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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852.

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"Sie wollen sie lieber mit Nachtigallen ver¬
gleichen, sagte die Lupinus spitz, die aus der Nacht ihrer
Einsamkeit ihre Töne schmettern lassen, wenn es ihnen
eben bequem ist, eigensinnig, qu'importe wer sie hört!"

"Es mag auch manches Andere ihn verstimmt
haben, sagte Walter, noch ungewiß, wohin die Ge¬
heimräthin steuerte. Ihre Majestät die Königin
hätte ihn gern hierher gezogen."

"Meinen Sie nicht auch, ein Genius wie seiner
wäre in unserem Staube, unserer Kritik, an unserer
Hofluft untergegangen. In Weimar thront er in
einem Tempel, hier hätte er Tempeldienste verrichten
müssen. Es fehlt hier an der rechten Sonne, meinen
Sie nicht auch? Und noch immer so viel Rücksichten,
Bedenklichkeiten. Es sieht Einer den Andern an, wenn
er in die Gesellschaft tritt, und wenn er ihn noch
nicht gesehen, fragt er zuerst, ob er auch zu ihm ge¬
hört? Mein Gott! Diese Geburts- und Standesun¬
terschiede müßten doch verschwinden, wenn die rechte
Sonne des Geistes in einem Centralpunkt auf alle
schiene, gleich wie in einem Saal die Kerzen an den
Seitenwänden keinen Schatten werfen, wenn ein voller
Kronenleuchter Alle von oben beleuchtet. So könnte
ich mir das Haus der Herzogin denken. Aber sie ist
nur eine passagere Erscheinung, und dann ladet sie doch
auch nur eine gewisse Elite ein, es ist auch noch
manches andre da, doch passons la dessus. Ebenso
können die Kreise der geistreichen Jüdinnen nicht do¬
minirend werden, es stößt sich doch Mancher daran."

„Sie wollen ſie lieber mit Nachtigallen ver¬
gleichen, ſagte die Lupinus ſpitz, die aus der Nacht ihrer
Einſamkeit ihre Töne ſchmettern laſſen, wenn es ihnen
eben bequem iſt, eigenſinnig, qu'importe wer ſie hört!“

„Es mag auch manches Andere ihn verſtimmt
haben, ſagte Walter, noch ungewiß, wohin die Ge¬
heimräthin ſteuerte. Ihre Majeſtät die Königin
hätte ihn gern hierher gezogen.“

„Meinen Sie nicht auch, ein Genius wie ſeiner
wäre in unſerem Staube, unſerer Kritik, an unſerer
Hofluft untergegangen. In Weimar thront er in
einem Tempel, hier hätte er Tempeldienſte verrichten
müſſen. Es fehlt hier an der rechten Sonne, meinen
Sie nicht auch? Und noch immer ſo viel Rückſichten,
Bedenklichkeiten. Es ſieht Einer den Andern an, wenn
er in die Geſellſchaft tritt, und wenn er ihn noch
nicht geſehen, fragt er zuerſt, ob er auch zu ihm ge¬
hört? Mein Gott! Dieſe Geburts- und Standesun¬
terſchiede müßten doch verſchwinden, wenn die rechte
Sonne des Geiſtes in einem Centralpunkt auf alle
ſchiene, gleich wie in einem Saal die Kerzen an den
Seitenwänden keinen Schatten werfen, wenn ein voller
Kronenleuchter Alle von oben beleuchtet. So könnte
ich mir das Haus der Herzogin denken. Aber ſie iſt
nur eine paſſagere Erſcheinung, und dann ladet ſie doch
auch nur eine gewiſſe Elite ein, es iſt auch noch
manches andre da, doch passons là dessus. Ebenſo
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minirend werden, es ſtößt ſich doch Mancher daran.“

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[27/0037] „Sie wollen ſie lieber mit Nachtigallen ver¬ gleichen, ſagte die Lupinus ſpitz, die aus der Nacht ihrer Einſamkeit ihre Töne ſchmettern laſſen, wenn es ihnen eben bequem iſt, eigenſinnig, qu'importe wer ſie hört!“ „Es mag auch manches Andere ihn verſtimmt haben, ſagte Walter, noch ungewiß, wohin die Ge¬ heimräthin ſteuerte. Ihre Majeſtät die Königin hätte ihn gern hierher gezogen.“ „Meinen Sie nicht auch, ein Genius wie ſeiner wäre in unſerem Staube, unſerer Kritik, an unſerer Hofluft untergegangen. In Weimar thront er in einem Tempel, hier hätte er Tempeldienſte verrichten müſſen. Es fehlt hier an der rechten Sonne, meinen Sie nicht auch? Und noch immer ſo viel Rückſichten, Bedenklichkeiten. Es ſieht Einer den Andern an, wenn er in die Geſellſchaft tritt, und wenn er ihn noch nicht geſehen, fragt er zuerſt, ob er auch zu ihm ge¬ hört? Mein Gott! Dieſe Geburts- und Standesun¬ terſchiede müßten doch verſchwinden, wenn die rechte Sonne des Geiſtes in einem Centralpunkt auf alle ſchiene, gleich wie in einem Saal die Kerzen an den Seitenwänden keinen Schatten werfen, wenn ein voller Kronenleuchter Alle von oben beleuchtet. So könnte ich mir das Haus der Herzogin denken. Aber ſie iſt nur eine paſſagere Erſcheinung, und dann ladet ſie doch auch nur eine gewiſſe Elite ein, es iſt auch noch manches andre da, doch passons là dessus. Ebenſo können die Kreiſe der geiſtreichen Jüdinnen nicht do¬ minirend werden, es ſtößt ſich doch Mancher daran.“

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/37>, abgerufen am 29.03.2024.