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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852.

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und da käme ein lieber Sohn, oder Commis von
einem Geschäftsfreunde, den ich zum Teufel wünsche,
um sich mir zu präsentiren und mir Freundschafts¬
versicherungen zu machen, oder mir guten Rath zu
geben, wie ich mit den Juden handeln soll, glaubst
Du, daß ich solchen ungelegenen Gast anhörte? --
Ich schmisse ihn zur Thür raus. Nein, Napoleon
war höflicher, sagte zu ihm: Lieber, jetzt habe ich
keine Zeit, gehn Sie nach Wien, und warten bis ich
Zeit habe, dann wollen wir sprechen."

"Und Haugwitz schüttelte nicht die Toga! Er
ließ nicht die zwei Mal hundert tausend Bajonette
zwischen seinen Drohworten klirren."

"Drohworte! Er ist ja ein feiner, gebildeter
Mann!"

"Aber sein Auftrag --"

"Kennst Du den? Ich kenne ihn nicht. Es
werden hier nicht Zehn, nicht Drei sein, die ihn
kennen. So viel man uns schreibt, sprach er als
ein tief gekränkter Freund, daß Napoleon die guten
wohlmeinenden Rathschläge, die Preußen ihm gegeben,
so außer Acht gelassen. O ich zweifle gar nicht, er
wird sehr sanft und elegant gesprochen haben -- schade,
sehr schade, daß Napoleon gerade nicht den Ossian las,
sondern sich die Reiterstiefel anzog."

Walter war auf einen Stuhl gesunken und barg
sein Gesicht im Arme. Als der Vater den Seufzer
hörte, den er unterdrücken wollte, stand er leise auf
und berührte sanft die Schulter des Sohnes:

und da käme ein lieber Sohn, oder Commis von
einem Geſchäftsfreunde, den ich zum Teufel wünſche,
um ſich mir zu präſentiren und mir Freundſchafts¬
verſicherungen zu machen, oder mir guten Rath zu
geben, wie ich mit den Juden handeln ſoll, glaubſt
Du, daß ich ſolchen ungelegenen Gaſt anhörte? —
Ich ſchmiſſe ihn zur Thür raus. Nein, Napoleon
war höflicher, ſagte zu ihm: Lieber, jetzt habe ich
keine Zeit, gehn Sie nach Wien, und warten bis ich
Zeit habe, dann wollen wir ſprechen.“

„Und Haugwitz ſchüttelte nicht die Toga! Er
ließ nicht die zwei Mal hundert tauſend Bajonette
zwiſchen ſeinen Drohworten klirren.“

„Drohworte! Er iſt ja ein feiner, gebildeter
Mann!“

„Aber ſein Auftrag —“

„Kennſt Du den? Ich kenne ihn nicht. Es
werden hier nicht Zehn, nicht Drei ſein, die ihn
kennen. So viel man uns ſchreibt, ſprach er als
ein tief gekränkter Freund, daß Napoleon die guten
wohlmeinenden Rathſchläge, die Preußen ihm gegeben,
ſo außer Acht gelaſſen. O ich zweifle gar nicht, er
wird ſehr ſanft und elegant geſprochen haben — ſchade,
ſehr ſchade, daß Napoleon gerade nicht den Oſſian las,
ſondern ſich die Reiterſtiefel anzog.“

Walter war auf einen Stuhl geſunken und barg
ſein Geſicht im Arme. Als der Vater den Seufzer
hörte, den er unterdrücken wollte, ſtand er leiſe auf
und berührte ſanft die Schulter des Sohnes:

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[228/0238] und da käme ein lieber Sohn, oder Commis von einem Geſchäftsfreunde, den ich zum Teufel wünſche, um ſich mir zu präſentiren und mir Freundſchafts¬ verſicherungen zu machen, oder mir guten Rath zu geben, wie ich mit den Juden handeln ſoll, glaubſt Du, daß ich ſolchen ungelegenen Gaſt anhörte? — Ich ſchmiſſe ihn zur Thür raus. Nein, Napoleon war höflicher, ſagte zu ihm: Lieber, jetzt habe ich keine Zeit, gehn Sie nach Wien, und warten bis ich Zeit habe, dann wollen wir ſprechen.“ „Und Haugwitz ſchüttelte nicht die Toga! Er ließ nicht die zwei Mal hundert tauſend Bajonette zwiſchen ſeinen Drohworten klirren.“ „Drohworte! Er iſt ja ein feiner, gebildeter Mann!“ „Aber ſein Auftrag —“ „Kennſt Du den? Ich kenne ihn nicht. Es werden hier nicht Zehn, nicht Drei ſein, die ihn kennen. So viel man uns ſchreibt, ſprach er als ein tief gekränkter Freund, daß Napoleon die guten wohlmeinenden Rathſchläge, die Preußen ihm gegeben, ſo außer Acht gelaſſen. O ich zweifle gar nicht, er wird ſehr ſanft und elegant geſprochen haben — ſchade, ſehr ſchade, daß Napoleon gerade nicht den Oſſian las, ſondern ſich die Reiterſtiefel anzog.“ Walter war auf einen Stuhl geſunken und barg ſein Geſicht im Arme. Als der Vater den Seufzer hörte, den er unterdrücken wollte, ſtand er leiſe auf und berührte ſanft die Schulter des Sohnes:

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/238>, abgerufen am 29.03.2024.