Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Abschatz, Hans Assmann von: Poetische Ubersetzungen und Gedichte. Leipzig, 1704.

Bild:
<< vorherige Seite

Ehren-Gedächtniß.
benen selig. Welches allerdings mit dem hernach dem Mosi
in Midian geoffenbarten Nahmen des HErrn/ des seligma-
chenden Schilo, überein kömmt.

Solche heilsame Uberschrifften zieren unsere Grabes-Thü-
ren/ wenn es heisset: HErr/ ich warte. Denn darum sind
wir allda mit Leib und Seel annoch in statu mortis, im Lande
der Todten/ wie der prophetische Evangelist des Alten Testa-
ments; oder auch unter der Herrschafft des Todes/ wie der
Heyden-Lehrer weissaget. Wir warten im Grabe/ ob wohl
der Seelen nach allbereit in prima stola der Seligkeit/ den-
noch auch auff unsers Leibes Erlösung/ und werden von GOtt
getröstet/ eine kleine Zeit Gedult zu haben/ biß daß vollend
herzu kommen mögen unsere Mitknechte und Brüder/ wie
dem Theologo bey Offenbarung des fünfften Siegels gezei-
get wurde. Die vollkommene/ endliche und ewige Seligkeit
ist dem gantzen Menschen und nicht allein der Seelen verheis-
sen. Selbte Seligkeit ist das höchste Gutt des Menschen/
welches alle Begierde und Verlangen stillet/ daß/ wer es hat/
nichts anders mehr begehren kan. Nun haben die Seelen
noch nicht alles Gutte/ sondern noch viel im Verlangen. Ob
sie gleich schon selig/ so haben sie doch noch nicht das völlige
Ende der Verheissungen GOttes/ da sie nicht allein/ sondern
auch die Leiber zugleich gekrönet werden/ und das Angesicht
GOttes anschauen sollen. Welche aber GOtt von Ange-
sicht zu Angesicht schauen/ die haben alles in allem/ lehret des
HErrn Apostel. Darum heisset es von denen abgeschiede-
nen/ aber annoch wartenden Seelen: Wir sind zwar schon
GOttes Kinder und allbereit selig/ aber es ist noch nicht er-
schienen/ was wir seyn werden. Das wissen wir aber/ wenn
es erscheinen wird/ (oder wie der Syrische Dollmetscher es
giebet/ wenn er selbst erscheinen wird/) daß wir ihm gleich
seyn werden: Denn wir werden ihn sehen/ wie er ist. Es
ist billig/ schrieb schon vor 800. Jahren ein andächtiger
Mann/ daß die/ so in Leib und Seele GOtt gedienet/ auch
zugleich an Leib und Seele die Gnaden-Belohnung empfan-
gen. Darum sollen wir die Vollkommenheit erst in der Auf-
ferstehung erlangen. Eben wie/ wenn die Söhne vom Felde

kom-
(B)

Ehren-Gedaͤchtniß.
benen ſelig. Welches allerdings mit dem hernach dem Moſi
in Midian geoffenbarten Nahmen des HErrn/ des ſeligma-
chenden Schilo, uͤberein koͤmmt.

Solche heilſame Uberſchrifften zieren unſere Grabes-Thuͤ-
ren/ wenn es heiſſet: HErr/ ich warte. Denn darum ſind
wir allda mit Leib und Seel annoch in ſtatu mortis, im Lande
der Todten/ wie der prophetiſche Evangeliſt des Alten Teſta-
ments; oder auch unter der Herrſchafft des Todes/ wie der
Heyden-Lehrer weiſſaget. Wir warten im Grabe/ ob wohl
der Seelen nach allbereit in prima ſtola der Seligkeit/ den-
noch auch auff unſers Leibes Erloͤſung/ und werden von GOtt
getroͤſtet/ eine kleine Zeit Gedult zu haben/ biß daß vollend
herzu kommen moͤgen unſere Mitknechte und Bruͤder/ wie
dem Theologo bey Offenbarung des fuͤnfften Siegels gezei-
get wurde. Die vollkommene/ endliche und ewige Seligkeit
iſt dem gantzen Menſchen und nicht allein der Seelen verheiſ-
ſen. Selbte Seligkeit iſt das hoͤchſte Gutt des Menſchen/
welches alle Begierde und Verlangen ſtillet/ daß/ wer es hat/
nichts anders mehr begehren kan. Nun haben die Seelen
noch nicht alles Gutte/ ſondern noch viel im Verlangen. Ob
ſie gleich ſchon ſelig/ ſo haben ſie doch noch nicht das voͤllige
Ende der Verheiſſungen GOttes/ da ſie nicht allein/ ſondern
auch die Leiber zugleich gekroͤnet werden/ und das Angeſicht
GOttes anſchauen ſollen. Welche aber GOtt von Ange-
ſicht zu Angeſicht ſchauen/ die haben alles in allem/ lehret des
HErrn Apoſtel. Darum heiſſet es von denen abgeſchiede-
nen/ aber annoch wartenden Seelen: Wir ſind zwar ſchon
GOttes Kinder und allbereit ſelig/ aber es iſt noch nicht er-
ſchienen/ was wir ſeyn werden. Das wiſſen wir aber/ wenn
es erſcheinen wird/ (oder wie der Syriſche Dollmetſcher es
giebet/ wenn er ſelbſt erſcheinen wird/) daß wir ihm gleich
ſeyn werden: Denn wir werden ihn ſehen/ wie er iſt. Es
iſt billig/ ſchrieb ſchon vor 800. Jahren ein andaͤchtiger
Mann/ daß die/ ſo in Leib und Seele GOtt gedienet/ auch
zugleich an Leib und Seele die Gnaden-Belohnung empfan-
gen. Darum ſollen wir die Vollkommenheit erſt in der Auf-
ferſtehung erlangen. Eben wie/ wenn die Soͤhne vom Felde

