Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

chen fortsetzen, so sprach eine innere Stimme: das
erste hast du ja selbst immer geglaubt. Aber dann,
wenn jene ihn auf die vielen Beweise von Aufmerk¬
samkeit und Zärtlichkeit hinwiesen! Stand die Moos¬
rose nicht noch immer zwischen den Balsaminen, trug
sie nicht noch immer das Halstuch von der Farbe,
die sie angelegt, als sie sein Lob derselben vernom¬
men? Ja brauchte es einer Mittelsperson, gefüllter
Gläser, um ihm zu sagen, daß sie jetzt anders war,
als sie sonst war? Sah er nicht den getrübten Blick
ihres Auges? Sie wandte freilich das Gesicht ab,
wenn sie sich zufällig begegneten, aber das war ein
ganz andres Abwenden als sonst. Und dann, ein
Mann, der ein Staatsdiener ist, der es bis zum
Rittmeister gebracht hat, dem der Krieg die Thore
zum Oberstwachtmeister eröffnet, gesteht ein solcher es
sich leicht ein, daß er so lange gefoppt worden, daß
er nur die dupe einer andern, oder gar ihres Kam¬
mermädchens gewesen? Sucht er nicht nach Beweisen,
daß dem nicht so sein könne, wird er nicht vielmehr
scharfsinnig auch da noch sie zu entdecken versuchen,
wo sie nicht sind? Die Hälfte des Scharfsinns, den
er anwendet, um aus dem Netz sich loszuwickeln, und
er wäre nie in dem Netz gefangen worden.

Möglich war es ja, daß sie anfänglich nur ihn
necken, ihre Empfindlichkeit für das an ihm kühlen
wollen, was er sich selbst jetzt vorwarf; möglich, daß
auch andere da mitgearbeitet hatten. Aber -- das
konnte sich geändert, sie so gut gesehen haben, als er

chen fortſetzen, ſo ſprach eine innere Stimme: das
erſte haſt du ja ſelbſt immer geglaubt. Aber dann,
wenn jene ihn auf die vielen Beweiſe von Aufmerk¬
ſamkeit und Zärtlichkeit hinwieſen! Stand die Moos¬
roſe nicht noch immer zwiſchen den Balſaminen, trug
ſie nicht noch immer das Halstuch von der Farbe,
die ſie angelegt, als ſie ſein Lob derſelben vernom¬
men? Ja brauchte es einer Mittelsperſon, gefüllter
Gläſer, um ihm zu ſagen, daß ſie jetzt anders war,
als ſie ſonſt war? Sah er nicht den getrübten Blick
ihres Auges? Sie wandte freilich das Geſicht ab,
wenn ſie ſich zufällig begegneten, aber das war ein
ganz andres Abwenden als ſonſt. Und dann, ein
Mann, der ein Staatsdiener iſt, der es bis zum
Rittmeiſter gebracht hat, dem der Krieg die Thore
zum Oberſtwachtmeiſter eröffnet, geſteht ein ſolcher es
ſich leicht ein, daß er ſo lange gefoppt worden, daß
er nur die dupe einer andern, oder gar ihres Kam¬
mermädchens geweſen? Sucht er nicht nach Beweiſen,
daß dem nicht ſo ſein könne, wird er nicht vielmehr
ſcharfſinnig auch da noch ſie zu entdecken verſuchen,
wo ſie nicht ſind? Die Hälfte des Scharfſinns, den
er anwendet, um aus dem Netz ſich loszuwickeln, und
er wäre nie in dem Netz gefangen worden.

Möglich war es ja, daß ſie anfänglich nur ihn
necken, ihre Empfindlichkeit für das an ihm kühlen
wollen, was er ſich ſelbſt jetzt vorwarf; möglich, daß
auch andere da mitgearbeitet hatten. Aber — das
konnte ſich geändert, ſie ſo gut geſehen haben, als er

