Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

an den Hof geladen -- also Jean Paul frei ist, schickte
ich Adelheid zu ihm, ihn zu invitiren."

"Das junge Mädchen --"

"Mit dem Bedienten."

"Aber -- er logirt -- was man gewöhnlich eine
Kneipe nennt."

"Ich weiß es, unten ist eine Bierstube, auf dem Hofe
eine Hufschmiede. Ist er darum weniger der Dichter?"

"Und in der frühen Stunde. In Pantoffeln
und Schlafrock, die Pfeife im Munde --"

"Empfängt er Fürstinnen, denen die Stunde
und das Costüm nicht unanständig erscheint, wenn
es gilt, dem Genius die Huldigungen darzubringen,
würdig des Mannes, welcher so die wahre Frauen¬
würde erkannt hat. Adelheid wird davon nicht ster¬
ben, beruhigen Sie sich, wenn sie sich einmal selbst
überwindet. Wir müssen uns alle überwinden, das --
ist die Aufgabe unseres Lebens. Morgen aber kommen
Sie etwas später zur Lection, Herr van Asten. Wir
müssen ausschlafen."

Als er die Thüre öffnen wollte, trat Adelheid ein.

"Kommt er?" rief die Geheimräthin.

"Er kommt." Sie flog der Geheimräthin an
den Hals, die ihre Locken streichelte und ihre Stirn küßte.

"Ich wußte es, einem so schönen Mädchen konnte
er nichts abschlagen."

"Ach hätten Sie ihn gesehen, wie ich ihn sah,
liebe -- Mutter -- das Wort kam etwas zögernd über
die Lippen. Mit welchem Herzklopfen ich die kleine,

an den Hof geladen — alſo Jean Paul frei iſt, ſchickte
ich Adelheid zu ihm, ihn zu invitiren.“

„Das junge Mädchen —“

„Mit dem Bedienten.“

„Aber — er logirt — was man gewöhnlich eine
Kneipe nennt.“

„Ich weiß es, unten iſt eine Bierſtube, auf dem Hofe
eine Hufſchmiede. Iſt er darum weniger der Dichter?“

„Und in der frühen Stunde. In Pantoffeln
und Schlafrock, die Pfeife im Munde —“

„Empfängt er Fürſtinnen, denen die Stunde
und das Coſtüm nicht unanſtändig erſcheint, wenn
es gilt, dem Genius die Huldigungen darzubringen,
würdig des Mannes, welcher ſo die wahre Frauen¬
würde erkannt hat. Adelheid wird davon nicht ſter¬
ben, beruhigen Sie ſich, wenn ſie ſich einmal ſelbſt
überwindet. Wir müſſen uns alle überwinden, das —
iſt die Aufgabe unſeres Lebens. Morgen aber kommen
Sie etwas ſpäter zur Lection, Herr van Aſten. Wir
müſſen ausſchlafen.“

Als er die Thüre öffnen wollte, trat Adelheid ein.

„Kommt er?“ rief die Geheimräthin.

„Er kommt.“ Sie flog der Geheimräthin an
den Hals, die ihre Locken ſtreichelte und ihre Stirn küßte.

„Ich wußte es, einem ſo ſchönen Mädchen konnte
er nichts abſchlagen.“

„Ach hätten Sie ihn geſehen, wie ich ihn ſah,
liebe — Mutter — das Wort kam etwas zögernd über
die Lippen. Mit welchem Herzklopfen ich die kleine,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0048" n="38"/>
an den Hof geladen &#x2014; al&#x017F;o Jean Paul frei i&#x017F;t, &#x017F;chickte<lb/>
ich Adelheid zu ihm, ihn zu invitiren.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Das junge Mädchen &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Mit dem Bedienten.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Aber &#x2014; er logirt &#x2014; was man gewöhnlich eine<lb/>
Kneipe nennt.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ich weiß es, unten i&#x017F;t eine Bier&#x017F;tube, auf dem Hofe<lb/>
eine Huf&#x017F;chmiede. I&#x017F;t er darum weniger der Dichter?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Und in der frühen Stunde. In Pantoffeln<lb/>
und Schlafrock, die Pfeife im Munde &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Empfängt er Für&#x017F;tinnen, denen die Stunde<lb/>
und das Co&#x017F;tüm nicht unan&#x017F;tändig er&#x017F;cheint, wenn<lb/>
es gilt, dem Genius die Huldigungen darzubringen,<lb/>
würdig des Mannes, welcher &#x017F;o die wahre Frauen¬<lb/>
würde erkannt hat. Adelheid wird davon nicht &#x017F;ter¬<lb/>
ben, beruhigen Sie &#x017F;ich, wenn &#x017F;ie &#x017F;ich einmal &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
überwindet. Wir mü&#x017F;&#x017F;en uns alle überwinden, das &#x2014;<lb/>
i&#x017F;t die Aufgabe un&#x017F;eres Lebens. Morgen aber kommen<lb/>
Sie etwas &#x017F;päter zur Lection, Herr van A&#x017F;ten. Wir<lb/>&#x017F;&#x017F;en aus&#x017F;chlafen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Als er die Thüre öffnen wollte, trat Adelheid ein.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Kommt er?&#x201C; rief die Geheimräthin.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Er kommt.&#x201C; Sie flog der Geheimräthin an<lb/>
den Hals, die ihre Locken &#x017F;treichelte und ihre Stirn küßte.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ich wußte es, einem &#x017F;o &#x017F;chönen Mädchen konnte<lb/>
er nichts ab&#x017F;chlagen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ach hätten Sie ihn ge&#x017F;ehen, wie ich ihn &#x017F;ah,<lb/>
liebe &#x2014; Mutter &#x2014; das Wort kam etwas zögernd über<lb/>
die Lippen. Mit welchem Herzklopfen ich die kleine,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[38/0048] an den Hof geladen — alſo Jean Paul frei iſt, ſchickte ich Adelheid zu ihm, ihn zu invitiren.“ „Das junge Mädchen —“ „Mit dem Bedienten.“ „Aber — er logirt — was man gewöhnlich eine Kneipe nennt.“ „Ich weiß es, unten iſt eine Bierſtube, auf dem Hofe eine Hufſchmiede. Iſt er darum weniger der Dichter?“ „Und in der frühen Stunde. In Pantoffeln und Schlafrock, die Pfeife im Munde —“ „Empfängt er Fürſtinnen, denen die Stunde und das Coſtüm nicht unanſtändig erſcheint, wenn es gilt, dem Genius die Huldigungen darzubringen, würdig des Mannes, welcher ſo die wahre Frauen¬ würde erkannt hat. Adelheid wird davon nicht ſter¬ ben, beruhigen Sie ſich, wenn ſie ſich einmal ſelbſt überwindet. Wir müſſen uns alle überwinden, das — iſt die Aufgabe unſeres Lebens. Morgen aber kommen Sie etwas ſpäter zur Lection, Herr van Aſten. Wir müſſen ausſchlafen.“ Als er die Thüre öffnen wollte, trat Adelheid ein. „Kommt er?“ rief die Geheimräthin. „Er kommt.“ Sie flog der Geheimräthin an den Hals, die ihre Locken ſtreichelte und ihre Stirn küßte. „Ich wußte es, einem ſo ſchönen Mädchen konnte er nichts abſchlagen.“ „Ach hätten Sie ihn geſehen, wie ich ihn ſah, liebe — Mutter — das Wort kam etwas zögernd über die Lippen. Mit welchem Herzklopfen ich die kleine,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/48
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/48>, abgerufen am 20.04.2024.