kom-
(B)
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0037" n="17"/><fw place="top" type="header">Ehren-Geda&#x0364;chtniß.</fw><lb/>
benen &#x017F;elig. Welches allerdings mit dem hernach dem Mo&#x017F;i<lb/>
in Midian geoffenbarten Nahmen des HErrn/ des &#x017F;eligma-<lb/>
chenden <hi rendition="#aq">Schilo,</hi> u&#x0364;berein ko&#x0364;mmt.</p><lb/>
            <p>Solche heil&#x017F;ame Uber&#x017F;chrifften zieren un&#x017F;ere Grabes-Thu&#x0364;-<lb/>
ren/ wenn es hei&#x017F;&#x017F;et: HErr/ ich warte. Denn darum &#x017F;ind<lb/>
wir allda mit Leib und Seel annoch <hi rendition="#aq">in &#x017F;tatu mortis,</hi> im Lande<lb/>
der Todten/ wie der propheti&#x017F;che Evangeli&#x017F;t des Alten Te&#x017F;ta-<lb/>
ments; oder auch unter der Herr&#x017F;chafft des Todes/ wie der<lb/>
Heyden-Lehrer wei&#x017F;&#x017F;aget. Wir warten im Grabe/ ob wohl<lb/>
der Seelen nach allbereit in <hi rendition="#aq">prima &#x017F;tola</hi> der Seligkeit/ den-<lb/>
noch auch auff un&#x017F;ers Leibes Erlo&#x0364;&#x017F;ung/ und werden von GOtt<lb/>
getro&#x0364;&#x017F;tet/ eine kleine Zeit Gedult zu haben/ biß daß vollend<lb/>
herzu kommen mo&#x0364;gen un&#x017F;ere Mitknechte und Bru&#x0364;der/ wie<lb/>
dem <hi rendition="#aq">Theologo</hi> bey Offenbarung des fu&#x0364;nfften Siegels gezei-<lb/>
get wurde. Die vollkommene/ endliche und ewige Seligkeit<lb/>
i&#x017F;t dem gantzen Men&#x017F;chen und nicht allein der Seelen verhei&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en. Selbte Seligkeit i&#x017F;t das ho&#x0364;ch&#x017F;te Gutt des Men&#x017F;chen/<lb/>
welches alle Begierde und Verlangen &#x017F;tillet/ daß/ wer es hat/<lb/>
nichts anders mehr begehren kan. Nun haben die Seelen<lb/>
noch nicht alles Gutte/ &#x017F;ondern noch viel im Verlangen. Ob<lb/>
&#x017F;ie gleich &#x017F;chon &#x017F;elig/ &#x017F;o haben &#x017F;ie doch noch nicht das vo&#x0364;llige<lb/>
Ende der Verhei&#x017F;&#x017F;ungen GOttes/ da &#x017F;ie nicht allein/ &#x017F;ondern<lb/>
auch die Leiber zugleich gekro&#x0364;net werden/ und das Ange&#x017F;icht<lb/>
GOttes an&#x017F;chauen &#x017F;ollen. Welche aber GOtt von Ange-<lb/>
&#x017F;icht zu Ange&#x017F;icht &#x017F;chauen/ die haben alles in allem/ lehret des<lb/>
HErrn Apo&#x017F;tel. Darum hei&#x017F;&#x017F;et es von denen abge&#x017F;chiede-<lb/>
nen/ aber annoch wartenden Seelen: Wir &#x017F;ind zwar &#x017F;chon<lb/>
GOttes Kinder und allbereit &#x017F;elig/ aber es i&#x017F;t noch nicht er-<lb/>
&#x017F;chienen/ was wir &#x017F;eyn werden. Das wi&#x017F;&#x017F;en wir aber/ wenn<lb/>
es er&#x017F;cheinen wird/ (oder wie der Syri&#x017F;che Dollmet&#x017F;cher es<lb/>
giebet/ wenn er &#x017F;elb&#x017F;t er&#x017F;cheinen wird/) daß wir ihm gleich<lb/>
&#x017F;eyn werden: Denn wir werden ihn &#x017F;ehen/ wie er i&#x017F;t. Es<lb/>
i&#x017F;t billig/ &#x017F;chrieb &#x017F;chon vor 800. Jahren ein anda&#x0364;chtiger<lb/>
Mann/ daß die/ &#x017F;o in Leib und Seele GOtt gedienet/ auch<lb/>
