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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852.

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doch das Gescheidteste!" flüsterte Wandel der Geheim¬
räthin zu. Sie blickte ihn fragend an. "Sie be¬
zweifeln, daß ich als Ihr Freund spreche. Mein Rath
sollte Ihnen beweisen, daß ich es bin. Ich sage nicht,
daß Sie eine Natter sich im Busen erzogen haben,
aber in dem Mädchen ist etwas Dämonisches. Bil¬
dete sie sich nach Ihnen? Schlug nur einer Ihrer
Rathschläge an? Sie müssen sich gestehen, daß das
Mädchen unberührt blieb, gleichviel ob im Guten
oder Bösen. Aber Sie sind nicht mehr Herrin Ihrer
selbst, seit dieses Gewicht an Ihnen hängt, ihr kluges
Auge, ihr scharfes Ohr Ihre Schritte und Tritte, ich
möchte sagen, Ihre Gedanken belauscht. Fast erkenne
ich meine stolze, sichere Freundin nicht wieder, wenn
ich die Rücksichten sehe, die sie auf ein in jeder Be¬
ziehung untergeordnetes Wesen nimmt. Aber sie ist
nicht, sie kann nicht untergeordnet sein ihrer Natur
nach, das ist eben das Dämonische, was ein frei
denkendes Wesen nicht neben sich dulden dürfte. Bringt
sie nicht Unglück in jedes Haus, in das sie tritt!
Dort -- hier. Ueberrechnen Sie die Verlegenheiten,
in die Ihre Güte gegen Adelheid Sie gestürzt, und
ziehen Sie den Schluß, welches von beiden Uebeln
größer ist, daß die Welt wieder einmal acht Tage
über Sie lästert, oder -- daß Sie frei, Sie selbst wieder
sind. Wählen Sie das Kleinere, und ergreifen die
erste Gelegenheit."

Die Ouverture schloß mit Anklängen aus dem
Dessauer Marsch.

doch das Geſcheidteſte!“ flüſterte Wandel der Geheim¬
räthin zu. Sie blickte ihn fragend an. „Sie be¬
zweifeln, daß ich als Ihr Freund ſpreche. Mein Rath
ſollte Ihnen beweiſen, daß ich es bin. Ich ſage nicht,
daß Sie eine Natter ſich im Buſen erzogen haben,
aber in dem Mädchen iſt etwas Dämoniſches. Bil¬
dete ſie ſich nach Ihnen? Schlug nur einer Ihrer
Rathſchläge an? Sie müſſen ſich geſtehen, daß das
Mädchen unberührt blieb, gleichviel ob im Guten
oder Böſen. Aber Sie ſind nicht mehr Herrin Ihrer
ſelbſt, ſeit dieſes Gewicht an Ihnen hängt, ihr kluges
Auge, ihr ſcharfes Ohr Ihre Schritte und Tritte, ich
möchte ſagen, Ihre Gedanken belauſcht. Faſt erkenne
ich meine ſtolze, ſichere Freundin nicht wieder, wenn
ich die Rückſichten ſehe, die ſie auf ein in jeder Be¬
ziehung untergeordnetes Weſen nimmt. Aber ſie iſt
nicht, ſie kann nicht untergeordnet ſein ihrer Natur
nach, das iſt eben das Dämoniſche, was ein frei
denkendes Weſen nicht neben ſich dulden dürfte. Bringt
ſie nicht Unglück in jedes Haus, in das ſie tritt!
Dort — hier. Ueberrechnen Sie die Verlegenheiten,
in die Ihre Güte gegen Adelheid Sie geſtürzt, und
ziehen Sie den Schluß, welches von beiden Uebeln
größer iſt, daß die Welt wieder einmal acht Tage
über Sie läſtert, oder — daß Sie frei, Sie ſelbſt wieder
ſind. Wählen Sie das Kleinere, und ergreifen die
erſte Gelegenheit.“

Die Ouverture ſchloß mit Anklängen aus dem
Deſſauer Marſch.

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[254/0264] doch das Geſcheidteſte!“ flüſterte Wandel der Geheim¬ räthin zu. Sie blickte ihn fragend an. „Sie be¬ zweifeln, daß ich als Ihr Freund ſpreche. Mein Rath ſollte Ihnen beweiſen, daß ich es bin. Ich ſage nicht, daß Sie eine Natter ſich im Buſen erzogen haben, aber in dem Mädchen iſt etwas Dämoniſches. Bil¬ dete ſie ſich nach Ihnen? Schlug nur einer Ihrer Rathſchläge an? Sie müſſen ſich geſtehen, daß das Mädchen unberührt blieb, gleichviel ob im Guten oder Böſen. Aber Sie ſind nicht mehr Herrin Ihrer ſelbſt, ſeit dieſes Gewicht an Ihnen hängt, ihr kluges Auge, ihr ſcharfes Ohr Ihre Schritte und Tritte, ich möchte ſagen, Ihre Gedanken belauſcht. Faſt erkenne ich meine ſtolze, ſichere Freundin nicht wieder, wenn ich die Rückſichten ſehe, die ſie auf ein in jeder Be¬ ziehung untergeordnetes Weſen nimmt. Aber ſie iſt nicht, ſie kann nicht untergeordnet ſein ihrer Natur nach, das iſt eben das Dämoniſche, was ein frei denkendes Weſen nicht neben ſich dulden dürfte. Bringt ſie nicht Unglück in jedes Haus, in das ſie tritt! Dort — hier. Ueberrechnen Sie die Verlegenheiten, in die Ihre Güte gegen Adelheid Sie geſtürzt, und ziehen Sie den Schluß, welches von beiden Uebeln größer iſt, daß die Welt wieder einmal acht Tage über Sie läſtert, oder — daß Sie frei, Sie ſelbſt wieder ſind. Wählen Sie das Kleinere, und ergreifen die erſte Gelegenheit.“ Die Ouverture ſchloß mit Anklängen aus dem Deſſauer Marſch.

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/264>, abgerufen am 29.03.2024.