Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

wiederkehrt, wenn seine Zeit kam, die unsre Schwäche
nur nicht ermißt, oder -- nur die blitzende Nachterschei¬
nung, der Komet, der seinen Schweif betäubend über
unsre Häupter rasselt. Wir stehen gebeugt unte
dem Hagel seiner Meteorsteine und --" Er hielt
inne und athmete tief. "Und wer sich selbst getreu
blieb, wird auch hier sich nicht übertäuben lassen.
-- Nein nein -- auch diese Sonne von Auster¬
litz hat trübe Flecke. Groß und strahlend, aber je
mehr sie der Mittagshöhe sich nähert, um so mehr sehe
ich sie schwanken, zittern vor sich selbst. Auch er wird
untergehen, indem er sich selbst überhebt. Nur wer
fest und bewußt -- Ach, mein Gott! fuhr er fort,
wie aus seiner Träumerei erwachend. Ich vergaß
mich da in Gedanken, die nicht hierher gehören.
Groß ist er, aber -- sichrer der, der sich an keine
Größe lehnt, nur auf sich selbst."

Der Legationsrath hatte sich verrechnet, wenn
er gemeint, auf den Geheimrath damit einen Eindruck
zu machen. Dieser hatte sich ruhig ein neues Glas
eingeschenkt, und mit derselben Behaglichkeit ließ
er es über die Zunge gleiten, die er vorhin an
Wandel gerügt oder gerühmt.

"Sie wollen also mit Napoleon nichts zu thun
haben! Votre plaisir! Aber, merken Sie sich, Haugwitz
ist ängstlich inquietirt. Er giebt Winke, wie man
Sie beobachten soll. Wenn Sie also keinen Passe-
par-tout
von Napoleon in der Tasche haben, --"

"Die Aufmerksamkeit, welche Herr v. Haugwitz

wiederkehrt, wenn ſeine Zeit kam, die unſre Schwäche
nur nicht ermißt, oder — nur die blitzende Nachterſchei¬
nung, der Komet, der ſeinen Schweif betäubend über
unſre Häupter raſſelt. Wir ſtehen gebeugt unte
dem Hagel ſeiner Meteorſteine und —“ Er hielt
inne und athmete tief. „Und wer ſich ſelbſt getreu
blieb, wird auch hier ſich nicht übertäuben laſſen.
— Nein nein — auch dieſe Sonne von Auſter¬
litz hat trübe Flecke. Groß und ſtrahlend, aber je
mehr ſie der Mittagshöhe ſich nähert, um ſo mehr ſehe
ich ſie ſchwanken, zittern vor ſich ſelbſt. Auch er wird
untergehen, indem er ſich ſelbſt überhebt. Nur wer
feſt und bewußt — Ach, mein Gott! fuhr er fort,
wie aus ſeiner Träumerei erwachend. Ich vergaß
mich da in Gedanken, die nicht hierher gehören.
Groß iſt er, aber — ſichrer der, der ſich an keine
Größe lehnt, nur auf ſich ſelbſt.“

Der Legationsrath hatte ſich verrechnet, wenn
er gemeint, auf den Geheimrath damit einen Eindruck
zu machen. Dieſer hatte ſich ruhig ein neues Glas
eingeſchenkt, und mit derſelben Behaglichkeit ließ
er es über die Zunge gleiten, die er vorhin an
Wandel gerügt oder gerühmt.

„Sie wollen alſo mit Napoleon nichts zu thun
haben! Votre plaisir! Aber, merken Sie ſich, Haugwitz
iſt ängſtlich inquietirt. Er giebt Winke, wie man
Sie beobachten ſoll. Wenn Sie alſo keinen Passe-
par-tout
von Napoleon in der Taſche haben, —“

