde wurde ihm die immer lächelnde Miene des Andern, in der alles Andere eher zu lesen war, als ein Gefühl für die Verhältnisse, unter denen er im Wagen saß, widerwärtiger. Er fühlte sich in seiner Freiheit gebunden. Es war nicht sowohl die Anwesenheit des Fremden, als daß seine Gedanken sich unaufhörlich mit ihm beschäftigen mußten. Die Grenze war glücklich zurückgelegt. Dichtere Wälder, wüstere Steppen, ein unwirthliches Land und schlechte Wege durch die weiten Haiden verstärkten die Monotonie der Reise. Ein unfreundlicher, kalter Herbstnebel hüllte am nächsten Morgen die Gegenstände ein. Die Beiden waren daher unausweichlich auf sich verwiesen.

In gewissen Momenten fühlt auch der Menschenscheueste sich gedrungen, durch das Mittel der Sprache der Bangigkeit oder der Leerheit in sich zu Hülfe zu kommen. Ein solcher trat an diesem naßkalten Morgen für Theosophus Sacken ein. Er knüpfte ein gleichgültiges Gespräch mit dem ungelegenen Gefährten an. Hatte er erwartet, daß dies des Andern Verwunderung und

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T12:11:53Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T12:11:53Z)

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Herr von Sacken. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–202. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_sacken_1910/41>, abgerufen am 19.04.2024.