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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852.

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sich das Lamm in den Rachen des Löwen, der vom
Blute der Hunde träuft?" --

"Aber --"

"Wird, kann, darf Preußen jetzt losgehen? Das
frage ich Sie, und es bedarf nicht Ihres Scharfblicks,
um ein entschiedenes Nein zu antworten. Selbst
wenn diese Mannequins nicht am Ruder säßen, ein
entschlossener, zornsprühender König auf dem Throne
-- jetzt wäre es Thorheit -- Thorheit ist Alles --
aber es wäre mehr als das -- Verbrechen, Wahn¬
sinn -- es ist eine Unmöglichkeit."

"Doch Napoleon könnte --"

"Aber wird nicht. Er ist zu vorsichtig, um die
Verzweiflung herauszufordern, und zu geschwächt durch
solchen Sieg, um auf einen gerüsteten Staat sich zu
werfen; zu klug, um nicht andre Vortheile von
einem Feinde zu erpressen, der die Dummheit hat,
an einem politischen Gewissen zu laboriren, und das
Unglück, daß es ihn drückt. Wenn der Löwe satt vom Blut
ist, läßt er die Lämmer weiden, und spielt auch mit
ihnen, daß sie zutraulich werden, bis er wieder
Hunger bekommt. So weit dürfen wir nicht rechnen."

"Es wird dunkel!" rief die Geheimräthin; man
fing an die Lampen auszulöschen. -- "Mein Gott,
wo ist Adelheid?"

Der Wachtmeister aus Wallensteins Lager war
ihr entgegen getreten. "Beruhigen Sie sich, Madame.
Die Demoiselle ist in sichrer Obhut fortgebracht, die
Frau Fürstin Gargazin --"

ſich das Lamm in den Rachen des Löwen, der vom
Blute der Hunde träuft?“ —

„Aber —“

„Wird, kann, darf Preußen jetzt losgehen? Das
frage ich Sie, und es bedarf nicht Ihres Scharfblicks,
um ein entſchiedenes Nein zu antworten. Selbſt
wenn dieſe Mannequins nicht am Ruder ſäßen, ein
entſchloſſener, zornſprühender König auf dem Throne
— jetzt wäre es Thorheit — Thorheit iſt Alles —
aber es wäre mehr als das — Verbrechen, Wahn¬
ſinn — es iſt eine Unmöglichkeit.“

„Doch Napoleon könnte —“

„Aber wird nicht. Er iſt zu vorſichtig, um die
Verzweiflung herauszufordern, und zu geſchwächt durch
ſolchen Sieg, um auf einen gerüſteten Staat ſich zu
werfen; zu klug, um nicht andre Vortheile von
einem Feinde zu erpreſſen, der die Dummheit hat,
an einem politiſchen Gewiſſen zu laboriren, und das
Unglück, daß es ihn drückt. Wenn der Löwe ſatt vom Blut
iſt, läßt er die Lämmer weiden, und ſpielt auch mit
ihnen, daß ſie zutraulich werden, bis er wieder
Hunger bekommt. So weit dürfen wir nicht rechnen.“

„Es wird dunkel!“ rief die Geheimräthin; man
fing an die Lampen auszulöſchen. — „Mein Gott,
wo iſt Adelheid?“

Der Wachtmeiſter aus Wallenſteins Lager war
ihr entgegen getreten. „Beruhigen Sie ſich, Madame.
Die Demoiſelle iſt in ſichrer Obhut fortgebracht, die
Frau Fürſtin Gargazin —“

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[283/0293] ſich das Lamm in den Rachen des Löwen, der vom Blute der Hunde träuft?“ — „Aber —“ „Wird, kann, darf Preußen jetzt losgehen? Das frage ich Sie, und es bedarf nicht Ihres Scharfblicks, um ein entſchiedenes Nein zu antworten. Selbſt wenn dieſe Mannequins nicht am Ruder ſäßen, ein entſchloſſener, zornſprühender König auf dem Throne — jetzt wäre es Thorheit — Thorheit iſt Alles — aber es wäre mehr als das — Verbrechen, Wahn¬ ſinn — es iſt eine Unmöglichkeit.“ „Doch Napoleon könnte —“ „Aber wird nicht. Er iſt zu vorſichtig, um die Verzweiflung herauszufordern, und zu geſchwächt durch ſolchen Sieg, um auf einen gerüſteten Staat ſich zu werfen; zu klug, um nicht andre Vortheile von einem Feinde zu erpreſſen, der die Dummheit hat, an einem politiſchen Gewiſſen zu laboriren, und das Unglück, daß es ihn drückt. Wenn der Löwe ſatt vom Blut iſt, läßt er die Lämmer weiden, und ſpielt auch mit ihnen, daß ſie zutraulich werden, bis er wieder Hunger bekommt. So weit dürfen wir nicht rechnen.“ „Es wird dunkel!“ rief die Geheimräthin; man fing an die Lampen auszulöſchen. — „Mein Gott, wo iſt Adelheid?“ Der Wachtmeiſter aus Wallenſteins Lager war ihr entgegen getreten. „Beruhigen Sie ſich, Madame. Die Demoiſelle iſt in ſichrer Obhut fortgebracht, die Frau Fürſtin Gargazin —“

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/293>, abgerufen am 28.03.2024.