„Die Aufmerkſamkeit, welche Herr v. Haugwitz

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0024" n="14"/>
wiederkehrt, wenn &#x017F;eine Zeit kam, die un&#x017F;re Schwäche<lb/>
nur nicht ermißt, oder &#x2014; nur die blitzende Nachter&#x017F;chei¬<lb/>
nung, der Komet, der &#x017F;einen Schweif betäubend über<lb/>
un&#x017F;re Häupter ra&#x017F;&#x017F;elt. Wir &#x017F;tehen gebeugt unte<lb/>
dem Hagel &#x017F;einer Meteor&#x017F;teine und &#x2014;&#x201C; Er hielt<lb/>
inne und athmete tief. &#x201E;Und wer &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t getreu<lb/>
blieb, wird auch hier &#x017F;ich nicht übertäuben la&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
&#x2014; Nein nein &#x2014; auch die&#x017F;e Sonne von Au&#x017F;ter¬<lb/>
litz hat trübe Flecke. Groß und &#x017F;trahlend, aber je<lb/>
mehr &#x017F;ie der Mittagshöhe &#x017F;ich nähert, um &#x017F;o mehr &#x017F;ehe<lb/>
ich &#x017F;ie &#x017F;chwanken, zittern vor &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t. Auch er wird<lb/>
untergehen, indem er &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t überhebt. Nur wer<lb/>
fe&#x017F;t und bewußt &#x2014; Ach, mein Gott! fuhr er fort,<lb/>
wie aus &#x017F;einer Träumerei erwachend. Ich vergaß<lb/>
mich da in Gedanken, die nicht hierher gehören.<lb/>
Groß i&#x017F;t er, aber &#x2014; &#x017F;ichrer der, der &#x017F;ich an keine<lb/>
Größe lehnt, nur auf &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Der Legationsrath hatte &#x017F;ich verrechnet, wenn<lb/>
er gemeint, auf den Geheimrath damit einen Eindruck<lb/>
zu machen. Die&#x017F;er hatte &#x017F;ich ruhig ein neues Glas<lb/>
einge&#x017F;chenkt, und mit der&#x017F;elben Behaglichkeit ließ<lb/>
er es über die Zunge gleiten, die er vorhin an<lb/>
Wandel gerügt oder gerühmt.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Sie wollen al&#x017F;o mit Napoleon nichts zu thun<lb/>
haben! <hi rendition="#aq">Votre plaisir</hi>! Aber, merken Sie &#x017F;ich, Haugwitz<lb/>
i&#x017F;t äng&#x017F;tlich inquietirt. Er giebt Winke, wie man<lb/>
Sie beobachten &#x017F;oll. Wenn Sie al&#x017F;o keinen <hi rendition="#aq">Passe-<lb/>
par-tout</hi> von Napoleon in der Ta&#x017F;che haben, &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Die Aufmerk&#x017F;amkeit, welche Herr v. Haugwitz<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[14/0024] wiederkehrt, wenn ſeine Zeit kam, die unſre Schwäche nur nicht ermißt, oder — nur die blitzende Nachterſchei¬ nung, der Komet, der ſeinen Schweif betäubend über unſre Häupter raſſelt. Wir ſtehen gebeugt unte dem Hagel ſeiner Meteorſteine und —“ Er hielt inne und athmete tief. „Und wer ſich ſelbſt getreu blieb, wird auch hier ſich nicht übertäuben laſſen. — Nein nein — auch dieſe Sonne von Auſter¬ litz hat trübe Flecke. Groß und ſtrahlend, aber je mehr ſie der Mittagshöhe ſich nähert, um ſo mehr ſehe ich ſie ſchwanken, zittern vor ſich ſelbſt. Auch er wird untergehen, indem er ſich ſelbſt überhebt. Nur wer feſt und bewußt — Ach, mein Gott! fuhr er fort, wie aus ſeiner Träumerei erwachend. Ich vergaß mich da in Gedanken, die nicht hierher gehören. Groß iſt er, aber — ſichrer der, der ſich an keine Größe lehnt, nur auf ſich ſelbſt.“ Der Legationsrath hatte ſich verrechnet, wenn er gemeint, auf den Geheimrath damit einen Eindruck zu machen. Dieſer hatte ſich ruhig ein neues Glas eingeſchenkt, und mit derſelben Behaglichkeit ließ er es über die Zunge gleiten, die er vorhin an Wandel gerügt oder gerühmt. „Sie wollen alſo mit Napoleon nichts zu thun haben! Votre plaisir! Aber, merken Sie ſich, Haugwitz iſt ängſtlich inquietirt. Er giebt Winke, wie man Sie beobachten ſoll. Wenn Sie alſo keinen Passe- par-tout von Napoleon in der Taſche haben, —“ „Die Aufmerkſamkeit, welche Herr v. Haugwitz

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/24
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/24>, abgerufen am 20.04.2024.