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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852.

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man bei der zweiten, dritten naiven Antwort schon
anders lacht, als bei der ersten, hat sie gemerkt. O
es ist ein höchst gelehriges Kind. Man braucht nur
anzutippen. Sie müssen eine wahre Freude an sol¬
cher Schülerin haben."

Van Asten schien die Freude nicht in dem Maaße
zu empfinden, als die Geheimräthin es erwartete.

"Man spricht schon in der Stadt von Ihren
geistvollen Cirkeln."

Die Geheimräthin zuckte die Achseln: sie möchte
wünschen, daß man weniger davon spreche, man könne
sein Haus doch auch nicht für jedermann offen halten.
Dennoch wehrte sie die Elogen schon schwächer ab,
als Walter van Asten die Aeußerung einer geistvollen
Prinzessin wiederholte, die sich gefreut, daß doch end¬
lich einmal das Haus eines Officianten sich der Bil¬
dung und Kunst erschlossen, da wer nach Geist und
Intelligenz verlangt, sie bis jetzt fast nur in den
reichen Judenhäusern suchen mußte.

Die Geheimräthin lächelte: "Zu gütig von dieser
geistreichen Prinzessin. Der Prinz, ihr Bruder,
macht allerdings keinen Unterschied, ob er in der
haute volee oder in den Judenhäusern ist; nur im
Schooß seiner Familie sieht man ihn am seltensten."

Die Bemerkungen waren so hingeworfen, daß
Walter darin die Aufforderung las, noch mehr zu
erzählen, obwohl ihre Worte dagegen protestirten.
Dieselbe Prinzessin hatte geäußert, es sei doch eine
wirkliche Beschämung für unsern Adel, daß er der

man bei der zweiten, dritten naiven Antwort ſchon
anders lacht, als bei der erſten, hat ſie gemerkt. O
es iſt ein höchſt gelehriges Kind. Man braucht nur
anzutippen. Sie müſſen eine wahre Freude an ſol¬
cher Schülerin haben.“

Van Aſten ſchien die Freude nicht in dem Maaße
zu empfinden, als die Geheimräthin es erwartete.

„Man ſpricht ſchon in der Stadt von Ihren
geiſtvollen Cirkeln.“

Die Geheimräthin zuckte die Achſeln: ſie möchte
wünſchen, daß man weniger davon ſpreche, man könne
ſein Haus doch auch nicht für jedermann offen halten.
Dennoch wehrte ſie die Elogen ſchon ſchwächer ab,
als Walter van Aſten die Aeußerung einer geiſtvollen
Prinzeſſin wiederholte, die ſich gefreut, daß doch end¬
lich einmal das Haus eines Officianten ſich der Bil¬
dung und Kunſt erſchloſſen, da wer nach Geiſt und
Intelligenz verlangt, ſie bis jetzt faſt nur in den
reichen Judenhäuſern ſuchen mußte.

Die Geheimräthin lächelte: „Zu gütig von dieſer
geiſtreichen Prinzeſſin. Der Prinz, ihr Bruder,
macht allerdings keinen Unterſchied, ob er in der
haute volée oder in den Judenhäuſern iſt; nur im
Schooß ſeiner Familie ſieht man ihn am ſeltenſten.“

Die Bemerkungen waren ſo hingeworfen, daß
Walter darin die Aufforderung las, noch mehr zu
erzählen, obwohl ihre Worte dagegen proteſtirten.
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[25/0035] man bei der zweiten, dritten naiven Antwort ſchon anders lacht, als bei der erſten, hat ſie gemerkt. O es iſt ein höchſt gelehriges Kind. Man braucht nur anzutippen. Sie müſſen eine wahre Freude an ſol¬ cher Schülerin haben.“ Van Aſten ſchien die Freude nicht in dem Maaße zu empfinden, als die Geheimräthin es erwartete. „Man ſpricht ſchon in der Stadt von Ihren geiſtvollen Cirkeln.“ Die Geheimräthin zuckte die Achſeln: ſie möchte wünſchen, daß man weniger davon ſpreche, man könne ſein Haus doch auch nicht für jedermann offen halten. Dennoch wehrte ſie die Elogen ſchon ſchwächer ab, als Walter van Aſten die Aeußerung einer geiſtvollen Prinzeſſin wiederholte, die ſich gefreut, daß doch end¬ lich einmal das Haus eines Officianten ſich der Bil¬ dung und Kunſt erſchloſſen, da wer nach Geiſt und Intelligenz verlangt, ſie bis jetzt faſt nur in den reichen Judenhäuſern ſuchen mußte. Die Geheimräthin lächelte: „Zu gütig von dieſer geiſtreichen Prinzeſſin. Der Prinz, ihr Bruder, macht allerdings keinen Unterſchied, ob er in der haute volée oder in den Judenhäuſern iſt; nur im Schooß ſeiner Familie ſieht man ihn am ſeltenſten.“ Die Bemerkungen waren ſo hingeworfen, daß Walter darin die Aufforderung las, noch mehr zu erzählen, obwohl ihre Worte dagegen proteſtirten. Dieſelbe Prinzeſſin hatte geäußert, es ſei doch eine wirkliche Beſchämung für unſern Adel, daß er der

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/35>, abgerufen am 25.04.2024.