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Böttner, Konrad: I. N. J. Der Nach Gottes Willen seelig entschlaffenen Gott und Tugend ergebenen Jungfer. Lauban, [1733].

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Vermählung Freude in Sie fallen, wie erqvickender Thau ins Gras;
den noch eintzigen Funcken läßt GOTT verlöschen, den noch eintzigen
grünen Ast läßt GOTT verdorren. Sie sprechen: GOTT hat uns
mit Bitterkeit gesätiget, und mit Wermuth geträncket.
Wer wol-
te Jhnen das verargen?

Jch habe vor mir der in GOTT entschlaffenen geehrte Frau
Grosse-Mutter.
Diese betagte fromme Hanna hat ehedessen in
den und den herben Apfel beissen müssen. GOTT sätigte Sie mit
Bitterkeit, GOTT tränckte Sie mit Wermuth.
Sie wurde zur
Wittwe, Sie wurde vidua, vi duata von dem, der nächst GOTT
Jhr größter Schatz war, getrennet durch die Gewalt des Todes. Noch
nicht genung. Sie muß nun auch in den äussersten Jammer gesetzt wer-
den durch das Ableben derjenigen Enckelin, an der Sie hing, wie Ja-
cob an dem Benjamin.

Jch habe vor mir c. Tit. deb. Herrn, Herrn M. Samuel
Seideln, des gemeldten Laubanischen
Lycei best-meriti-
renden Con-Rectorem. Wer ist ohne Liebe? Wärest da allen Men-
schen gram, du wirst zum wenigsten dich lieb haben. Jn gedachtem
Herrn Con. Rectore hatte GOTT erwecket reine Flammen der Liebe
zu der Seeligen. Das war die Rahel, welche Er sich erwehlte, und
die Er höher achtete, als Gold. Statt des Beylagers, das nun et-
wan künftig wäre veranstaltet worden, eine gefährliche Niederlage;
statt des Schmuckes, den man besorgt, wenn man Hochzeit machen
wil, der Sterbe-Kittel. Er kan sich kaum fassen; GOttes wunderba-
re Wege sind Jhm zu hoch; Er spricht: GOTT hat mich mit Bit-
terkeit gesätiget, und mit Wermuth geträncket.

Hat Sie GOTT mit Bitterkeit gesätiget, ich wüntschte, daß
ich fähig wäre Sie zu sätigen mit dem, was das Gemüthe befriediget;
hat Sie GOTT mit Wermuth geträncket, ich wüntschte, daß ich fä-
hig wäre Sie zu träncken mit dem Weine des nachdrücklichsten Tro-
stes. Jch muß aber bekennen mit Mose: Jch bin ie und ie nicht wol
beredt gewesen.
Doch was ich nicht würcken kan, das wird GOTT
würcken durch Abhandlung des Textes, den ich betrachten wil nach dem

Vermö-
A 3

Vermaͤhlung Freude in Sie fallen, wie erqvickender Thau ins Gras;
den noch eintzigen Funcken laͤßt GOTT verloͤſchen, den noch eintzigen
gruͤnen Aſt laͤßt GOTT verdorren. Sie ſprechen: GOTT hat uns
mit Bitterkeit geſaͤtiget, und mit Wermuth getraͤncket.
Wer wol-
te Jhnen das verargen?

Jch habe vor mir der in GOTT entſchlaffenen geehrte Frau
Groſſe-Mutter.
Dieſe betagte fromme Hanna hat ehedeſſen in
den und den herben Apfel beiſſen muͤſſen. GOTT ſaͤtigte Sie mit
Bitterkeit, GOTT traͤnckte Sie mit Wermuth.
Sie wurde zur
Wittwe, Sie wurde vidua, vi duata von dem, der naͤchſt GOTT
Jhr groͤßter Schatz war, getrennet durch die Gewalt des Todes. Noch
nicht genung. Sie muß nun auch in den aͤuſſerſten Jammer geſetzt wer-
den durch das Ableben derjenigen Enckelin, an der Sie hing, wie Ja-
cob an dem Benjamin.

