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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852.

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die Gestalten der Neugierigen drückten sich tiefer in
den Schatten der Mauervorsprünge. Der Fackelschein
ward jetzt officiell.

Die Königin und der Kaiser wurden zuerst
sichtbar; der König folgte. Louise schien erschöpft, sie
drückte jetzt das Taschentuch ans Gesicht. Aber nur
einen Moment; dann warf sie einen forschenden
Blick auf den ernsten Gatten. Es mußte ein Ernst
sein, der ihre Hoffnung stählte. Sie lehnte sich an
seine Brust, um sich doch ebenso schnell wieder auf¬
zuraffen. Alexander und der König reichten sich die
Hand. Es war ein wichtiger, bedeutungsvoller Hand¬
schlag. Aus der dunklen Stille kam ein Laut, wie
der Hauch unsichtbarer Geister; ein Hauch der
Verwunderung, Freude, Beistimmung, wofür jede
Sprache zu rauh ist, ihm Ausdruck zu geben. Mit
königlicher Würde schaute Louise umher, nicht forschend,
nicht misbilligend. Ihr Blick galt den Geistern,
welche die Sprache dieses Auges, das selige Lächeln
verstanden. Dann reichte sie Alexander wieder rasch
den Arm und die drei verließen die Kirche.

Als die Wagenthür zuschlug, die Räder auf
dem Pflaster rollten, schienen die gebannten kleineren
Geister aus ihrer Erstarrung aufzuleben. Sporen
klirrten, scharfe Tritte dröhnten auf den Fliesen,
Töne, wie wenn das Eis bricht; das Blei auf der
Brust war ja gebrochen! Kein Ceremoniell mehr,
man schloß sich in die Arme, auch solche, die nicht
als Freunde bekannt waren. "Der Bund ist besiegelt."

die Geſtalten der Neugierigen drückten ſich tiefer in
den Schatten der Mauervorſprünge. Der Fackelſchein
ward jetzt officiell.

Die Königin und der Kaiſer wurden zuerſt
ſichtbar; der König folgte. Louiſe ſchien erſchöpft, ſie
drückte jetzt das Taſchentuch ans Geſicht. Aber nur
einen Moment; dann warf ſie einen forſchenden
Blick auf den ernſten Gatten. Es mußte ein Ernſt
ſein, der ihre Hoffnung ſtählte. Sie lehnte ſich an
ſeine Bruſt, um ſich doch ebenſo ſchnell wieder auf¬
zuraffen. Alexander und der König reichten ſich die
Hand. Es war ein wichtiger, bedeutungsvoller Hand¬
ſchlag. Aus der dunklen Stille kam ein Laut, wie
der Hauch unſichtbarer Geiſter; ein Hauch der
Verwunderung, Freude, Beiſtimmung, wofür jede
Sprache zu rauh iſt, ihm Ausdruck zu geben. Mit
königlicher Würde ſchaute Louiſe umher, nicht forſchend,
nicht misbilligend. Ihr Blick galt den Geiſtern,
welche die Sprache dieſes Auges, das ſelige Lächeln
verſtanden. Dann reichte ſie Alexander wieder raſch
den Arm und die drei verließen die Kirche.

Als die Wagenthür zuſchlug, die Räder auf
dem Pflaſter rollten, ſchienen die gebannten kleineren
Geiſter aus ihrer Erſtarrung aufzuleben. Sporen
klirrten, ſcharfe Tritte dröhnten auf den Flieſen,
Töne, wie wenn das Eis bricht; das Blei auf der
Bruſt war ja gebrochen! Kein Ceremoniell mehr,
man ſchloß ſich in die Arme, auch ſolche, die nicht
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[156/0166] die Geſtalten der Neugierigen drückten ſich tiefer in den Schatten der Mauervorſprünge. Der Fackelſchein ward jetzt officiell. Die Königin und der Kaiſer wurden zuerſt ſichtbar; der König folgte. Louiſe ſchien erſchöpft, ſie drückte jetzt das Taſchentuch ans Geſicht. Aber nur einen Moment; dann warf ſie einen forſchenden Blick auf den ernſten Gatten. Es mußte ein Ernſt ſein, der ihre Hoffnung ſtählte. Sie lehnte ſich an ſeine Bruſt, um ſich doch ebenſo ſchnell wieder auf¬ zuraffen. Alexander und der König reichten ſich die Hand. Es war ein wichtiger, bedeutungsvoller Hand¬ ſchlag. Aus der dunklen Stille kam ein Laut, wie der Hauch unſichtbarer Geiſter; ein Hauch der Verwunderung, Freude, Beiſtimmung, wofür jede Sprache zu rauh iſt, ihm Ausdruck zu geben. Mit königlicher Würde ſchaute Louiſe umher, nicht forſchend, nicht misbilligend. Ihr Blick galt den Geiſtern, welche die Sprache dieſes Auges, das ſelige Lächeln verſtanden. Dann reichte ſie Alexander wieder raſch den Arm und die drei verließen die Kirche. Als die Wagenthür zuſchlug, die Räder auf dem Pflaſter rollten, ſchienen die gebannten kleineren Geiſter aus ihrer Erſtarrung aufzuleben. Sporen klirrten, ſcharfe Tritte dröhnten auf den Flieſen, Töne, wie wenn das Eis bricht; das Blei auf der Bruſt war ja gebrochen! Kein Ceremoniell mehr, man ſchloß ſich in die Arme, auch ſolche, die nicht als Freunde bekannt waren. „Der Bund iſt beſiegelt.“

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/166>, abgerufen am 28.03.2024.