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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852.

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Brust entschlüpften, auch Thränen: die funkelnden
Degenspitzen schienen Vielen schon angeröthet. So
ernst wehwüthig war der Empfang gewesen im gro¬
ßen Portal des Schlosses. Hier hatten König und
Königin, von ihrem Palais herübergekommen, den
Gast bewillkommnet. Es war eine feierliche Scene,
als die beiden jungen Monarchen sich umarmten, als
der Czaar die Hand der huldvollsten Königin an die
Lippen drückte; ein Moment, von dem Europas Schick¬
sal abhing! Und in wie lautloser Theilnahme hatte
die Menge dem Familienstück zugesehen, das zum
großen Trauerspiel für hundert Tausende, für Mil¬
lionen werden durfte, mit welcher bangen Spannung
gewartet, was drinnen vorgehe, als die höchsten Herr¬
schaften in die Appartements getreten waren. Und
doch wußte man, daß es hier nicht geschehe. Sie
nahmen nur Erfrischungen ein. Die Hofequipagen
standen schon vor dem Portal, in denen die Wirthe
den hohen Gast nach Potsdam entführen wollten.
Dort -- wo Friedrich schläft -- sollte gewürfelt wer¬
den über das Loos der Zukunft.

Die Hofequipagen rollten schon lange auf der
gedielten Kunststraße hin, die für eines der wunder¬
baren Prachtwerke der Königsstadt galt, als die
Officiere in den Conditorladen traten. So prächtig
ihre Gala-Uniform, so bescheiden sah damals der Laden
aus. Nichts von Gold und Mahagoni, nichts von
Säulen und funkelndem Krystall. Auch glänzte das
wenige Tageslicht, das durch die Colonnaden der

Bruſt entſchlüpften, auch Thränen: die funkelnden
Degenſpitzen ſchienen Vielen ſchon angeröthet. So
ernſt wehwüthig war der Empfang geweſen im gro¬
ßen Portal des Schloſſes. Hier hatten König und
Königin, von ihrem Palais herübergekommen, den
Gaſt bewillkommnet. Es war eine feierliche Scene,
als die beiden jungen Monarchen ſich umarmten, als
der Czaar die Hand der huldvollſten Königin an die
Lippen drückte; ein Moment, von dem Europas Schick¬
ſal abhing! Und in wie lautloſer Theilnahme hatte
die Menge dem Familienſtück zugeſehen, das zum
großen Trauerſpiel für hundert Tauſende, für Mil¬
lionen werden durfte, mit welcher bangen Spannung
gewartet, was drinnen vorgehe, als die höchſten Herr¬
ſchaften in die Appartements getreten waren. Und
doch wußte man, daß es hier nicht geſchehe. Sie
nahmen nur Erfriſchungen ein. Die Hofequipagen
ſtanden ſchon vor dem Portal, in denen die Wirthe
den hohen Gaſt nach Potsdam entführen wollten.
Dort — wo Friedrich ſchläft — ſollte gewürfelt wer¬
den über das Loos der Zukunft.

Die Hofequipagen rollten ſchon lange auf der
gedielten Kunſtſtraße hin, die für eines der wunder¬
baren Prachtwerke der Königsſtadt galt, als die
Officiere in den Conditorladen traten. So prächtig
ihre Gala-Uniform, ſo beſcheiden ſah damals der Laden
aus. Nichts von Gold und Mahagoni, nichts von
Säulen und funkelndem Kryſtall. Auch glänzte das
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[53/0063] Bruſt entſchlüpften, auch Thränen: die funkelnden Degenſpitzen ſchienen Vielen ſchon angeröthet. So ernſt wehwüthig war der Empfang geweſen im gro¬ ßen Portal des Schloſſes. Hier hatten König und Königin, von ihrem Palais herübergekommen, den Gaſt bewillkommnet. Es war eine feierliche Scene, als die beiden jungen Monarchen ſich umarmten, als der Czaar die Hand der huldvollſten Königin an die Lippen drückte; ein Moment, von dem Europas Schick¬ ſal abhing! Und in wie lautloſer Theilnahme hatte die Menge dem Familienſtück zugeſehen, das zum großen Trauerſpiel für hundert Tauſende, für Mil¬ lionen werden durfte, mit welcher bangen Spannung gewartet, was drinnen vorgehe, als die höchſten Herr¬ ſchaften in die Appartements getreten waren. Und doch wußte man, daß es hier nicht geſchehe. Sie nahmen nur Erfriſchungen ein. Die Hofequipagen ſtanden ſchon vor dem Portal, in denen die Wirthe den hohen Gaſt nach Potsdam entführen wollten. Dort — wo Friedrich ſchläft — ſollte gewürfelt wer¬ den über das Loos der Zukunft. Die Hofequipagen rollten ſchon lange auf der gedielten Kunſtſtraße hin, die für eines der wunder¬ baren Prachtwerke der Königsſtadt galt, als die Officiere in den Conditorladen traten. So prächtig ihre Gala-Uniform, ſo beſcheiden ſah damals der Laden aus. Nichts von Gold und Mahagoni, nichts von Säulen und funkelndem Kryſtall. Auch glänzte das wenige Tageslicht, das durch die Colonnaden der

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/63>, abgerufen am 29.03.2024.