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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852.

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die weiten Räume aber brauste es: "Hurra! --
Victoria!" -- "Kränzt den Siegesboten!" rief die
Fürstin, die Treppe herauf steigend. "Kränzt ihn!"
wiederholten weibliche Stimmen.

Die Kränze waren da, aber das Publikum
wollte vorher den ganzen Freudenbecher ausgeschüttet
wissen: "Sein Heer -- wo ist sein Heer?"

"Fragt die Erynnien! -- Eine Blutlache --"

Diese Worte konnte man auf dem entferntesten
Amphitheater verstehen, so scharf schnitten sie durch
die Luft, doch ohne den sonoren Metallklang von
vorhin. Dann hörte man einen Fall, einen Schrei
der Umstehenden, Töne des Jammers, Einige wollten
ein Auflachen gehört haben. Sehen, was vorge¬
fallen, konnten natürlich nur die Nächststehenden;
indem man, um zu sehen, herandrängte, verbarg man
die betreffenden Personen. Von Mund zu Munde
ging es, der Bote der Siegeskunde war am Altar
des Vaterlandes niedergesunken, aber mit voller Ehre.
Ein junges Mädchen, schön wie keine in Fiebergluth,
hatte sich mit dem Kranz über ihn erhoben, aber als
sie ihm denselben auf die Stirn drückte, als er ihre
Hand ergriff, stürzte es ihm aus dem Munde, ein
rother Blutquell, und er war hingesunken, ohne die
Hand loszulassen.


die weiten Räume aber brauſte es: „Hurra! —
Victoria!“ — „Kränzt den Siegesboten!“ rief die
Fürſtin, die Treppe herauf ſteigend. „Kränzt ihn!“
wiederholten weibliche Stimmen.

Die Kränze waren da, aber das Publikum
wollte vorher den ganzen Freudenbecher ausgeſchüttet
wiſſen: „Sein Heer — wo iſt ſein Heer?“

„Fragt die Erynnien! — Eine Blutlache —“

Dieſe Worte konnte man auf dem entfernteſten
Amphitheater verſtehen, ſo ſcharf ſchnitten ſie durch
die Luft, doch ohne den ſonoren Metallklang von
vorhin. Dann hörte man einen Fall, einen Schrei
der Umſtehenden, Töne des Jammers, Einige wollten
ein Auflachen gehört haben. Sehen, was vorge¬
fallen, konnten natürlich nur die Nächſtſtehenden;
indem man, um zu ſehen, herandrängte, verbarg man
die betreffenden Perſonen. Von Mund zu Munde
ging es, der Bote der Siegeskunde war am Altar
des Vaterlandes niedergeſunken, aber mit voller Ehre.
Ein junges Mädchen, ſchön wie keine in Fiebergluth,
hatte ſich mit dem Kranz über ihn erhoben, aber als
ſie ihm denſelben auf die Stirn drückte, als er ihre
Hand ergriff, ſtürzte es ihm aus dem Munde, ein
rother Blutquell, und er war hingeſunken, ohne die
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[271/0281] die weiten Räume aber brauſte es: „Hurra! — Victoria!“ — „Kränzt den Siegesboten!“ rief die Fürſtin, die Treppe herauf ſteigend. „Kränzt ihn!“ wiederholten weibliche Stimmen. Die Kränze waren da, aber das Publikum wollte vorher den ganzen Freudenbecher ausgeſchüttet wiſſen: „Sein Heer — wo iſt ſein Heer?“ „Fragt die Erynnien! — Eine Blutlache —“ Dieſe Worte konnte man auf dem entfernteſten Amphitheater verſtehen, ſo ſcharf ſchnitten ſie durch die Luft, doch ohne den ſonoren Metallklang von vorhin. Dann hörte man einen Fall, einen Schrei der Umſtehenden, Töne des Jammers, Einige wollten ein Auflachen gehört haben. Sehen, was vorge¬ fallen, konnten natürlich nur die Nächſtſtehenden; indem man, um zu ſehen, herandrängte, verbarg man die betreffenden Perſonen. Von Mund zu Munde ging es, der Bote der Siegeskunde war am Altar des Vaterlandes niedergeſunken, aber mit voller Ehre. Ein junges Mädchen, ſchön wie keine in Fiebergluth, hatte ſich mit dem Kranz über ihn erhoben, aber als ſie ihm denſelben auf die Stirn drückte, als er ihre Hand ergriff, ſtürzte es ihm aus dem Munde, ein rother Blutquell, und er war hingeſunken, ohne die Hand loszulaſſen.

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/281>, abgerufen am 19.04.2024.