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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852.

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auch nur zum Nothwendigsten. Ja wären wir wie
in England. --"

"Keine Neuerungen! unterbrachen ihn beide
Collegen wie im Chorus, mit einer Bewegung, als
wollten sie sich die Ohren zuhalten. Und Neuerungen
in diesem gefährlichen Augenblick, liebster College
Büsching!"

"Und wann denn! sagte der College mit Ruhe.
Weiß denn Einer von uns, was uns die nächste
Zeit bringt! Jetzt ziehen wir ins Feld, vielleicht
auch nicht; aber beendet, meine werthen Collegen,
ist, auch im glücklichsten Falle, damit die Sache nicht.
Gesetzt, was ich aus Herzensgrunde wünsche und glaube,
wir schlagen ihn; damit haben wir ihn nicht über¬
wunden. Dies Frankreich hat in seinem größten
Elend, und immer im Augenblick, wo wir es für
ganz vernichtet hielten, wunderbar neue Kräfte aus
sich selbst entwickelt. Es kommt keiner gegen es auf,
wenn er nicht auch Neues in sich findet, sich aus
sich selbst herausspinnt."

"Aber der Bürger, liebster Büsching, was soll
der damit! Wenn der erst suchen soll, was dem
Staate noth thut, ist die Verwirrung voll."

"Er weiß sich in den kleinsten, eigenen Angelegen¬
heiten nicht zu helfen, setzte der andere hinzu. Ein
Spiel in den Händen der Advocaten, möchte er
doch noch in der einfachsten Schuld- oder Hypotheken¬
sache von jedem Rath haben. Und er sollte Rath
geben!"

auch nur zum Nothwendigſten. Ja wären wir wie
in England. —“

„Keine Neuerungen! unterbrachen ihn beide
Collegen wie im Chorus, mit einer Bewegung, als
wollten ſie ſich die Ohren zuhalten. Und Neuerungen
in dieſem gefährlichen Augenblick, liebſter College
Büſching!“

„Und wann denn! ſagte der College mit Ruhe.
Weiß denn Einer von uns, was uns die nächſte
Zeit bringt! Jetzt ziehen wir ins Feld, vielleicht
auch nicht; aber beendet, meine werthen Collegen,
iſt, auch im glücklichſten Falle, damit die Sache nicht.
Geſetzt, was ich aus Herzensgrunde wünſche und glaube,
wir ſchlagen ihn; damit haben wir ihn nicht über¬
wunden. Dies Frankreich hat in ſeinem größten
Elend, und immer im Augenblick, wo wir es für
ganz vernichtet hielten, wunderbar neue Kräfte aus
ſich ſelbſt entwickelt. Es kommt keiner gegen es auf,
wenn er nicht auch Neues in ſich findet, ſich aus
ſich ſelbſt herausſpinnt.“

„Aber der Bürger, liebſter Büſching, was ſoll
der damit! Wenn der erſt ſuchen ſoll, was dem
Staate noth thut, iſt die Verwirrung voll.“

„Er weiß ſich in den kleinſten, eigenen Angelegen¬
heiten nicht zu helfen, ſetzte der andere hinzu. Ein
Spiel in den Händen der Advocaten, möchte er
doch noch in der einfachſten Schuld- oder Hypotheken¬
ſache von jedem Rath haben. Und er ſollte Rath
geben!“

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[191/0201] auch nur zum Nothwendigſten. Ja wären wir wie in England. —“ „Keine Neuerungen! unterbrachen ihn beide Collegen wie im Chorus, mit einer Bewegung, als wollten ſie ſich die Ohren zuhalten. Und Neuerungen in dieſem gefährlichen Augenblick, liebſter College Büſching!“ „Und wann denn! ſagte der College mit Ruhe. Weiß denn Einer von uns, was uns die nächſte Zeit bringt! Jetzt ziehen wir ins Feld, vielleicht auch nicht; aber beendet, meine werthen Collegen, iſt, auch im glücklichſten Falle, damit die Sache nicht. Geſetzt, was ich aus Herzensgrunde wünſche und glaube, wir ſchlagen ihn; damit haben wir ihn nicht über¬ wunden. Dies Frankreich hat in ſeinem größten Elend, und immer im Augenblick, wo wir es für ganz vernichtet hielten, wunderbar neue Kräfte aus ſich ſelbſt entwickelt. Es kommt keiner gegen es auf, wenn er nicht auch Neues in ſich findet, ſich aus ſich ſelbſt herausſpinnt.“ „Aber der Bürger, liebſter Büſching, was ſoll der damit! Wenn der erſt ſuchen ſoll, was dem Staate noth thut, iſt die Verwirrung voll.“ „Er weiß ſich in den kleinſten, eigenen Angelegen¬ heiten nicht zu helfen, ſetzte der andere hinzu. Ein Spiel in den Händen der Advocaten, möchte er doch noch in der einfachſten Schuld- oder Hypotheken¬ ſache von jedem Rath haben. Und er ſollte Rath geben!“

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/201>, abgerufen am 28.03.2024.