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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852.

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Sache. Machen Sie ihr bald ein Ende, sonst -- ich weiß
nicht, was ich thäte, wenn Sie nicht im Spiele wären."

"Empfinden Erlaucht denn gar keinen Beruf,
sich der gequälten Schönen anzunehmen?"

"An langweiligen Menschen hatte ich heute schon
genug. Vater und Mutter waren hier, denken Sie,
eine Stunde lang! Diese Dankadressen im Kanzleistil,
diese bürgerlichen Rührungsgefühle in der Sonntags¬
haube, der ganze Iffland, Kotzebue und Krähwinkel
in meinem Hause. Ich möchte doch um solcher Leute
willen keine Migraine bekommen; aber jetzt erbarmen
Sie sich meiner."

"Tu l'as voulu, George Dandin! sagt Moliere,"
sprach der Legationsrath, sich verneigend.

"Et je le veux, Monsieur le conseiller!"

"Was denkt Prinz Louis, Erlaucht?"

"Ob der Champagner oder der Rheinstrom eher
in die Lethe fließt."

"Leider flüstern seine Freunde, daß er schon den
nächsten Weg auf dem Jamaikanischen Feuerstrom
Rum dahin sucht."

"Der Unglückliche!"

Sie schien die eben gegebene Anweisung an den
Legationsrath auf die Eitelbach eben so vergessen zu
haben, als sie an der Ecke eines Divans Platz nahm.
Ein ernster Zug flog über die Seidenwimpern, die
sich geschlossen hatten wie erschreckt vor einem Bilde. --
"Vielleicht der letzte Held unter Diesen! -- Warum
fand er nicht den rechten Weg! -- Das ist es nicht.

Sache. Machen Sie ihr bald ein Ende, ſonſt — ich weiß
nicht, was ich thäte, wenn Sie nicht im Spiele wären.“

„Empfinden Erlaucht denn gar keinen Beruf,
ſich der gequälten Schönen anzunehmen?“

„An langweiligen Menſchen hatte ich heute ſchon
genug. Vater und Mutter waren hier, denken Sie,
eine Stunde lang! Dieſe Dankadreſſen im Kanzleiſtil,
dieſe bürgerlichen Rührungsgefühle in der Sonntags¬
haube, der ganze Iffland, Kotzebue und Krähwinkel
in meinem Hauſe. Ich möchte doch um ſolcher Leute
willen keine Migraine bekommen; aber jetzt erbarmen
Sie ſich meiner.“

„Tu l'as voulu, George Dandin! ſagt Molière,“
ſprach der Legationsrath, ſich verneigend.

„Et je le veux, Monsieur le conseiller!“

„Was denkt Prinz Louis, Erlaucht?“

„Ob der Champagner oder der Rheinſtrom eher
in die Lethe fließt.“

„Leider flüſtern ſeine Freunde, daß er ſchon den
nächſten Weg auf dem Jamaikaniſchen Feuerſtrom
Rum dahin ſucht.“

„Der Unglückliche!“

Sie ſchien die eben gegebene Anweiſung an den
Legationsrath auf die Eitelbach eben ſo vergeſſen zu
haben, als ſie an der Ecke eines Divans Platz nahm.
Ein ernſter Zug flog über die Seidenwimpern, die
ſich geſchloſſen hatten wie erſchreckt vor einem Bilde. —
„Vielleicht der letzte Held unter Dieſen! — Warum
fand er nicht den rechten Weg! — Das iſt es nicht.

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[25/0035] Sache. Machen Sie ihr bald ein Ende, ſonſt — ich weiß nicht, was ich thäte, wenn Sie nicht im Spiele wären.“ „Empfinden Erlaucht denn gar keinen Beruf, ſich der gequälten Schönen anzunehmen?“ „An langweiligen Menſchen hatte ich heute ſchon genug. Vater und Mutter waren hier, denken Sie, eine Stunde lang! Dieſe Dankadreſſen im Kanzleiſtil, dieſe bürgerlichen Rührungsgefühle in der Sonntags¬ haube, der ganze Iffland, Kotzebue und Krähwinkel in meinem Hauſe. Ich möchte doch um ſolcher Leute willen keine Migraine bekommen; aber jetzt erbarmen Sie ſich meiner.“ „Tu l'as voulu, George Dandin! ſagt Molière,“ ſprach der Legationsrath, ſich verneigend. „Et je le veux, Monsieur le conseiller!“ „Was denkt Prinz Louis, Erlaucht?“ „Ob der Champagner oder der Rheinſtrom eher in die Lethe fließt.“ „Leider flüſtern ſeine Freunde, daß er ſchon den nächſten Weg auf dem Jamaikaniſchen Feuerſtrom Rum dahin ſucht.“ „Der Unglückliche!“ Sie ſchien die eben gegebene Anweiſung an den Legationsrath auf die Eitelbach eben ſo vergeſſen zu haben, als ſie an der Ecke eines Divans Platz nahm. Ein ernſter Zug flog über die Seidenwimpern, die ſich geſchloſſen hatten wie erſchreckt vor einem Bilde. — „Vielleicht der letzte Held unter Dieſen! — Warum fand er nicht den rechten Weg! — Das iſt es nicht.

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/35>, abgerufen am 29.03.2024.