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Adler, Alfred: Studie über Minderwertigkeit von Organen. Berlin u. a., 1907.

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Heinrich R., Kaufmann, 52 Jahre alt (bereits erwähnt), leidet
seit vielen Jahren an häufigem Stuhldrang mit diarrhoischen Ent-
leerungen. Vor 10 Jahren eine heftige Attacke einer Cholelithiasis, die
in Karlsbad zur Ausheilung kam. Ein Bruder des Patienten, Arzt,
wurde wegen der gleichen Affektion von Kehr operiert. Die Mutter litt
an Leberanschwellung. Gaumenreflex des Patienten negativ. Sein Sohn
Herbert, 16 Jahre alt, erkrankte vor 4 Jahren an Appendizitis, die
auf interne Behandlung hin ausheilte. Derzeit besteht hartnäckige Ob-
stipation. Kein Gaumenreflex, kleiner Sprachfehler, geringe Epignathie.
Eine Tochter des Patienten leidet an hartnäckiger Obstipation. Kein
Gaumenreflex
. Der jüngste Sohn. 11 Jahre alt, zeigt geringe Epi-
gnathie, Sprachfehler wie sein Bruder, keinen Gaumenreflex. Her-
vorzuheben ist in diesem Falle die Heredität des Gaumenreflexmangels
und die im Stammbaum ziemlich durchgreifende Darmminderwertigkeit,
die sich in verschiedenen Krankheiten, sowie in einer starken Neigung
zu Obesitas äußert.

Frau Amalie B., 61 Jahre alt, war als Kind stets schwächlich und
mager und soll vorübergehend an Hämoptoe gelitten haben. Seit ihrem
20. Lebensjahre hat sie so sehr an Gewicht zugenommen und dies trotz
stetig geübter Zurückhaltung in der Nahrungsaufnahme. Kein Gaumen-
reflex
. Von ihren fünf Söhnen konnte ich bei dreien den gleichen
Mangel des Gaumenreflexes vorfinden, der vierte war im diabetischen
Koma gestorben. Ihn und den fünften Sohn habe ich nie untersucht.
Doch verweise ich auf meine Fälle von Diabetes, bei denen gleichfalls
der Gaumenreflex fehlte. Der älteste Sohn ist anscheinend gesund, der
zweite von den drei untersuchten ist fettleibig, neigt zu Obstipation und
leidet an rezidivierenden Fissuren am After und Afterekzem. Der dritte
wurde vor einem Jahre wegen Appendizitis operiert, nachdem seit
4 Jahren mehrfach fieberhafte Attacken in der Blinddarmgegend vor-
ausgegangen waren. An die Operation schlossen sich eine rechtsseitige
Pleuritis exsudativa und doppelseitige Spitzeninfiltrationen, die einen
günstigen Verlauf nahmen. Heredität der Reflexanomalie wie im ersten
Falle, nachweisbare hereditäre Minderwertigkeit des Ernährungs- und
Respirationstraktes, dabei Verschiedenartigkeit der Erkrankung im Er-
nährungstrakt (Appendizitis, Diabetes, Fissurae ani), stellenweise bloß
Adipositas ergeben sich bei der Durchmusterung dieses Stammbaumes.
Außerdem konstatieren wir eine gleichzeitige Minderwertigkeit des Re-
spirationstraktes, die sich bei der Mutter und einem der Söhne in Er-
krankung äußert. Weiter unten folgt einiges Material, betreffend den
Zusammenhang von Gaumenreflexanomalie und Lungentuberkulose.

Heinrich R., Kaufmann, 52 Jahre alt (bereits erwähnt), leidet
seit vielen Jahren an häufigem Stuhldrang mit diarrhoischen Ent-
leerungen. Vor 10 Jahren eine heftige Attacke einer Cholelithiasis, die
in Karlsbad zur Ausheilung kam. Ein Bruder des Patienten, Arzt,
wurde wegen der gleichen Affektion von Kehr operiert. Die Mutter litt
an Leberanschwellung. Gaumenreflex des Patienten negativ. Sein Sohn
Herbert, 16 Jahre alt, erkrankte vor 4 Jahren an Appendizitis, die
auf interne Behandlung hin ausheilte. Derzeit besteht hartnäckige Ob-
stipation. Kein Gaumenreflex, kleiner Sprachfehler, geringe Epignathie.
Eine Tochter des Patienten leidet an hartnäckiger Obstipation. Kein
Gaumenreflex
. Der jüngste Sohn. 11 Jahre alt, zeigt geringe Epi-
gnathie, Sprachfehler wie sein Bruder, keinen Gaumenreflex. Her-
vorzuheben ist in diesem Falle die Heredität des Gaumenreflexmangels
und die im Stammbaum ziemlich durchgreifende Darmminderwertigkeit,
die sich in verschiedenen Krankheiten, sowie in einer starken Neigung
zu Obesitas äußert.

