Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

von selbst zu Kreuz gekrochen. Ist kirr geworden,
um den Finger zu wickeln; läßt sich vom Vater
parforce schicken, wohin es ist. Und wenn er sich
müde geritten hat, dann giebt ihm der Vater 'ne kleine
Stelle, sucht ihm 'ne Frau aus, die ein bischen
Geld hat. Zuerst in 'ner kleinen Stadt, wo er über
den Akten schwitzen muß; ist froh, wenn er nach
Hause kommt, 'ne Pfeife raucht bei 'nem Glase
Bier, ein Partiechen; Kinder kommen denn auch,
die schreien, ein Vater hat doch auch ein Herz.
Ach Gott! darüber vergißt er alle krause Ideen;
ist froh, wenn's nur bei ihm zu Hause gut geht,
und denkt nicht mehr daran, den Staat besser
machen zu wollen. Und geben wir acht, mit dem
Walter wirds auch so kommen."

"Verdank ich das alles Ihnen, Herr Pathe?"
rief Walter mit wachsendem Erstaunen.

"Wir saßen so traulich bei Herrn Kämper
zusammen, wir sechs oder sieben, alles respectable
Bürger. --"

"Was! ein Collegium, um über meine Bes¬
serung zu berathen!"

"Wo hat nicht jeder 'nen faulen Fleck im
eigenen Hause! Wenn man so beim Bier sitzt, ein
Pfeifchen im Munde, spricht man sich gegenseitig
Trost zu. Der hat 'nen Sohn, der spielt. Das ist
beinah am aller schlimmsten. Da waren wir Alle
einig. Das thut mein Pathe nicht; alles, was
Recht ist. Er trinkt auch nicht, er läuft auch nicht

von ſelbſt zu Kreuz gekrochen. Iſt kirr geworden,
um den Finger zu wickeln; läßt ſich vom Vater
parforce ſchicken, wohin es iſt. Und wenn er ſich
müde geritten hat, dann giebt ihm der Vater 'ne kleine
Stelle, ſucht ihm 'ne Frau aus, die ein bischen
Geld hat. Zuerſt in 'ner kleinen Stadt, wo er über
den Akten ſchwitzen muß; iſt froh, wenn er nach
Hauſe kommt, 'ne Pfeife raucht bei 'nem Glaſe
Bier, ein Partiechen; Kinder kommen denn auch,
die ſchreien, ein Vater hat doch auch ein Herz.
Ach Gott! darüber vergißt er alle krauſe Ideen;
iſt froh, wenn's nur bei ihm zu Hauſe gut geht,
und denkt nicht mehr daran, den Staat beſſer
machen zu wollen. Und geben wir acht, mit dem
Walter wirds auch ſo kommen.“

„Verdank ich das alles Ihnen, Herr Pathe?“
rief Walter mit wachſendem Erſtaunen.

„Wir ſaßen ſo traulich bei Herrn Kämper
zuſammen, wir ſechs oder ſieben, alles reſpectable
Bürger. —“

„Was! ein Collegium, um über meine Beſ¬
ſerung zu berathen!“

„Wo hat nicht jeder 'nen faulen Fleck im
eigenen Hauſe! Wenn man ſo beim Bier ſitzt, ein
Pfeifchen im Munde, ſpricht man ſich gegenſeitig
Troſt zu. Der hat 'nen Sohn, der ſpielt. Das iſt
beinah am aller ſchlimmſten. Da waren wir Alle
einig. Das thut mein Pathe nicht; alles, was
Recht iſt. Er trinkt auch nicht, er läuft auch nicht

