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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852.

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"Der kleine König von Schweden sperrt ihnen
auch die Ostseehäfen, er kapert auch wie die Engländer
ihre Schiffe. Man hätte doch nun erwartet, sie
würden Schwedisch Pommern nehmen!"

"Man ist befangen im Bewußtsein seines Un¬
rechts, und statt es gut zu machen, indem man es
vollendet, verdoppelt man den Fehltritt, indem man
ihn halb thut."

"Das ist Ihre Moral, Wandel. Ich im Gegen¬
theil bewundere den Muth dieser Staatsmänner.
Mit welchem Gesichte kann der Mann von Schön¬
brunn vor die Prinzen, vor die Bilder seiner
alten Könige treten, vor das Land, vor das Preu¬
ßische Heer, vor Friedrichs Armee? Erklären Sie
mir den Muth, Wandel, wie er vor diesem stolzen,
hochmüthigen Officiercorps es aussprechen darf: Preu¬
ßen fühlt sich zu schwach, mit dem stärksten Bundes¬
genossen an der Seite einen gerechten Krieg zu füh¬
ren. Können Sie's?"

"Gnädigste Frau, vor wem erröthen, wem Re¬
chenschaft geben! -- Wer fordert sie von dem Manne!"

"Und sei es nur vor seinem eigenen Spiegel."

"Der Spiegel, Gnädigste, ist unser Machwerk;
man schleift, färbt ihn, wie man will, man stellt sich
vor ihn, wie man Lust hat. Die Hand in der
Brust, das Kinn aufrecht, die Blicke funkelnd. Oder
die Arme gekreuzt auf der Brust, die Augen nieder¬
geschlagen; der Spiegel ist gehorsam, er giebt Alles
wieder. Denken Sie ihn sich so, mit verkniffenen

„Der kleine König von Schweden ſperrt ihnen
auch die Oſtſeehäfen, er kapert auch wie die Engländer
ihre Schiffe. Man hätte doch nun erwartet, ſie
würden Schwediſch Pommern nehmen!“

„Man iſt befangen im Bewußtſein ſeines Un¬
rechts, und ſtatt es gut zu machen, indem man es
vollendet, verdoppelt man den Fehltritt, indem man
ihn halb thut.“

„Das iſt Ihre Moral, Wandel. Ich im Gegen¬
theil bewundere den Muth dieſer Staatsmänner.
Mit welchem Geſichte kann der Mann von Schön¬
brunn vor die Prinzen, vor die Bilder ſeiner
alten Könige treten, vor das Land, vor das Preu¬
ßiſche Heer, vor Friedrichs Armee? Erklären Sie
mir den Muth, Wandel, wie er vor dieſem ſtolzen,
hochmüthigen Officiercorps es ausſprechen darf: Preu¬
ßen fühlt ſich zu ſchwach, mit dem ſtärkſten Bundes¬
genoſſen an der Seite einen gerechten Krieg zu füh¬
ren. Können Sie's?“

„Gnädigſte Frau, vor wem erröthen, wem Re¬
chenſchaft geben! — Wer fordert ſie von dem Manne!“

„Und ſei es nur vor ſeinem eigenen Spiegel.“

„Der Spiegel, Gnädigſte, iſt unſer Machwerk;
man ſchleift, färbt ihn, wie man will, man ſtellt ſich
vor ihn, wie man Luſt hat. Die Hand in der
Bruſt, das Kinn aufrecht, die Blicke funkelnd. Oder
die Arme gekreuzt auf der Bruſt, die Augen nieder¬
geſchlagen; der Spiegel iſt gehorſam, er giebt Alles
wieder. Denken Sie ihn ſich ſo, mit verkniffenen

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[29/0039] „Der kleine König von Schweden ſperrt ihnen auch die Oſtſeehäfen, er kapert auch wie die Engländer ihre Schiffe. Man hätte doch nun erwartet, ſie würden Schwediſch Pommern nehmen!“ „Man iſt befangen im Bewußtſein ſeines Un¬ rechts, und ſtatt es gut zu machen, indem man es vollendet, verdoppelt man den Fehltritt, indem man ihn halb thut.“ „Das iſt Ihre Moral, Wandel. Ich im Gegen¬ theil bewundere den Muth dieſer Staatsmänner. Mit welchem Geſichte kann der Mann von Schön¬ brunn vor die Prinzen, vor die Bilder ſeiner alten Könige treten, vor das Land, vor das Preu¬ ßiſche Heer, vor Friedrichs Armee? Erklären Sie mir den Muth, Wandel, wie er vor dieſem ſtolzen, hochmüthigen Officiercorps es ausſprechen darf: Preu¬ ßen fühlt ſich zu ſchwach, mit dem ſtärkſten Bundes¬ genoſſen an der Seite einen gerechten Krieg zu füh¬ ren. Können Sie's?“ „Gnädigſte Frau, vor wem erröthen, wem Re¬ chenſchaft geben! — Wer fordert ſie von dem Manne!“ „Und ſei es nur vor ſeinem eigenen Spiegel.“ „Der Spiegel, Gnädigſte, iſt unſer Machwerk; man ſchleift, färbt ihn, wie man will, man ſtellt ſich vor ihn, wie man Luſt hat. Die Hand in der Bruſt, das Kinn aufrecht, die Blicke funkelnd. Oder die Arme gekreuzt auf der Bruſt, die Augen nieder¬ geſchlagen; der Spiegel iſt gehorſam, er giebt Alles wieder. Denken Sie ihn ſich ſo, mit verkniffenen

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/39>, abgerufen am 25.04.2024.