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Alapin, Simon: Zum Kapitel Frauen-Wahlrecht. Heidelberg, 1917.

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Masses an Milde und menschenfreundlicher Toleranz beim
Weibe besteht wahrscheinlich darin, dass das Weib, ver-
möge seins mütterlichen Berufes weit reichlichere
Gelegenheiten als der Mann zu Uebung und also auch
zum Anerziehen von Nachsicht, Liebe und Aufopferung
(den Kindern gegenüber) seit jeher besessen hat. Daher
das kulturgeschichtlich entwickelte höhere Mass an weich-
herzigerem gemässigterem Temperament. (Darwinsche
Theorie der natürlichen Anpassung.) Nun ist aber ge-
rade auf dem Gebiete der inneren und äusseren Politik un-
verkennbar, dass im allgemeinen unsere Kultur und
Zivilisation die unausrottbare Tendenz hat, aus den Zeit-
altern des Blutes, Eisens und des Faustrechtes herauszu-
kommen und dem Regime der Menschenliebe, des Frie-
dens und des moralischen Rechtes zuzustreben. Für diese
auf die Dauer ganz unvermeidliche Richtung unserer Kul-
tur wäre das Hineingreifen der hierzu am meisten veran-
lagten Hälfte der Menschheit in die Politik und Gesetz-
gebung ein wichtiges vorwärtsbringendes Plus, das geeig-
net wäre, die Konvulsionen des Ueberganges bedeutend ab-
zukürzen. So und keineswegs anders ist die auf geistiger
Kraft der Frau beruhende , "Einflussfähigkeit" derselben
in Bezug auf das politische Frauenwahlrecht in realer
Wirklichkeit aufzufassen!

Schon etwas richtiger scheint auf den ersten
Blick diejenige Einwendung gegen die tatsächliche "Ein-
flussfähigkeit" der Frau zu sein, welche auf ihrem verhält-
nismässigen Mangel an physischer Kraft beruht.
Denn erstens ist dieser wirkliche Mangel nicht wie oben
bei der geistigen Kraft zu bestreiten und zweitens muss
man zugeben, dass der Mann vermöge seiner robusteren
Konstruktion und auch, weil er von den alltäglichen klei-
nen Sorgen um die Kinder verhältnismässig freier ist, die
unmittelbar grössere Möglichkeit besitzt, in der Politik

Masses an Milde und menschenfreundlicher Toleranz beim
Weibe besteht wahrscheinlich darin, dass das Weib, ver-
möge seins mütterlichen Berufes weit reichlichere
Gelegenheiten als der Mann zu Uebung und also auch
zum Anerziehen von Nachsicht, Liebe und Aufopferung
(den Kindern gegenüber) seit jeher besessen hat. Daher
das kulturgeschichtlich entwickelte höhere Mass an weich-
herzigerem gemässigterem Temperament. (Darwinsche
Theorie der natürlichen Anpassung.) Nun ist aber ge-
rade auf dem Gebiete der inneren und äusseren Politik un-
verkennbar, dass im allgemeinen unsere Kultur und
Zivilisation die unausrottbare Tendenz hat, aus den Zeit-
altern des Blutes, Eisens und des Faustrechtes herauszu-
kommen und dem Regime der Menschenliebe, des Frie-
dens und des moralischen Rechtes zuzustreben. Für diese
auf die Dauer ganz unvermeidliche Richtung unserer Kul-
tur wäre das Hineingreifen der hierzu am meisten veran-
lagten Hälfte der Menschheit in die Politik und Gesetz-
gebung ein wichtiges vorwärtsbringendes Plus, das geeig-
net wäre, die Konvulsionen des Ueberganges bedeutend ab-
zukürzen. So und keineswegs anders ist die auf geistiger
Kraft der Frau beruhende , „Einflussfähigkeit“ derselben
in Bezug auf das politische Frauenwahlrecht in realer
Wirklichkeit aufzufassen!

Schon etwas richtiger scheint auf den ersten
Blick diejenige Einwendung gegen die tatsächliche „Ein-
flussfähigkeit“ der Frau zu sein, welche auf ihrem verhält-
nismässigen Mangel an physischer Kraft beruht.
Denn erstens ist dieser wirkliche Mangel nicht wie oben
bei der geistigen Kraft zu bestreiten und zweitens muss
man zugeben, dass der Mann vermöge seiner robusteren
Konstruktion und auch, weil er von den alltäglichen klei-
nen Sorgen um die Kinder verhältnismässig freier ist, die
unmittelbar grössere Möglichkeit besitzt, in der Politik

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[13/0015] Masses an Milde und menschenfreundlicher Toleranz beim Weibe besteht wahrscheinlich darin, dass das Weib, ver- möge seins mütterlichen Berufes weit reichlichere Gelegenheiten als der Mann zu Uebung und also auch zum Anerziehen von Nachsicht, Liebe und Aufopferung (den Kindern gegenüber) seit jeher besessen hat. Daher das kulturgeschichtlich entwickelte höhere Mass an weich- herzigerem gemässigterem Temperament. (Darwinsche Theorie der natürlichen Anpassung.) Nun ist aber ge- rade auf dem Gebiete der inneren und äusseren Politik un- verkennbar, dass im allgemeinen unsere Kultur und Zivilisation die unausrottbare Tendenz hat, aus den Zeit- altern des Blutes, Eisens und des Faustrechtes herauszu- kommen und dem Regime der Menschenliebe, des Frie- dens und des moralischen Rechtes zuzustreben. Für diese auf die Dauer ganz unvermeidliche Richtung unserer Kul- tur wäre das Hineingreifen der hierzu am meisten veran- lagten Hälfte der Menschheit in die Politik und Gesetz- gebung ein wichtiges vorwärtsbringendes Plus, das geeig- net wäre, die Konvulsionen des Ueberganges bedeutend ab- zukürzen. So und keineswegs anders ist die auf geistiger Kraft der Frau beruhende , „Einflussfähigkeit“ derselben in Bezug auf das politische Frauenwahlrecht in realer Wirklichkeit aufzufassen! Schon etwas richtiger scheint auf den ersten Blick diejenige Einwendung gegen die tatsächliche „Ein- flussfähigkeit“ der Frau zu sein, welche auf ihrem verhält- nismässigen Mangel an physischer Kraft beruht. Denn erstens ist dieser wirkliche Mangel nicht wie oben bei der geistigen Kraft zu bestreiten und zweitens muss man zugeben, dass der Mann vermöge seiner robusteren Konstruktion und auch, weil er von den alltäglichen klei- nen Sorgen um die Kinder verhältnismässig freier ist, die unmittelbar grössere Möglichkeit besitzt, in der Politik

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Zitationshilfe: Alapin, Simon: Zum Kapitel Frauen-Wahlrecht. Heidelberg, 1917, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alapin_kapitel_1917/15>, abgerufen am 29.03.2024.