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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852.

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Sie hatte ihm geschrieben, ihn zu sich geladen. Und
statt zu kommen --"

"Sah sie ihn an der Seite eines hübschen Mäd¬
chens, dem er viele Aufmerksamkeit erwies."

"Ist das nicht Grund genug, Herr Legations¬
rath?"

Wandel zuckte die Achseln: "Unter andern Ver¬
hältnissen. Erlauben Sie mir indeß zu glauben, daß
es hier kein Grund ist. Doch bin ich beruhigt, und
verzeihen Sie, wenn ich es vorhin nicht schien. Das
erste Gesetz der Wissenden; meine Freundin, ist, sich
zu hüten vor dem Unnöthigen, wo das Nothwendige
schon unsere ganze Geisteskraft beansprucht. Wir dür¬
fen nicht spielen mit den Dämonen, wie diese hier
thun; sie vertragen es nicht. Sie gehorchen uns nur,
wenn wir das eiserne Auge nie von ihnen lassen und
mit einem Stahlarm sie pressen -- auf das Noth¬
wendige hin. Von Phantasten und Jongleurs reißen
sie sich los, und schlagen sie mit den zerrissenen
Fesseln nieder."

Im Theater ward es laut. Ein Theil des
Publikums schien durch Summen und Singen die
kriegerischen Töne der Ouverture zu accompagniren.

"Mein Gott, -- wenn sie doch jetzt -- wir
versäumen etwas!" rief die Lupinus, es war aber
nicht das Verlangen, nach dem Theater zurück zu
kehren.

"Wie sanft sie athmet!" sagte die Fürstin.

"Debarrassiren Sie sich von ihr. Es ist am Ende

Sie hatte ihm geſchrieben, ihn zu ſich geladen. Und
ſtatt zu kommen —“

„Sah ſie ihn an der Seite eines hübſchen Mäd¬
chens, dem er viele Aufmerkſamkeit erwies.“

„Iſt das nicht Grund genug, Herr Legations¬
rath?“

Wandel zuckte die Achſeln: „Unter andern Ver¬
hältniſſen. Erlauben Sie mir indeß zu glauben, daß
es hier kein Grund iſt. Doch bin ich beruhigt, und
verzeihen Sie, wenn ich es vorhin nicht ſchien. Das
erſte Geſetz der Wiſſenden; meine Freundin, iſt, ſich
zu hüten vor dem Unnöthigen, wo das Nothwendige
ſchon unſere ganze Geiſteskraft beanſprucht. Wir dür¬
fen nicht ſpielen mit den Dämonen, wie dieſe hier
thun; ſie vertragen es nicht. Sie gehorchen uns nur,
wenn wir das eiſerne Auge nie von ihnen laſſen und
mit einem Stahlarm ſie preſſen — auf das Noth¬
wendige hin. Von Phantaſten und Jongleurs reißen
ſie ſich los, und ſchlagen ſie mit den zerriſſenen
Feſſeln nieder.“

Im Theater ward es laut. Ein Theil des
Publikums ſchien durch Summen und Singen die
kriegeriſchen Töne der Ouverture zu accompagniren.

„Mein Gott, — wenn ſie doch jetzt — wir
verſäumen etwas!“ rief die Lupinus, es war aber
nicht das Verlangen, nach dem Theater zurück zu
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„Wie ſanft ſie athmet!“ ſagte die Fürſtin.

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[253/0263] Sie hatte ihm geſchrieben, ihn zu ſich geladen. Und ſtatt zu kommen —“ „Sah ſie ihn an der Seite eines hübſchen Mäd¬ chens, dem er viele Aufmerkſamkeit erwies.“ „Iſt das nicht Grund genug, Herr Legations¬ rath?“ Wandel zuckte die Achſeln: „Unter andern Ver¬ hältniſſen. Erlauben Sie mir indeß zu glauben, daß es hier kein Grund iſt. Doch bin ich beruhigt, und verzeihen Sie, wenn ich es vorhin nicht ſchien. Das erſte Geſetz der Wiſſenden; meine Freundin, iſt, ſich zu hüten vor dem Unnöthigen, wo das Nothwendige ſchon unſere ganze Geiſteskraft beanſprucht. Wir dür¬ fen nicht ſpielen mit den Dämonen, wie dieſe hier thun; ſie vertragen es nicht. Sie gehorchen uns nur, wenn wir das eiſerne Auge nie von ihnen laſſen und mit einem Stahlarm ſie preſſen — auf das Noth¬ wendige hin. Von Phantaſten und Jongleurs reißen ſie ſich los, und ſchlagen ſie mit den zerriſſenen Feſſeln nieder.“ Im Theater ward es laut. Ein Theil des Publikums ſchien durch Summen und Singen die kriegeriſchen Töne der Ouverture zu accompagniren. „Mein Gott, — wenn ſie doch jetzt — wir verſäumen etwas!“ rief die Lupinus, es war aber nicht das Verlangen, nach dem Theater zurück zu kehren. „Wie ſanft ſie athmet!“ ſagte die Fürſtin. „Debarraſſiren Sie ſich von ihr. Es iſt am Ende

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/263>, abgerufen am 23.04.2024.