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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852.

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bis an's Ende zu kommen, flattern wir von einer
zur andern. Warum denn da nicht auch Collecta¬
neen machen aus den Maximen großer Staatsmänner,
warum nicht auch aus eigenen Gedanken etwas ein¬
flicken! Die Classiker haben auch Lücken. Hatte schon
Homer, als sie ihn in Alexandria herausgaben, und
wie haben sie den Livius geflickt! Wo's Ganze Flick¬
arbeit, merkten sie oft gar nicht die eignen Lumpen
der Editoren. A propos! Da ließen Sie neulich
einen Zettel fallen -- Warten Sie, wo hab ich ihn
gleich hingelegt? -- Hier! Das ist wohl kein Excerpt,
so mit frischer Dinte, recht frisch aus dem Herzen ge¬
schrieben: ""Daß ein Staat, der bestehen will, der
Sitten, oder, wo diese fehlen, kräftiger Männer zur
Ausführung kräftiger Maßregeln bedürfe, gewahrt
Niemand. Die Augen gehn erst in der Noth auf.""

Walter steckte hastig den Zettel in die Brust¬
tasche: "Zu einem Briefe --"

"So, also ein Brief! Da wollte ich Sie nur
bitten, sich an den zu erinnern, welchen der junge
Herr Gentz bei der Thronbesteigung an Seine Ma¬
jestät den König schrieb. Das war mal genial! Wie
riß man sich darum! Da lag's doch klar, wie ein
umgestürzter Pudding auf der Schüssel, wo's bei
uns manquirte, was anders, besser nun gemacht
werden sollte. Man brauchte nur zuzugreifen, gar
keine Mühe sich zu geben, nur zu thun, zu decretiren,
wie's der junge Herr Gentz den Ministern wies.
-- Haben sie's gethan? Haben sie zugegriffen? Nichts

bis an's Ende zu kommen, flattern wir von einer
zur andern. Warum denn da nicht auch Collecta¬
neen machen aus den Maximen großer Staatsmänner,
warum nicht auch aus eigenen Gedanken etwas ein¬
flicken! Die Claſſiker haben auch Lücken. Hatte ſchon
Homer, als ſie ihn in Alexandria herausgaben, und
wie haben ſie den Livius geflickt! Wo's Ganze Flick¬
arbeit, merkten ſie oft gar nicht die eignen Lumpen
der Editoren. A propos! Da ließen Sie neulich
einen Zettel fallen — Warten Sie, wo hab ich ihn
gleich hingelegt? — Hier! Das iſt wohl kein Excerpt,
ſo mit friſcher Dinte, recht friſch aus dem Herzen ge¬
ſchrieben: „„Daß ein Staat, der beſtehen will, der
Sitten, oder, wo dieſe fehlen, kräftiger Männer zur
Ausführung kräftiger Maßregeln bedürfe, gewahrt
Niemand. Die Augen gehn erſt in der Noth auf.““

Walter ſteckte haſtig den Zettel in die Bruſt¬
taſche: „Zu einem Briefe —“

„So, alſo ein Brief! Da wollte ich Sie nur
bitten, ſich an den zu erinnern, welchen der junge
Herr Gentz bei der Thronbeſteigung an Seine Ma¬
jeſtät den König ſchrieb. Das war mal genial! Wie
riß man ſich darum! Da lag's doch klar, wie ein
umgeſtürzter Pudding auf der Schüſſel, wo's bei
uns manquirte, was anders, beſſer nun gemacht
werden ſollte. Man brauchte nur zuzugreifen, gar
keine Mühe ſich zu geben, nur zu thun, zu decretiren,
wie's der junge Herr Gentz den Miniſtern wies.
— Haben ſie's gethan? Haben ſie zugegriffen? Nichts

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[15/0025] bis an's Ende zu kommen, flattern wir von einer zur andern. Warum denn da nicht auch Collecta¬ neen machen aus den Maximen großer Staatsmänner, warum nicht auch aus eigenen Gedanken etwas ein¬ flicken! Die Claſſiker haben auch Lücken. Hatte ſchon Homer, als ſie ihn in Alexandria herausgaben, und wie haben ſie den Livius geflickt! Wo's Ganze Flick¬ arbeit, merkten ſie oft gar nicht die eignen Lumpen der Editoren. A propos! Da ließen Sie neulich einen Zettel fallen — Warten Sie, wo hab ich ihn gleich hingelegt? — Hier! Das iſt wohl kein Excerpt, ſo mit friſcher Dinte, recht friſch aus dem Herzen ge¬ ſchrieben: „„Daß ein Staat, der beſtehen will, der Sitten, oder, wo dieſe fehlen, kräftiger Männer zur Ausführung kräftiger Maßregeln bedürfe, gewahrt Niemand. Die Augen gehn erſt in der Noth auf.““ Walter ſteckte haſtig den Zettel in die Bruſt¬ taſche: „Zu einem Briefe —“ „So, alſo ein Brief! Da wollte ich Sie nur bitten, ſich an den zu erinnern, welchen der junge Herr Gentz bei der Thronbeſteigung an Seine Ma¬ jeſtät den König ſchrieb. Das war mal genial! Wie riß man ſich darum! Da lag's doch klar, wie ein umgeſtürzter Pudding auf der Schüſſel, wo's bei uns manquirte, was anders, beſſer nun gemacht werden ſollte. Man brauchte nur zuzugreifen, gar keine Mühe ſich zu geben, nur zu thun, zu decretiren, wie's der junge Herr Gentz den Miniſtern wies. — Haben ſie's gethan? Haben ſie zugegriffen? Nichts

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/25>, abgerufen am 29.03.2024.