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Adler, Alfred: Studie über Minderwertigkeit von Organen. Berlin u. a., 1907.

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Ich muß zum Schlusse dieses Kapitels noch einer Erscheinung ge-
denken, die sich anscheinend dem bisher gezeichneten Schema nicht
völlig einfügt. Geht doch meine Behauptung dahin, die Bedeutung der
äußeren Stig-
mata als Zeichen für die Minderwertigkeit des zugehörigen
Organes festzulegen. Es gibt nun eine Anzahl von äußeren Stig-
men, bei denen vielleicht die Annahme einer Minderwertig-
keit ihres zugehörigen Organes, der Haut, sich erweisen
ließe, die aber fraglos eine innigere Beziehung zeigen zu den
ihnen segmental zugehörigen inneren Organen, so daß ihre
Anwesenheit eine Minderwertigkeit des Segmentes, eine "seg-
mentale Insuffizienz" anzeigt.

In den vorhergehenden Zeilen habe ich öfters auf sie hingewiesen.
Soweit ich ihre Rolle hervorheben kann, handelt es sich um Naevi aller
Arten, um Angiome der Haut, um äußerlich sichtbare Teleangiektasien
und um Neurofibrome. Ihr hereditäres Vorkommen ist kaum zu be-
zweifeln. Die gelegentliche Umwandlung des Naevus in ein Karzinom
wurde schon oben in meinen Bemerkungen zu einer Theorie des Kar-
zinoms auf Grund der Minderwertigkeitslehre in ihrer Bedeutung her-
vorgehoben.*) Ferner muß ich Virchows Erörterungen über das fissurale
Angiom als einer fötalen Entwicklungshemmung an dieser Stelle an-
ziehen und in ihnen eine Etappe zu meiner Auffassung von den
Zeichen der segmentalen Minderwertigkeit erblicken. Aus der Literatur
kann man reichlich Material schöpfen, das sich in meinem Sinne deuten
läßt. Ich muß diese reizvolle Aufgabe auf später verschieben. Ebenso
wenig kann ich hier auf die Lehren Heads eingehen, deren Zusammen-
hang mit der vorliegenden Auffassung sofort klar wird, wenn man mit
mir Segmenterkrankungen annimmt, die durch die segmentale Minder-
wertigkeit vorbereitet werden.

Ich will hier einige der frappanten Befunde anführen, wie man
sie bei aufmerksamer Verfolgung der hier skizzierten Ideen gewiß
häufig findet. Da muß ich nun vor allem hervorheben, daß sich Naevi
bei Lungentuberkulose
des Patienten oder seiner Angehörigen un-
gemein häufig vorfinden. Sie sitzen an den verschiedensten Stellen des
Thorax, auf der gesunden, auf der erkrankten Seite und nicht selten
in der Höhe der Erkrankungszone oder etwas höher. Fälle wie die fol-
genden sieht man oft:

*) Wie ich zur Zeit der Niederschrift meiner Studie aus einem Referat entnehme,
scheint sich meine Auffassung des Karzinoms mit der Borsts (Würzburger Abhandlungen)
enge zu berühren.

Ich muß zum Schlusse dieses Kapitels noch einer Erscheinung ge-
denken, die sich anscheinend dem bisher gezeichneten Schema nicht
völlig einfügt. Geht doch meine Behauptung dahin, die Bedeutung der
äußeren Stig-
mata als Zeichen für die Minderwertigkeit des zugehörigen
Organes festzulegen. Es gibt nun eine Anzahl von äußeren Stig-
men, bei denen vielleicht die Annahme einer Minderwertig-
keit ihres zugehörigen Organes, der Haut, sich erweisen
ließe, die aber fraglos eine innigere Beziehung zeigen zu den
ihnen segmental zugehörigen inneren Organen, so daß ihre
Anwesenheit eine Minderwertigkeit des Segmentes, eine „seg-
mentale Insuffizienz“ anzeigt.

