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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852.

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"Hat sie Ihnen am Ende entführt," lachte
Wandel.

Ein Kammerdiener der Fürstin stand in der
Coulisse, um der Geheimräthin die Thatsache, nur
mit andern, schöneren Worten zu melden, und wenn sie
es für nöthig fände, die Kranke zu besuchen, das
ganze Hotel zu ihrer Disposition zu stellen. Ein
Zusatz lautete indeß, daß die Aerzte jeden Besuch
für lebensgefährlich beim Zustande der Kranken
erklärt.

Als die letzte Spiritusflamme auf dem Altar
aufzückte, ging die Geheimräthin an Wandels
Arm rasch fort. Sie standen am Ausgang. Links
führte der Weg zur Fürstin, rechts nach der Jäger¬
straße.

"Sie ist Ihnen entführt. Wollen Sie ihr nach¬
laufen? Mich dünkt, es ist heute genug Komödie
gespielt. Ueberlassen Sie das solchen, die zu nichts
Besserem taugen. Wozu einen Schmerz heucheln, den
Sie nicht empfinden. Mich dünkt, Sie könnten dem
Himmel danken, wenn Sie das Mädchen auf die
Weise wirklich los werden."

"Aber was wird die Welt sagen?"

"Die hat fürs erste anderes Spielzeug. Nachher
findet sich leicht eine plausible Fabel."

Die Geheimräthin ging nicht in das Hotel der
Fürstin.

Das Publikum drängte hinaus. "Herr Professor
Catel, sagte Merkel triumphirend, werden Sie uns

„Hat ſie Ihnen am Ende entführt,“ lachte
Wandel.

Ein Kammerdiener der Fürſtin ſtand in der
Couliſſe, um der Geheimräthin die Thatſache, nur
mit andern, ſchöneren Worten zu melden, und wenn ſie
es für nöthig fände, die Kranke zu beſuchen, das
ganze Hotel zu ihrer Dispoſition zu ſtellen. Ein
Zuſatz lautete indeß, daß die Aerzte jeden Beſuch
für lebensgefährlich beim Zuſtande der Kranken
erklärt.

Als die letzte Spiritusflamme auf dem Altar
aufzückte, ging die Geheimräthin an Wandels
Arm raſch fort. Sie ſtanden am Ausgang. Links
führte der Weg zur Fürſtin, rechts nach der Jäger¬
ſtraße.

„Sie iſt Ihnen entführt. Wollen Sie ihr nach¬
laufen? Mich dünkt, es iſt heute genug Komödie
geſpielt. Ueberlaſſen Sie das ſolchen, die zu nichts
Beſſerem taugen. Wozu einen Schmerz heucheln, den
Sie nicht empfinden. Mich dünkt, Sie könnten dem
Himmel danken, wenn Sie das Mädchen auf die
Weiſe wirklich los werden.“

„Aber was wird die Welt ſagen?“

„Die hat fürs erſte anderes Spielzeug. Nachher
findet ſich leicht eine plauſible Fabel.“

Die Geheimräthin ging nicht in das Hotel der
Fürſtin.

Das Publikum drängte hinaus. „Herr Profeſſor
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[284/0294] „Hat ſie Ihnen am Ende entführt,“ lachte Wandel. Ein Kammerdiener der Fürſtin ſtand in der Couliſſe, um der Geheimräthin die Thatſache, nur mit andern, ſchöneren Worten zu melden, und wenn ſie es für nöthig fände, die Kranke zu beſuchen, das ganze Hotel zu ihrer Dispoſition zu ſtellen. Ein Zuſatz lautete indeß, daß die Aerzte jeden Beſuch für lebensgefährlich beim Zuſtande der Kranken erklärt. Als die letzte Spiritusflamme auf dem Altar aufzückte, ging die Geheimräthin an Wandels Arm raſch fort. Sie ſtanden am Ausgang. Links führte der Weg zur Fürſtin, rechts nach der Jäger¬ ſtraße. „Sie iſt Ihnen entführt. Wollen Sie ihr nach¬ laufen? Mich dünkt, es iſt heute genug Komödie geſpielt. Ueberlaſſen Sie das ſolchen, die zu nichts Beſſerem taugen. Wozu einen Schmerz heucheln, den Sie nicht empfinden. Mich dünkt, Sie könnten dem Himmel danken, wenn Sie das Mädchen auf die Weiſe wirklich los werden.“ „Aber was wird die Welt ſagen?“ „Die hat fürs erſte anderes Spielzeug. Nachher findet ſich leicht eine plauſible Fabel.“ Die Geheimräthin ging nicht in das Hotel der Fürſtin. Das Publikum drängte hinaus. „Herr Profeſſor Catel, ſagte Merkel triumphirend, werden Sie uns

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/294>, abgerufen am 23.04.2024.