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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852.

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selbst der Träger der erwünschten Nachrichten. Ich
habe vergebens draußen schon gegen die Auszeichnung
protestirt, aber man hört mich ja nicht. Meine De¬
pechen vom Minister Haugwitz enthalten nichts, noch
können sie etwas von der Nachricht enthalten, die
Sie, die wir alle wünschen, daß sie auf Wahrheit
beruhe. Meine Depechen, wie meine eigne Kenntniß
der Dinge, sind von Wien, von weit älterem Datum.
Ich wußte mich, um nicht aufgefangen zu werden,
auf Nebenwegen durchzuschlagen, ich mußte weite Um¬
wege machen, und ich wiederhole Ihnen, daß es nur
ein Gerücht ist, was ich an der sächsischen Gränze
zuerst hörte. Was verlangen Sie von mir, daß ich
es hier öffentlich mache! Ich kann nichts sagen, als
daß ich von andern gehört, was diese wieder gehört."

Die in den Logen und dem hintern Parterre
hatten natürlich nichts von dieser Protestation gehört.
Unisono schrie, tobte, forderte man, daß der Courier
laut spreche; was hier gut sei, müsse es für alle
sein. "Hier sind keine Verräther! Keine Spione." --
"Auf das Proscenium!" -- "Sie müssen jetzt, Bo¬
villard, rief Jemand, der ihn kannte, oder man läßt
es uns entgelten."

Der Erschöpfte ward von zwei Männern unter
den Arm gefaßt und auf die Bretter fast hinauf ge¬
rissen. Uebrigens herrschte kaum ein Unterschied mehr
zwischen der Bühne und dem Zuschauerraum. Selbst
von den angesehensten Damen standen schon mehre
auf der ersteren. Schauspieler hatten einen Altar

ſelbſt der Träger der erwünſchten Nachrichten. Ich
habe vergebens draußen ſchon gegen die Auszeichnung
proteſtirt, aber man hört mich ja nicht. Meine De¬
pechen vom Miniſter Haugwitz enthalten nichts, noch
können ſie etwas von der Nachricht enthalten, die
Sie, die wir alle wünſchen, daß ſie auf Wahrheit
beruhe. Meine Depechen, wie meine eigne Kenntniß
der Dinge, ſind von Wien, von weit älterem Datum.
Ich wußte mich, um nicht aufgefangen zu werden,
auf Nebenwegen durchzuſchlagen, ich mußte weite Um¬
wege machen, und ich wiederhole Ihnen, daß es nur
ein Gerücht iſt, was ich an der ſächſiſchen Gränze
zuerſt hörte. Was verlangen Sie von mir, daß ich
es hier öffentlich mache! Ich kann nichts ſagen, als
daß ich von andern gehört, was dieſe wieder gehört.“

Die in den Logen und dem hintern Parterre
hatten natürlich nichts von dieſer Proteſtation gehört.
Uniſono ſchrie, tobte, forderte man, daß der Courier
laut ſpreche; was hier gut ſei, müſſe es für alle
ſein. „Hier ſind keine Verräther! Keine Spione.“ —
„Auf das Proſcenium!“ — „Sie müſſen jetzt, Bo¬
villard, rief Jemand, der ihn kannte, oder man läßt
es uns entgelten.“

Der Erſchöpfte ward von zwei Männern unter
den Arm gefaßt und auf die Bretter faſt hinauf ge¬
riſſen. Uebrigens herrſchte kaum ein Unterſchied mehr
zwiſchen der Bühne und dem Zuſchauerraum. Selbſt
von den angeſehenſten Damen ſtanden ſchon mehre
auf der erſteren. Schauſpieler hatten einen Altar

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[269/0279] ſelbſt der Träger der erwünſchten Nachrichten. Ich habe vergebens draußen ſchon gegen die Auszeichnung proteſtirt, aber man hört mich ja nicht. Meine De¬ pechen vom Miniſter Haugwitz enthalten nichts, noch können ſie etwas von der Nachricht enthalten, die Sie, die wir alle wünſchen, daß ſie auf Wahrheit beruhe. Meine Depechen, wie meine eigne Kenntniß der Dinge, ſind von Wien, von weit älterem Datum. Ich wußte mich, um nicht aufgefangen zu werden, auf Nebenwegen durchzuſchlagen, ich mußte weite Um¬ wege machen, und ich wiederhole Ihnen, daß es nur ein Gerücht iſt, was ich an der ſächſiſchen Gränze zuerſt hörte. Was verlangen Sie von mir, daß ich es hier öffentlich mache! Ich kann nichts ſagen, als daß ich von andern gehört, was dieſe wieder gehört.“ Die in den Logen und dem hintern Parterre hatten natürlich nichts von dieſer Proteſtation gehört. Uniſono ſchrie, tobte, forderte man, daß der Courier laut ſpreche; was hier gut ſei, müſſe es für alle ſein. „Hier ſind keine Verräther! Keine Spione.“ — „Auf das Proſcenium!“ — „Sie müſſen jetzt, Bo¬ villard, rief Jemand, der ihn kannte, oder man läßt es uns entgelten.“ Der Erſchöpfte ward von zwei Männern unter den Arm gefaßt und auf die Bretter faſt hinauf ge¬ riſſen. Uebrigens herrſchte kaum ein Unterſchied mehr zwiſchen der Bühne und dem Zuſchauerraum. Selbſt von den angeſehenſten Damen ſtanden ſchon mehre auf der erſteren. Schauſpieler hatten einen Altar

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/279>, abgerufen am 25.04.2024.