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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852.

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Mädchen verdirbt und der Junge auch, sonst hätten
sie auch nicht die Chocolate aufgetrunken, aber sie
lernen's von ihrem Vater, Gott straf mich, der kann
auch nichts stehen lassen, er muß in alles die Nase
stecken und kosten. Und die selige Frau Geheimräthin
werden vom Himmel runter sehn und's Ihnen lohnen.
Und handeln Sie an diesen Kleinen, wie sie --
o Gott! -- o Gott! -- an meinem Cousin gehandelt
haben."

Unter noch heftigerm Schluchzen flog die Thür
hinter ihr zu. Daß die kranken Kinder einstweilen bei der
Geheimräthin blieben, war eine Sache, die sich von
selbst verstand, denn der Arzt hatte schon erklärt,
sie dürften auf keinen Fall fortgeschafft werden.
Warum aber der Geheimrath nach einer Weile auf¬
sprang, und den Hut ergriff, um der Köchin nach¬
zueilen, blieb zweifelhafter. Er sagte, es geschehe,
um nachzusehen, damit die desperate Person nicht
sein Haus von oben zu unten kehre. Es gab indeß
in der Gesellschaft, die meinten, es wäre nur um
sein Mittagessen. In seinem Affect hatte er nicht
bedacht, daß sein Schicksal noch in Charlottens Hän¬
den ruhte.

Der Aufbruch war jetzt so allgemein, als die
Verstimmung. Walter empfing für seinen ehrerbieti¬
gen einen sehr kalten Gruß vom Kriegsrath Alltag;
die Kriegsräthin mußte in einer eignen Laune sein, denn
sie zupfte noch ihren Mann, warum er sich so lange auf¬
halte? Auch der Geheimräthin bewies sie lange nicht mehr

Mädchen verdirbt und der Junge auch, ſonſt hätten
ſie auch nicht die Chocolate aufgetrunken, aber ſie
lernen's von ihrem Vater, Gott ſtraf mich, der kann
auch nichts ſtehen laſſen, er muß in alles die Naſe
ſtecken und koſten. Und die ſelige Frau Geheimräthin
werden vom Himmel runter ſehn und's Ihnen lohnen.
Und handeln Sie an dieſen Kleinen, wie ſie —
o Gott! — o Gott! — an meinem Couſin gehandelt
haben.“

Unter noch heftigerm Schluchzen flog die Thür
hinter ihr zu. Daß die kranken Kinder einſtweilen bei der
Geheimräthin blieben, war eine Sache, die ſich von
ſelbſt verſtand, denn der Arzt hatte ſchon erklärt,
ſie dürften auf keinen Fall fortgeſchafft werden.
Warum aber der Geheimrath nach einer Weile auf¬
ſprang, und den Hut ergriff, um der Köchin nach¬
zueilen, blieb zweifelhafter. Er ſagte, es geſchehe,
um nachzuſehen, damit die deſperate Perſon nicht
ſein Haus von oben zu unten kehre. Es gab indeß
in der Geſellſchaft, die meinten, es wäre nur um
ſein Mittageſſen. In ſeinem Affect hatte er nicht
bedacht, daß ſein Schickſal noch in Charlottens Hän¬
den ruhte.

Der Aufbruch war jetzt ſo allgemein, als die
Verſtimmung. Walter empfing für ſeinen ehrerbieti¬
gen einen ſehr kalten Gruß vom Kriegsrath Alltag;
die Kriegsräthin mußte in einer eignen Laune ſein, denn
ſie zupfte noch ihren Mann, warum er ſich ſo lange auf¬
halte? Auch der Geheimräthin bewies ſie lange nicht mehr

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[32/0042] Mädchen verdirbt und der Junge auch, ſonſt hätten ſie auch nicht die Chocolate aufgetrunken, aber ſie lernen's von ihrem Vater, Gott ſtraf mich, der kann auch nichts ſtehen laſſen, er muß in alles die Naſe ſtecken und koſten. Und die ſelige Frau Geheimräthin werden vom Himmel runter ſehn und's Ihnen lohnen. Und handeln Sie an dieſen Kleinen, wie ſie — o Gott! — o Gott! — an meinem Couſin gehandelt haben.“ Unter noch heftigerm Schluchzen flog die Thür hinter ihr zu. Daß die kranken Kinder einſtweilen bei der Geheimräthin blieben, war eine Sache, die ſich von ſelbſt verſtand, denn der Arzt hatte ſchon erklärt, ſie dürften auf keinen Fall fortgeſchafft werden. Warum aber der Geheimrath nach einer Weile auf¬ ſprang, und den Hut ergriff, um der Köchin nach¬ zueilen, blieb zweifelhafter. Er ſagte, es geſchehe, um nachzuſehen, damit die deſperate Perſon nicht ſein Haus von oben zu unten kehre. Es gab indeß in der Geſellſchaft, die meinten, es wäre nur um ſein Mittageſſen. In ſeinem Affect hatte er nicht bedacht, daß ſein Schickſal noch in Charlottens Hän¬ den ruhte. Der Aufbruch war jetzt ſo allgemein, als die Verſtimmung. Walter empfing für ſeinen ehrerbieti¬ gen einen ſehr kalten Gruß vom Kriegsrath Alltag; die Kriegsräthin mußte in einer eignen Laune ſein, denn ſie zupfte noch ihren Mann, warum er ſich ſo lange auf¬ halte? Auch der Geheimräthin bewies ſie lange nicht mehr

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/42>, abgerufen am 29.03.2024.