Frau Amalie B., 61 Jahre alt, war als Kind stets schwächlich und
mager und soll vorübergehend an Hämoptoe gelitten haben. Seit ihrem
20. Lebensjahre hat sie so sehr an Gewicht zugenommen und dies trotz
stetig geübter Zurückhaltung in der Nahrungsaufnahme. Kein Gaumen-
reflex
. Von ihren fünf Söhnen konnte ich bei dreien den gleichen
Mangel des Gaumenreflexes vorfinden, der vierte war im diabetischen
Koma gestorben. Ihn und den fünften Sohn habe ich nie untersucht.
Doch verweise ich auf meine Fälle von Diabetes, bei denen gleichfalls
der Gaumenreflex fehlte. Der älteste Sohn ist anscheinend gesund, der
zweite von den drei untersuchten ist fettleibig, neigt zu Obstipation und
leidet an rezidivierenden Fissuren am After und Afterekzem. Der dritte
wurde vor einem Jahre wegen Appendizitis operiert, nachdem seit
4 Jahren mehrfach fieberhafte Attacken in der Blinddarmgegend vor-
ausgegangen waren. An die Operation schlossen sich eine rechtsseitige
Pleuritis exsudativa und doppelseitige Spitzeninfiltrationen, die einen
günstigen Verlauf nahmen. Heredität der Reflexanomalie wie im ersten
Falle, nachweisbare hereditäre Minderwertigkeit des Ernährungs- und
Respirationstraktes, dabei Verschiedenartigkeit der Erkrankung im Er-
nährungstrakt (Appendizitis, Diabetes, Fissurae ani), stellenweise bloß
Adipositas ergeben sich bei der Durchmusterung dieses Stammbaumes.
Außerdem konstatieren wir eine gleichzeitige Minderwertigkeit des Re-
spirationstraktes, die sich bei der Mutter und einem der Söhne in Er-
krankung äußert. Weiter unten folgt einiges Material, betreffend den
Zusammenhang von Gaumenreflexanomalie und Lungentuberkulose.

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[50/0062] Heinrich R., Kaufmann, 52 Jahre alt (bereits erwähnt), leidet seit vielen Jahren an häufigem Stuhldrang mit diarrhoischen Ent- leerungen. Vor 10 Jahren eine heftige Attacke einer Cholelithiasis, die in Karlsbad zur Ausheilung kam. Ein Bruder des Patienten, Arzt, wurde wegen der gleichen Affektion von Kehr operiert. Die Mutter litt an Leberanschwellung. Gaumenreflex des Patienten negativ. Sein Sohn Herbert, 16 Jahre alt, erkrankte vor 4 Jahren an Appendizitis, die auf interne Behandlung hin ausheilte. Derzeit besteht hartnäckige Ob- stipation. Kein Gaumenreflex, kleiner Sprachfehler, geringe Epignathie. Eine Tochter des Patienten leidet an hartnäckiger Obstipation. Kein Gaumenreflex. Der jüngste Sohn. 11 Jahre alt, zeigt geringe Epi- gnathie, Sprachfehler wie sein Bruder, keinen Gaumenreflex. Her- vorzuheben ist in diesem Falle die Heredität des Gaumenreflexmangels und die im Stammbaum ziemlich durchgreifende Darmminderwertigkeit, die sich in verschiedenen Krankheiten, sowie in einer starken Neigung zu Obesitas äußert. Frau Amalie B., 61 Jahre alt, war als Kind stets schwächlich und mager und soll vorübergehend an Hämoptoe gelitten haben. Seit ihrem 20. Lebensjahre hat sie so sehr an Gewicht zugenommen und dies trotz stetig geübter Zurückhaltung in der Nahrungsaufnahme. Kein Gaumen- reflex. Von ihren fünf Söhnen konnte ich bei dreien den gleichen Mangel des Gaumenreflexes vorfinden, der vierte war im diabetischen Koma gestorben. Ihn und den fünften Sohn habe ich nie untersucht. Doch verweise ich auf meine Fälle von Diabetes, bei denen gleichfalls der Gaumenreflex fehlte. Der älteste Sohn ist anscheinend gesund, der zweite von den drei untersuchten ist fettleibig, neigt zu Obstipation und leidet an rezidivierenden Fissuren am After und Afterekzem. Der dritte wurde vor einem Jahre wegen Appendizitis operiert, nachdem seit 4 Jahren mehrfach fieberhafte Attacken in der Blinddarmgegend vor- ausgegangen waren. An die Operation schlossen sich eine rechtsseitige Pleuritis exsudativa und doppelseitige Spitzeninfiltrationen, die einen günstigen Verlauf nahmen. Heredität der Reflexanomalie wie im ersten Falle, nachweisbare hereditäre Minderwertigkeit des Ernährungs- und Respirationstraktes, dabei Verschiedenartigkeit der Erkrankung im Er- nährungstrakt (Appendizitis, Diabetes, Fissurae ani), stellenweise bloß Adipositas ergeben sich bei der Durchmusterung dieses Stammbaumes. Außerdem konstatieren wir eine gleichzeitige Minderwertigkeit des Re- spirationstraktes, die sich bei der Mutter und einem der Söhne in Er- krankung äußert. Weiter unten folgt einiges Material, betreffend den Zusammenhang von Gaumenreflexanomalie und Lungentuberkulose.

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Zitationshilfe: Adler, Alfred: Studie über Minderwertigkeit von Organen. Berlin u. a., 1907, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/adler_studie_1907/62>, abgerufen am 28.03.2024.