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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852.

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der Haken ist, daß man nicht thut, was man könnte,
möchte, dürfte, und daß, was man weiß, die Er¬
kenntniß zu Schanden wird an der Gespensterfurcht
vor dem Entschluß."

"Ich gebe Ihnen ja alles zu, aber jetzt ist die
Volksstimme wie ein Strom, der seine Eisdecke bricht.
Die Wuth kennt keine Zügel mehr nach dieser Ent¬
täuschung. Alle Wuth ist blind, wollen Sie mir
einwerfen, aber diese ist intensiv und kritisch zugleich.
Das ist ein neues Symptom. Man fragt: Warum
mußte Haugwitz so lange zaudern? Warum reiste er
so langsam? Warum ließ er sich wie ein Junge in
Brünn behandeln? Warum wie eine petite femme,
die man bei der Schlacht nicht braucht, nach Wien
schicken? Was würde Friedrich zu solcher Vollstreckung
seiner Befehle gesagt haben? Seinen Kopf hätte es
einem solchen Abgesandten gekostet. Dem Grafen
wird es den Kopf nicht kosten, und man fragt schon
jetzt, warum? Man wird es immer dringender fragen.
Wie lautete sein Auftrag, der ihm so zu handeln
erlaubte? Warum reist er so langsam zurück, als er
langsam hingereist ist? Warum darf er blumenreiche
Zeitungsartikel in die auswärtigen Blätter senden,
die uns in den Wahn einlullen sollen, seine Mission
sei geglückt, er habe nur ausgerichtet, was sein König
ihm aufgetragen? Wer ist hier der Betrogene, wer
der Verräther? Klimpert französisches Geld in seiner
Tasche, oder ist er der stumme Dulder, der eines An¬
dern Schuld heroisch auf seine Schultern nimmt?

der Haken iſt, daß man nicht thut, was man könnte,
möchte, dürfte, und daß, was man weiß, die Er¬
kenntniß zu Schanden wird an der Geſpenſterfurcht
vor dem Entſchluß.“

„Ich gebe Ihnen ja alles zu, aber jetzt iſt die
Volksſtimme wie ein Strom, der ſeine Eisdecke bricht.
Die Wuth kennt keine Zügel mehr nach dieſer Ent¬
täuſchung. Alle Wuth iſt blind, wollen Sie mir
einwerfen, aber dieſe iſt intenſiv und kritiſch zugleich.
Das iſt ein neues Symptom. Man fragt: Warum
mußte Haugwitz ſo lange zaudern? Warum reiſte er
ſo langſam? Warum ließ er ſich wie ein Junge in
Brünn behandeln? Warum wie eine petite femme,
die man bei der Schlacht nicht braucht, nach Wien
ſchicken? Was würde Friedrich zu ſolcher Vollſtreckung
ſeiner Befehle geſagt haben? Seinen Kopf hätte es
einem ſolchen Abgeſandten gekoſtet. Dem Grafen
wird es den Kopf nicht koſten, und man fragt ſchon
jetzt, warum? Man wird es immer dringender fragen.
Wie lautete ſein Auftrag, der ihm ſo zu handeln
erlaubte? Warum reiſt er ſo langſam zurück, als er
langſam hingereiſt iſt? Warum darf er blumenreiche
Zeitungsartikel in die auswärtigen Blätter ſenden,
die uns in den Wahn einlullen ſollen, ſeine Miſſion
ſei geglückt, er habe nur ausgerichtet, was ſein König
ihm aufgetragen? Wer iſt hier der Betrogene, wer
der Verräther? Klimpert franzöſiſches Geld in ſeiner
Taſche, oder iſt er der ſtumme Dulder, der eines An¬
dern Schuld heroiſch auf ſeine Schultern nimmt?

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[292/0302] der Haken iſt, daß man nicht thut, was man könnte, möchte, dürfte, und daß, was man weiß, die Er¬ kenntniß zu Schanden wird an der Geſpenſterfurcht vor dem Entſchluß.“ „Ich gebe Ihnen ja alles zu, aber jetzt iſt die Volksſtimme wie ein Strom, der ſeine Eisdecke bricht. Die Wuth kennt keine Zügel mehr nach dieſer Ent¬ täuſchung. Alle Wuth iſt blind, wollen Sie mir einwerfen, aber dieſe iſt intenſiv und kritiſch zugleich. Das iſt ein neues Symptom. Man fragt: Warum mußte Haugwitz ſo lange zaudern? Warum reiſte er ſo langſam? Warum ließ er ſich wie ein Junge in Brünn behandeln? Warum wie eine petite femme, die man bei der Schlacht nicht braucht, nach Wien ſchicken? Was würde Friedrich zu ſolcher Vollſtreckung ſeiner Befehle geſagt haben? Seinen Kopf hätte es einem ſolchen Abgeſandten gekoſtet. Dem Grafen wird es den Kopf nicht koſten, und man fragt ſchon jetzt, warum? Man wird es immer dringender fragen. Wie lautete ſein Auftrag, der ihm ſo zu handeln erlaubte? Warum reiſt er ſo langſam zurück, als er langſam hingereiſt iſt? Warum darf er blumenreiche Zeitungsartikel in die auswärtigen Blätter ſenden, die uns in den Wahn einlullen ſollen, ſeine Miſſion ſei geglückt, er habe nur ausgerichtet, was ſein König ihm aufgetragen? Wer iſt hier der Betrogene, wer der Verräther? Klimpert franzöſiſches Geld in ſeiner Taſche, oder iſt er der ſtumme Dulder, der eines An¬ dern Schuld heroiſch auf ſeine Schultern nimmt?

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 292. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/302>, abgerufen am 24.04.2024.