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Adams, George: Versuch über die Electricität. Leipzig, 1785.

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Medicinische Elektricität.

Wenn die Entdeckungen in dieser Wissenschaft,
sagt Herr Btydone, höher steigen werden, so wer-
den wir vielleicht finden, daß die sogenannten Nerden-
schwächen und andere Krankheiten, welche wir bloß dem
Namen nach kennen, davon herkommen, daß sich in den
Körpern entweder zu viel oder zu wenig von dieser feinen
Materie befindet, welche vielleicht das Vehiculum aller
unserer Empfindungen ist. Bekanntermassen wird bey
feuchtem und neblichen Wetter diese Materie von der
Feuchtigkeit geschwächt und absorbiret, ihre Wirksamkeit
vermindert, und das, was man von ihr gesammlet hat,
bald zerstreuet; alsdann ermatten unsere Lebenskräste, und
unser Gefühl wird stumpfer. Bey den schädlichen Win-
den in Neapel, wobey die Lust aller elektrischen Materie
beraubt zu seyn scheinet, wird der ganze Körper erschlaffet,
und die Nerven scheinen ihre Spannung und Elasticität
zu verlieren, bis der Nordwestwind die belebende Kraft
wiederherstellet, die dem Körper seine Spannung wie-
vergiebt, und die ganze in ihrer Abwesenheit ermattete
Natur wieder verjünget. Es ist dies auch gar nicht zu
verwundern, da die Spannung und Erschlaffung im
menschlichen Körper von dem verschiednen Zustande der
elektrischen Materie, und nicht von einer Veränderung
ver Fibern selbst, oder von einer Ausdehnung und Zu-
sammenziehung derselben herrührt. Man hat sonst der
Kälte eine solche zusammenziehende Kraft zugeschrieben,
obgleich die Muskeln des thierischen Körpers mehr zusam-
mengezogen werden, wenn sie warm sind, und in der
Kälte hingegen erschlaffen.

Die Herren Iallabert und de Saussüre kamen
auf ihren Alpenreisen in Gewitterwolken, und fanden da-
bey ihren ganzen Körper elektrisch. Aus ihren Fingern
strömten freywillig Feuerstralen mit einem knisternden Ge-
räusch, und ihre Empfindungen waren eben so, als ob sie
durch Kunst sehr stark elektrisirek wären. Es fällt sehr
deutlich in die Augen, daß diese Empfindungen von einem

Mediciniſche Elektricität.

Wenn die Entdeckungen in dieſer Wiſſenſchaft,
ſagt Herr Btydone, höher ſteigen werden, ſo wer-
den wir vielleicht finden, daß die ſogenannten Nerden-
ſchwächen und andere Krankheiten, welche wir bloß dem
Namen nach kennen, davon herkommen, daß ſich in den
Körpern entweder zu viel oder zu wenig von dieſer feinen
Materie befindet, welche vielleicht das Vehiculum aller
unſerer Empfindungen iſt. Bekanntermaſſen wird bey
feuchtem und neblichen Wetter dieſe Materie von der
Feuchtigkeit geſchwächt und abſorbiret, ihre Wirkſamkeit
vermindert, und das, was man von ihr geſammlet hat,
bald zerſtreuet; alsdann ermatten unſere Lebenskräſte, und
unſer Gefühl wird ſtumpfer. Bey den ſchädlichen Win-
den in Neapel, wobey die Luſt aller elektriſchen Materie
beraubt zu ſeyn ſcheinet, wird der ganze Körper erſchlaffet,
und die Nerven ſcheinen ihre Spannung und Elaſticität
zu verlieren, bis der Nordweſtwind die belebende Kraft
wiederherſtellet, die dem Körper ſeine Spannung wie-
vergiebt, und die ganze in ihrer Abweſenheit ermattete
Natur wieder verjünget. Es iſt dies auch gar nicht zu
verwundern, da die Spannung und Erſchlaffung im
menſchlichen Körper von dem verſchiednen Zuſtande der
elektriſchen Materie, und nicht von einer Veränderung
ver Fibern ſelbſt, oder von einer Ausdehnung und Zu-
ſammenziehung derſelben herrührt. Man hat ſonſt der
Kälte eine ſolche zuſammenziehende Kraft zugeſchrieben,
obgleich die Muſkeln des thieriſchen Körpers mehr zuſam-
mengezogen werden, wenn ſie warm ſind, und in der
Kälte hingegen erſchlaffen.

Die Herren Iallabert und de Sauſſüre kamen
auf ihren Alpenreiſen in Gewitterwolken, und fanden da-
bey ihren ganzen Körper elektriſch. Aus ihren Fingern
ſtrömten freywillig Feuerſtralen mit einem kniſternden Ge-
räuſch, und ihre Empfindungen waren eben ſo, als ob ſie
durch Kunſt ſehr ſtark elektriſirek wären. Es fällt ſehr
deutlich in die Augen, daß dieſe Empfindungen von einem

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[193/0213] Mediciniſche Elektricität. Wenn die Entdeckungen in dieſer Wiſſenſchaft, ſagt Herr Btydone, höher ſteigen werden, ſo wer- den wir vielleicht finden, daß die ſogenannten Nerden- ſchwächen und andere Krankheiten, welche wir bloß dem Namen nach kennen, davon herkommen, daß ſich in den Körpern entweder zu viel oder zu wenig von dieſer feinen Materie befindet, welche vielleicht das Vehiculum aller unſerer Empfindungen iſt. Bekanntermaſſen wird bey feuchtem und neblichen Wetter dieſe Materie von der Feuchtigkeit geſchwächt und abſorbiret, ihre Wirkſamkeit vermindert, und das, was man von ihr geſammlet hat, bald zerſtreuet; alsdann ermatten unſere Lebenskräſte, und unſer Gefühl wird ſtumpfer. Bey den ſchädlichen Win- den in Neapel, wobey die Luſt aller elektriſchen Materie beraubt zu ſeyn ſcheinet, wird der ganze Körper erſchlaffet, und die Nerven ſcheinen ihre Spannung und Elaſticität zu verlieren, bis der Nordweſtwind die belebende Kraft wiederherſtellet, die dem Körper ſeine Spannung wie- vergiebt, und die ganze in ihrer Abweſenheit ermattete Natur wieder verjünget. Es iſt dies auch gar nicht zu verwundern, da die Spannung und Erſchlaffung im menſchlichen Körper von dem verſchiednen Zuſtande der elektriſchen Materie, und nicht von einer Veränderung ver Fibern ſelbſt, oder von einer Ausdehnung und Zu- ſammenziehung derſelben herrührt. Man hat ſonſt der Kälte eine ſolche zuſammenziehende Kraft zugeſchrieben, obgleich die Muſkeln des thieriſchen Körpers mehr zuſam- mengezogen werden, wenn ſie warm ſind, und in der Kälte hingegen erſchlaffen. Die Herren Iallabert und de Sauſſüre kamen auf ihren Alpenreiſen in Gewitterwolken, und fanden da- bey ihren ganzen Körper elektriſch. Aus ihren Fingern ſtrömten freywillig Feuerſtralen mit einem kniſternden Ge- räuſch, und ihre Empfindungen waren eben ſo, als ob ſie durch Kunſt ſehr ſtark elektriſirek wären. Es fällt ſehr deutlich in die Augen, daß dieſe Empfindungen von einem

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Zitationshilfe: Adams, George: Versuch über die Electricität. Leipzig, 1785, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/adams_elektricitaet_1785/213>, abgerufen am 29.03.2024.