zugleich an Leib und Seele die Gnaden-Belohnung empfan-<lb/>
gen. Darum &#x017F;ollen wir die Vollkommenheit er&#x017F;t in der Auf-<lb/>
fer&#x017F;tehung erlangen. Eben wie/ wenn die So&#x0364;hne vom Felde<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#aq">(B)</hi></fw><fw place="bottom" type="catch">kom-</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[17/0037] Ehren-Gedaͤchtniß. benen ſelig. Welches allerdings mit dem hernach dem Moſi in Midian geoffenbarten Nahmen des HErrn/ des ſeligma- chenden Schilo, uͤberein koͤmmt. Solche heilſame Uberſchrifften zieren unſere Grabes-Thuͤ- ren/ wenn es heiſſet: HErr/ ich warte. Denn darum ſind wir allda mit Leib und Seel annoch in ſtatu mortis, im Lande der Todten/ wie der prophetiſche Evangeliſt des Alten Teſta- ments; oder auch unter der Herrſchafft des Todes/ wie der Heyden-Lehrer weiſſaget. Wir warten im Grabe/ ob wohl der Seelen nach allbereit in prima ſtola der Seligkeit/ den- noch auch auff unſers Leibes Erloͤſung/ und werden von GOtt getroͤſtet/ eine kleine Zeit Gedult zu haben/ biß daß vollend herzu kommen moͤgen unſere Mitknechte und Bruͤder/ wie dem Theologo bey Offenbarung des fuͤnfften Siegels gezei- get wurde. Die vollkommene/ endliche und ewige Seligkeit iſt dem gantzen Menſchen und nicht allein der Seelen verheiſ- ſen. Selbte Seligkeit iſt das hoͤchſte Gutt des Menſchen/ welches alle Begierde und Verlangen ſtillet/ daß/ wer es hat/ nichts anders mehr begehren kan. Nun haben die Seelen noch nicht alles Gutte/ ſondern noch viel im Verlangen. Ob ſie gleich ſchon ſelig/ ſo haben ſie doch noch nicht das voͤllige Ende der Verheiſſungen GOttes/ da ſie nicht allein/ ſondern auch die Leiber zugleich gekroͤnet werden/ und das Angeſicht GOttes anſchauen ſollen. Welche aber GOtt von Ange- ſicht zu Angeſicht ſchauen/ die haben alles in allem/ lehret des HErrn Apoſtel. Darum heiſſet es von denen abgeſchiede- nen/ aber annoch wartenden Seelen: Wir ſind zwar ſchon GOttes Kinder und allbereit ſelig/ aber es iſt noch nicht er- ſchienen/ was wir ſeyn werden. Das wiſſen wir aber/ wenn es erſcheinen wird/ (oder wie der Syriſche Dollmetſcher es giebet/ wenn er ſelbſt erſcheinen wird/) daß wir ihm gleich ſeyn werden: Denn wir werden ihn ſehen/ wie er iſt. Es iſt billig/ ſchrieb ſchon vor 800. Jahren ein andaͤchtiger Mann/ daß die/ ſo in Leib und Seele GOtt gedienet/ auch zugleich an Leib und Seele die Gnaden-Belohnung empfan- gen. Darum ſollen wir die Vollkommenheit erſt in der Auf- ferſtehung erlangen. Eben wie/ wenn die Soͤhne vom Felde kom- (B)

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Das Exemplar enthält mehrere Werke. Herausgegeben… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/abschatz_gedichte_1704
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/abschatz_gedichte_1704/37
Zitationshilfe: Abschatz, Hans Assmann von: Poetische Ubersetzungen und Gedichte. Leipzig, 1704, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/abschatz_gedichte_1704/37>, abgerufen am 19.04.2024.