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0083" n="73"/>
chen fort&#x017F;etzen, &#x017F;o &#x017F;prach eine innere Stimme: das<lb/>
er&#x017F;te ha&#x017F;t du ja &#x017F;elb&#x017F;t immer geglaubt. Aber dann,<lb/>
wenn jene ihn auf die vielen Bewei&#x017F;e von Aufmerk¬<lb/>
&#x017F;amkeit und Zärtlichkeit hinwie&#x017F;en! Stand die Moos¬<lb/>
ro&#x017F;e nicht noch immer zwi&#x017F;chen den Bal&#x017F;aminen, trug<lb/>
&#x017F;ie nicht noch immer das Halstuch von der Farbe,<lb/>
die &#x017F;ie angelegt, als &#x017F;ie &#x017F;ein Lob der&#x017F;elben vernom¬<lb/>
men? Ja brauchte es einer Mittelsper&#x017F;on, gefüllter<lb/>
Glä&#x017F;er, um ihm zu &#x017F;agen, daß &#x017F;ie jetzt anders war,<lb/>
als &#x017F;ie &#x017F;on&#x017F;t war? Sah er nicht den getrübten Blick<lb/>
ihres Auges? Sie wandte freilich das Ge&#x017F;icht ab,<lb/>
wenn &#x017F;ie &#x017F;ich zufällig begegneten, aber das war ein<lb/>
ganz andres Abwenden als &#x017F;on&#x017F;t. Und dann, ein<lb/>
Mann, der ein Staatsdiener i&#x017F;t, der es bis zum<lb/>
Rittmei&#x017F;ter gebracht hat, dem der Krieg die Thore<lb/>
zum Ober&#x017F;twachtmei&#x017F;ter eröffnet, ge&#x017F;teht ein &#x017F;olcher es<lb/>
&#x017F;ich leicht ein, daß er &#x017F;o lange gefoppt worden, daß<lb/>
er nur die <hi rendition="#aq">dupe</hi> einer andern, oder gar ihres Kam¬<lb/>
mermädchens gewe&#x017F;en? Sucht er nicht nach Bewei&#x017F;en,<lb/>
daß dem nicht &#x017F;o &#x017F;ein könne, wird er nicht vielmehr<lb/>
&#x017F;charf&#x017F;innig auch da noch &#x017F;ie zu entdecken ver&#x017F;uchen,<lb/>
wo &#x017F;ie nicht &#x017F;ind? Die Hälfte des Scharf&#x017F;inns, den<lb/>
er anwendet, um aus dem Netz &#x017F;ich loszuwickeln, und<lb/>
er wäre nie in dem Netz gefangen worden.</p><lb/>
        <p>Möglich war es ja, daß &#x017F;ie anfänglich nur ihn<lb/>
necken, ihre Empfindlichkeit für das an ihm kühlen<lb/>
wollen, was er &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t jetzt vorwarf; möglich, daß<lb/>
auch andere da mitgearbeitet hatten. Aber &#x2014; das<lb/>
konnte &#x017F;ich geändert, &#x017F;ie &#x017F;o gut ge&#x017F;ehen haben, als er<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[73/0083] chen fortſetzen, ſo ſprach eine innere Stimme: das erſte haſt du ja ſelbſt immer geglaubt. Aber dann, wenn jene ihn auf die vielen Beweiſe von Aufmerk¬ ſamkeit und Zärtlichkeit hinwieſen! Stand die Moos¬ roſe nicht noch immer zwiſchen den Balſaminen, trug ſie nicht noch immer das Halstuch von der Farbe, die ſie angelegt, als ſie ſein Lob derſelben vernom¬ men? Ja brauchte es einer Mittelsperſon, gefüllter Gläſer, um ihm zu ſagen, daß ſie jetzt anders war, als ſie ſonſt war? Sah er nicht den getrübten Blick ihres Auges? Sie wandte freilich das Geſicht ab, wenn ſie ſich zufällig begegneten, aber das war ein ganz andres Abwenden als ſonſt. Und dann, ein Mann, der ein Staatsdiener iſt, der es bis zum Rittmeiſter gebracht hat, dem der Krieg die Thore zum Oberſtwachtmeiſter eröffnet, geſteht ein ſolcher es ſich leicht ein, daß er ſo lange gefoppt worden, daß er nur die dupe einer andern, oder gar ihres Kam¬ mermädchens geweſen? Sucht er nicht nach Beweiſen, daß dem nicht ſo ſein könne, wird er nicht vielmehr ſcharfſinnig auch da noch ſie zu entdecken verſuchen, wo ſie nicht ſind? Die Hälfte des Scharfſinns, den er anwendet, um aus dem Netz ſich loszuwickeln, und er wäre nie in dem Netz gefangen worden. Möglich war es ja, daß ſie anfänglich nur ihn necken, ihre Empfindlichkeit für das an ihm kühlen wollen, was er ſich ſelbſt jetzt vorwarf; möglich, daß auch andere da mitgearbeitet hatten. Aber — das konnte ſich geändert, ſie ſo gut geſehen haben, als er

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/83
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/83>, abgerufen am 29.03.2024.