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0150" n="140"/>
von &#x017F;elb&#x017F;t zu Kreuz gekrochen. I&#x017F;t kirr geworden,<lb/>
um den Finger zu wickeln; läßt &#x017F;ich vom Vater<lb/>
parforce &#x017F;chicken, wohin es i&#x017F;t. Und wenn er &#x017F;ich<lb/>
müde geritten hat, dann giebt ihm der Vater 'ne kleine<lb/>
Stelle, &#x017F;ucht ihm 'ne Frau aus, die ein bischen<lb/>
Geld hat. Zuer&#x017F;t in 'ner kleinen Stadt, wo er über<lb/>
den Akten &#x017F;chwitzen muß; i&#x017F;t froh, wenn er nach<lb/>
Hau&#x017F;e kommt, 'ne Pfeife raucht bei 'nem Gla&#x017F;e<lb/>
Bier, ein Partiechen; Kinder kommen denn auch,<lb/>
die &#x017F;chreien, ein Vater hat doch auch ein Herz.<lb/>
Ach Gott! darüber vergißt er alle krau&#x017F;e Ideen;<lb/>
i&#x017F;t froh, wenn's nur bei ihm zu Hau&#x017F;e gut geht,<lb/>
und denkt nicht mehr daran, den Staat be&#x017F;&#x017F;er<lb/>
machen zu wollen. Und geben wir acht, mit dem<lb/>
Walter wirds auch &#x017F;o kommen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Verdank ich das alles Ihnen, Herr Pathe?&#x201C;<lb/>
rief Walter mit wach&#x017F;endem Er&#x017F;taunen.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wir &#x017F;aßen &#x017F;o traulich bei Herrn Kämper<lb/>
zu&#x017F;ammen, wir &#x017F;echs oder &#x017F;ieben, alles re&#x017F;pectable<lb/>
Bürger. &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Was! ein Collegium, um über meine Be&#x017F;¬<lb/>
&#x017F;erung zu berathen!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wo hat nicht jeder 'nen faulen Fleck im<lb/>
eigenen Hau&#x017F;e! Wenn man &#x017F;o beim Bier &#x017F;itzt, ein<lb/>
Pfeifchen im Munde, &#x017F;pricht man &#x017F;ich gegen&#x017F;eitig<lb/>
Tro&#x017F;t zu. Der hat 'nen Sohn, der &#x017F;pielt. Das i&#x017F;t<lb/>
beinah am aller &#x017F;chlimm&#x017F;ten. Da waren wir Alle<lb/>
einig. Das thut mein Pathe nicht; alles, was<lb/>
Recht i&#x017F;t. Er trinkt auch nicht, er läuft auch nicht<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[140/0150] von ſelbſt zu Kreuz gekrochen. Iſt kirr geworden, um den Finger zu wickeln; läßt ſich vom Vater parforce ſchicken, wohin es iſt. Und wenn er ſich müde geritten hat, dann giebt ihm der Vater 'ne kleine Stelle, ſucht ihm 'ne Frau aus, die ein bischen Geld hat. Zuerſt in 'ner kleinen Stadt, wo er über den Akten ſchwitzen muß; iſt froh, wenn er nach Hauſe kommt, 'ne Pfeife raucht bei 'nem Glaſe Bier, ein Partiechen; Kinder kommen denn auch, die ſchreien, ein Vater hat doch auch ein Herz. Ach Gott! darüber vergißt er alle krauſe Ideen; iſt froh, wenn's nur bei ihm zu Hauſe gut geht, und denkt nicht mehr daran, den Staat beſſer machen zu wollen. Und geben wir acht, mit dem Walter wirds auch ſo kommen.“ „Verdank ich das alles Ihnen, Herr Pathe?“ rief Walter mit wachſendem Erſtaunen. „Wir ſaßen ſo traulich bei Herrn Kämper zuſammen, wir ſechs oder ſieben, alles reſpectable Bürger. —“ „Was! ein Collegium, um über meine Beſ¬ ſerung zu berathen!“ „Wo hat nicht jeder 'nen faulen Fleck im eigenen Hauſe! Wenn man ſo beim Bier ſitzt, ein Pfeifchen im Munde, ſpricht man ſich gegenſeitig Troſt zu. Der hat 'nen Sohn, der ſpielt. Das iſt beinah am aller ſchlimmſten. Da waren wir Alle einig. Das thut mein Pathe nicht; alles, was Recht iſt. Er trinkt auch nicht, er läuft auch nicht

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/150
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/150>, abgerufen am 29.03.2024.