Jch habe vor mir c. Tit. deb. Herrn, Herrn M. Samuel
Seideln, des gemeldten Laubaniſchen
Lycei beſt-meriti-
renden Con-Rectorem. Wer iſt ohne Liebe? Waͤreſt da allen Men-
ſchen gram, du wirſt zum wenigſten dich lieb haben. Jn gedachtem
Herrn Con. Rectore hatte GOTT erwecket reine Flammen der Liebe
zu der Seeligen. Das war die Rahel, welche Er ſich erwehlte, und
die Er hoͤher achtete, als Gold. Statt des Beylagers, das nun et-
wan kuͤnftig waͤre veranſtaltet worden, eine gefaͤhrliche Niederlage;
ſtatt des Schmuckes, den man beſorgt, wenn man Hochzeit machen
wil, der Sterbe-Kittel. Er kan ſich kaum faſſen; GOttes wunderba-
re Wege ſind Jhm zu hoch; Er ſpricht: GOTT hat mich mit Bit-
terkeit geſaͤtiget, und mit Wermuth getraͤncket.

Hat Sie GOTT mit Bitterkeit geſaͤtiget, ich wuͤntſchte, daß
ich faͤhig waͤre Sie zu ſaͤtigen mit dem, was das Gemuͤthe befriediget;
hat Sie GOTT mit Wermuth getraͤncket, ich wuͤntſchte, daß ich faͤ-
hig waͤre Sie zu traͤncken mit dem Weine des nachdruͤcklichſten Tro-
ſtes. Jch muß aber bekennen mit Moſe: Jch bin ie und ie nicht wol
beredt geweſen.
Doch was ich nicht wuͤrcken kan, das wird GOTT
wuͤrcken durch Abhandlung des Textes, den ich betrachten wil nach dem

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A 3
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[5/0005] Vermaͤhlung Freude in Sie fallen, wie erqvickender Thau ins Gras; den noch eintzigen Funcken laͤßt GOTT verloͤſchen, den noch eintzigen gruͤnen Aſt laͤßt GOTT verdorren. Sie ſprechen: GOTT hat uns mit Bitterkeit geſaͤtiget, und mit Wermuth getraͤncket. Wer wol- te Jhnen das verargen? Jch habe vor mir der in GOTT entſchlaffenen geehrte Frau Groſſe-Mutter. Dieſe betagte fromme Hanna hat ehedeſſen in den und den herben Apfel beiſſen muͤſſen. GOTT ſaͤtigte Sie mit Bitterkeit, GOTT traͤnckte Sie mit Wermuth. Sie wurde zur Wittwe, Sie wurde vidua, vi duata von dem, der naͤchſt GOTT Jhr groͤßter Schatz war, getrennet durch die Gewalt des Todes. Noch nicht genung. Sie muß nun auch in den aͤuſſerſten Jammer geſetzt wer- den durch das Ableben derjenigen Enckelin, an der Sie hing, wie Ja- cob an dem Benjamin. Jch habe vor mir c. Tit. deb. Herrn, Herrn M. Samuel Seideln, des gemeldten Laubaniſchen Lycei beſt-meriti- renden Con-Rectorem. Wer iſt ohne Liebe? Waͤreſt da allen Men- ſchen gram, du wirſt zum wenigſten dich lieb haben. Jn gedachtem Herrn Con. Rectore hatte GOTT erwecket reine Flammen der Liebe zu der Seeligen. Das war die Rahel, welche Er ſich erwehlte, und die Er hoͤher achtete, als Gold. Statt des Beylagers, das nun et- wan kuͤnftig waͤre veranſtaltet worden, eine gefaͤhrliche Niederlage; ſtatt des Schmuckes, den man beſorgt, wenn man Hochzeit machen wil, der Sterbe-Kittel. Er kan ſich kaum faſſen; GOttes wunderba- re Wege ſind Jhm zu hoch; Er ſpricht: GOTT hat mich mit Bit- terkeit geſaͤtiget, und mit Wermuth getraͤncket. Hat Sie GOTT mit Bitterkeit geſaͤtiget, ich wuͤntſchte, daß ich faͤhig waͤre Sie zu ſaͤtigen mit dem, was das Gemuͤthe befriediget; hat Sie GOTT mit Wermuth getraͤncket, ich wuͤntſchte, daß ich faͤ- hig waͤre Sie zu traͤncken mit dem Weine des nachdruͤcklichſten Tro- ſtes. Jch muß aber bekennen mit Moſe: Jch bin ie und ie nicht wol beredt geweſen. Doch was ich nicht wuͤrcken kan, das wird GOTT wuͤrcken durch Abhandlung des Textes, den ich betrachten wil nach dem Vermoͤ- A 3

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Zitationshilfe: Böttner, Konrad: I. N. J. Der Nach Gottes Willen seelig entschlaffenen Gott und Tugend ergebenen Jungfer. Lauban, [1733], S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/542451/5>, abgerufen am 28.03.2024.