In den vorhergehenden Zeilen habe ich öfters auf sie hingewiesen.
Soweit ich ihre Rolle hervorheben kann, handelt es sich um Naevi aller
Arten, um Angiome der Haut, um äußerlich sichtbare Teleangiektasien
und um Neurofibrome. Ihr hereditäres Vorkommen ist kaum zu be-
zweifeln. Die gelegentliche Umwandlung des Naevus in ein Karzinom
wurde schon oben in meinen Bemerkungen zu einer Theorie des Kar-
zinoms auf Grund der Minderwertigkeitslehre in ihrer Bedeutung her-
vorgehoben.*) Ferner muß ich Virchows Erörterungen über das fissurale
Angiom als einer fötalen Entwicklungshemmung an dieser Stelle an-
ziehen und in ihnen eine Etappe zu meiner Auffassung von den
Zeichen der segmentalen Minderwertigkeit erblicken. Aus der Literatur
kann man reichlich Material schöpfen, das sich in meinem Sinne deuten
läßt. Ich muß diese reizvolle Aufgabe auf später verschieben. Ebenso
wenig kann ich hier auf die Lehren Heads eingehen, deren Zusammen-
hang mit der vorliegenden Auffassung sofort klar wird, wenn man mit
mir Segmenterkrankungen annimmt, die durch die segmentale Minder-
wertigkeit vorbereitet werden.

Ich will hier einige der frappanten Befunde anführen, wie man
sie bei aufmerksamer Verfolgung der hier skizzierten Ideen gewiß
häufig findet. Da muß ich nun vor allem hervorheben, daß sich Naevi
bei Lungentuberkulose
des Patienten oder seiner Angehörigen un-
gemein häufig vorfinden. Sie sitzen an den verschiedensten Stellen des
Thorax, auf der gesunden, auf der erkrankten Seite und nicht selten
in der Höhe der Erkrankungszone oder etwas höher. Fälle wie die fol-
genden sieht man oft:

*) Wie ich zur Zeit der Niederschrift meiner Studie aus einem Referat entnehme,
scheint sich meine Auffassung des Karzinoms mit der Borsts (Würzburger Abhandlungen)
enge zu berühren.
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[40/0052] Ich muß zum Schlusse dieses Kapitels noch einer Erscheinung ge- denken, die sich anscheinend dem bisher gezeichneten Schema nicht völlig einfügt. Geht doch meine Behauptung dahin, die Bedeutung der äußeren Stig- mata als Zeichen für die Minderwertigkeit des zugehörigen Organes festzulegen. Es gibt nun eine Anzahl von äußeren Stig- men, bei denen vielleicht die Annahme einer Minderwertig- keit ihres zugehörigen Organes, der Haut, sich erweisen ließe, die aber fraglos eine innigere Beziehung zeigen zu den ihnen segmental zugehörigen inneren Organen, so daß ihre Anwesenheit eine Minderwertigkeit des Segmentes, eine „seg- mentale Insuffizienz“ anzeigt. In den vorhergehenden Zeilen habe ich öfters auf sie hingewiesen. Soweit ich ihre Rolle hervorheben kann, handelt es sich um Naevi aller Arten, um Angiome der Haut, um äußerlich sichtbare Teleangiektasien und um Neurofibrome. Ihr hereditäres Vorkommen ist kaum zu be- zweifeln. Die gelegentliche Umwandlung des Naevus in ein Karzinom wurde schon oben in meinen Bemerkungen zu einer Theorie des Kar- zinoms auf Grund der Minderwertigkeitslehre in ihrer Bedeutung her- vorgehoben. *) Ferner muß ich Virchows Erörterungen über das fissurale Angiom als einer fötalen Entwicklungshemmung an dieser Stelle an- ziehen und in ihnen eine Etappe zu meiner Auffassung von den Zeichen der segmentalen Minderwertigkeit erblicken. Aus der Literatur kann man reichlich Material schöpfen, das sich in meinem Sinne deuten läßt. Ich muß diese reizvolle Aufgabe auf später verschieben. Ebenso wenig kann ich hier auf die Lehren Heads eingehen, deren Zusammen- hang mit der vorliegenden Auffassung sofort klar wird, wenn man mit mir Segmenterkrankungen annimmt, die durch die segmentale Minder- wertigkeit vorbereitet werden. Ich will hier einige der frappanten Befunde anführen, wie man sie bei aufmerksamer Verfolgung der hier skizzierten Ideen gewiß häufig findet. Da muß ich nun vor allem hervorheben, daß sich Naevi bei Lungentuberkulose des Patienten oder seiner Angehörigen un- gemein häufig vorfinden. Sie sitzen an den verschiedensten Stellen des Thorax, auf der gesunden, auf der erkrankten Seite und nicht selten in der Höhe der Erkrankungszone oder etwas höher. Fälle wie die fol- genden sieht man oft: *) Wie ich zur Zeit der Niederschrift meiner Studie aus einem Referat entnehme, scheint sich meine Auffassung des Karzinoms mit der Borsts (Würzburger Abhandlungen) enge zu berühren.

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Zitationshilfe: Adler, Alfred: Studie über Minderwertigkeit von Organen. Berlin u. a., 1907, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/adler_studie_1907/52>, abgerufen am 29.03.2024.