Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

"Ich glaube kaum daß ein Platz für ihn da
ist: weder unter den Gerechtfertigten, noch unter
den Sündern."

"Und doch Diplomat!"

"Weil er sich selbst ganz verleugnen muß,
sollte ja das die himmlischen Thore ihm vor Allen
öffnen."

"Vielleicht, wenn -- Excellenz, hat Sie nie
das Gefühl durchzuckt, die Sehnsucht durchschauen,
vernichtet zu sein, aufzugehen in ein anderes Wesen,
zerstampft in Atome, die das andere Wesen ver¬
größern und verherrlichen?"

"O sehr oft, Madame, in den Armen einer
liebenswürdigen Frau."

"Haben Sie nie die Seligkeit der Begeisterung
empfunden?"

"Wofür?"

"Wofür? Und Sie kommen aus einer Revolution.
Die glutspritzende Lava treibt doch ungeheure Bilder
in unsere Lebensnacht."

"Prinzessin, die Lava ist schon kalt geworden."

"Sie waren einmal Republikaner!"

"Was waren wir nicht alles! Und eben weil
wir so viel gewesen sind, für so vieles geschwärmt,
gerast haben, ist wirklich in uns kein Platz mehr
für die Begeisterung."

"Auch nicht für Ihren Kaiser?"

Laforest ließ eine Pause vergehen, bis er ant¬
wortete: "Auch für den nicht. Die Jugend, die

„Ich glaube kaum daß ein Platz für ihn da
iſt: weder unter den Gerechtfertigten, noch unter
den Sündern.“

„Und doch Diplomat!“

„Weil er ſich ſelbſt ganz verleugnen muß,
ſollte ja das die himmliſchen Thore ihm vor Allen
öffnen.“

„Vielleicht, wenn — Excellenz, hat Sie nie
das Gefühl durchzuckt, die Sehnſucht durchſchauen,
vernichtet zu ſein, aufzugehen in ein anderes Weſen,
zerſtampft in Atome, die das andere Weſen ver¬
größern und verherrlichen?“

„O ſehr oft, Madame, in den Armen einer
liebenswürdigen Frau.“

„Haben Sie nie die Seligkeit der Begeiſterung
empfunden?“

„Wofür?“

„Wofür? Und Sie kommen aus einer Revolution.
Die glutſpritzende Lava treibt doch ungeheure Bilder
in unſere Lebensnacht.“

„Prinzeſſin, die Lava iſt ſchon kalt geworden.“

„Sie waren einmal Republikaner!“

„Was waren wir nicht alles! Und eben weil
wir ſo viel geweſen ſind, für ſo vieles geſchwärmt,
geraſt haben, iſt wirklich in uns kein Platz mehr
für die Begeiſterung.“

„Auch nicht für Ihren Kaiſer?“

Laforeſt ließ eine Pauſe vergehen, bis er ant¬
wortete: „Auch für den nicht. Die Jugend, die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0170" n="160"/>
        <p>&#x201E;Ich glaube kaum daß ein Platz für ihn da<lb/>
i&#x017F;t: weder unter den Gerechtfertigten, noch unter<lb/>
den Sündern.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Und doch Diplomat!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Weil er &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t ganz verleugnen muß,<lb/>
&#x017F;ollte ja das die himmli&#x017F;chen Thore ihm vor Allen<lb/>
öffnen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Vielleicht, wenn &#x2014; Excellenz, hat Sie nie<lb/>
das Gefühl durchzuckt, die Sehn&#x017F;ucht durch&#x017F;chauen,<lb/>
vernichtet zu &#x017F;ein, aufzugehen in ein anderes We&#x017F;en,<lb/>
zer&#x017F;tampft in Atome, die das andere We&#x017F;en ver¬<lb/>
größern und verherrlichen?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;O &#x017F;ehr oft, Madame, in den Armen einer<lb/>
liebenswürdigen Frau.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Haben Sie nie die Seligkeit der Begei&#x017F;terung<lb/>
empfunden?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wofür?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wofür? Und Sie kommen aus einer Revolution.<lb/>
Die glut&#x017F;pritzende Lava treibt doch ungeheure Bilder<lb/>
in un&#x017F;ere Lebensnacht.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Prinze&#x017F;&#x017F;in, die Lava i&#x017F;t &#x017F;chon kalt geworden.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Sie waren einmal Republikaner!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Was waren wir nicht alles! Und eben weil<lb/>
wir &#x017F;o viel gewe&#x017F;en &#x017F;ind, für &#x017F;o vieles ge&#x017F;chwärmt,<lb/>
gera&#x017F;t haben, i&#x017F;t wirklich in uns kein Platz mehr<lb/>
für die Begei&#x017F;terung.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Auch nicht für Ihren Kai&#x017F;er?&#x201C;</p><lb/>
        <p>Lafore&#x017F;t ließ eine Pau&#x017F;e vergehen, bis er ant¬<lb/>
wortete: &#x201E;Auch für den nicht. Die Jugend, die<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[160/0170] „Ich glaube kaum daß ein Platz für ihn da iſt: weder unter den Gerechtfertigten, noch unter den Sündern.“ „Und doch Diplomat!“ „Weil er ſich ſelbſt ganz verleugnen muß, ſollte ja das die himmliſchen Thore ihm vor Allen öffnen.“ „Vielleicht, wenn — Excellenz, hat Sie nie das Gefühl durchzuckt, die Sehnſucht durchſchauen, vernichtet zu ſein, aufzugehen in ein anderes Weſen, zerſtampft in Atome, die das andere Weſen ver¬ größern und verherrlichen?“ „O ſehr oft, Madame, in den Armen einer liebenswürdigen Frau.“ „Haben Sie nie die Seligkeit der Begeiſterung empfunden?“ „Wofür?“ „Wofür? Und Sie kommen aus einer Revolution. Die glutſpritzende Lava treibt doch ungeheure Bilder in unſere Lebensnacht.“ „Prinzeſſin, die Lava iſt ſchon kalt geworden.“ „Sie waren einmal Republikaner!“ „Was waren wir nicht alles! Und eben weil wir ſo viel geweſen ſind, für ſo vieles geſchwärmt, geraſt haben, iſt wirklich in uns kein Platz mehr für die Begeiſterung.“ „Auch nicht für Ihren Kaiſer?“ Laforeſt ließ eine Pauſe vergehen, bis er ant¬ wortete: „Auch für den nicht. Die Jugend, die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/170
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/170>, abgerufen am 19.04.2024.