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Alexis, Willibald: Herr von Sacken. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–202. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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ehrbaren Königsberger am Fenster als möglich besprochen, wurde von den weinglühenden Jünglingen in der Schenke als Wirklichkeit parodirt. Doch war es kein verabredetes Spiel, auch mochte keine bestimmte Absicht hinter der von der Weinlaune eingegebenen Farce liegen; der Ernst hatte sich nur vermöge der Leidenschaftlichkeit, mit welcher der sarmatische Charakter jede Rolle auffaßt, ins Spiel geschlichen. Des Zufalls Stimme machte aber die berauschte Stimmung zu einem Omen. Alle gezückten Säbel huldigten dem Piasten. Die erhitzten Stimmen schrieen seine Erhebung durch Balken und Wände in die Lüfte, obschon die draußen Versammelten wenig mehr als einen chaotischen Lärm mit einzelnen Namen hörten.

Wahlkönig! Nun zur Sache. Quidnam promittis et quidnam dabis Confoederatis? brüllte ein bärtiges Angesicht, ein gewaltiger Schläger, der schon mehr als drei akademische Lebensalter den Commersen präsidirt und in der allgemeinen Erhitzung eine Ruhe behalten hatte, die nicht vom minderen Genusse, nur von der mehreren Uebung herrühren mochte. Der Prinz erhob sich und schleuderte einige flammende Worte hin von der Herrlichkeit der Republik und seinem glühenden Haß gegen die Fremden. So wahr du das Glas leerst, machst du Polen rein! rief Einer, ihm das gefüllte Kelchglas reichend. -- Er trinkt, der König trinkt, rex noster bibit! schrie der verworrene Chor, ob der trunkene Jüngling doch nur die Hälfte über die Lippen ge-

ehrbaren Königsberger am Fenster als möglich besprochen, wurde von den weinglühenden Jünglingen in der Schenke als Wirklichkeit parodirt. Doch war es kein verabredetes Spiel, auch mochte keine bestimmte Absicht hinter der von der Weinlaune eingegebenen Farce liegen; der Ernst hatte sich nur vermöge der Leidenschaftlichkeit, mit welcher der sarmatische Charakter jede Rolle auffaßt, ins Spiel geschlichen. Des Zufalls Stimme machte aber die berauschte Stimmung zu einem Omen. Alle gezückten Säbel huldigten dem Piasten. Die erhitzten Stimmen schrieen seine Erhebung durch Balken und Wände in die Lüfte, obschon die draußen Versammelten wenig mehr als einen chaotischen Lärm mit einzelnen Namen hörten.

Wahlkönig! Nun zur Sache. Quidnam promittis et quidnam dabis Confoederatis? brüllte ein bärtiges Angesicht, ein gewaltiger Schläger, der schon mehr als drei akademische Lebensalter den Commersen präsidirt und in der allgemeinen Erhitzung eine Ruhe behalten hatte, die nicht vom minderen Genusse, nur von der mehreren Uebung herrühren mochte. Der Prinz erhob sich und schleuderte einige flammende Worte hin von der Herrlichkeit der Republik und seinem glühenden Haß gegen die Fremden. So wahr du das Glas leerst, machst du Polen rein! rief Einer, ihm das gefüllte Kelchglas reichend. — Er trinkt, der König trinkt, rex noster bibit! schrie der verworrene Chor, ob der trunkene Jüngling doch nur die Hälfte über die Lippen ge-

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[0017] ehrbaren Königsberger am Fenster als möglich besprochen, wurde von den weinglühenden Jünglingen in der Schenke als Wirklichkeit parodirt. Doch war es kein verabredetes Spiel, auch mochte keine bestimmte Absicht hinter der von der Weinlaune eingegebenen Farce liegen; der Ernst hatte sich nur vermöge der Leidenschaftlichkeit, mit welcher der sarmatische Charakter jede Rolle auffaßt, ins Spiel geschlichen. Des Zufalls Stimme machte aber die berauschte Stimmung zu einem Omen. Alle gezückten Säbel huldigten dem Piasten. Die erhitzten Stimmen schrieen seine Erhebung durch Balken und Wände in die Lüfte, obschon die draußen Versammelten wenig mehr als einen chaotischen Lärm mit einzelnen Namen hörten. Wahlkönig! Nun zur Sache. Quidnam promittis et quidnam dabis Confoederatis? brüllte ein bärtiges Angesicht, ein gewaltiger Schläger, der schon mehr als drei akademische Lebensalter den Commersen präsidirt und in der allgemeinen Erhitzung eine Ruhe behalten hatte, die nicht vom minderen Genusse, nur von der mehreren Uebung herrühren mochte. Der Prinz erhob sich und schleuderte einige flammende Worte hin von der Herrlichkeit der Republik und seinem glühenden Haß gegen die Fremden. So wahr du das Glas leerst, machst du Polen rein! rief Einer, ihm das gefüllte Kelchglas reichend. — Er trinkt, der König trinkt, rex noster bibit! schrie der verworrene Chor, ob der trunkene Jüngling doch nur die Hälfte über die Lippen ge-

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T12:11:53Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T12:11:53Z)

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Herr von Sacken. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–202. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_sacken_1910/17>, abgerufen am 29.03.2024.