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Böttner, Konrad: Leichen- und Gedächtniß-Rede. Lauban, 1740.

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Kein Lehrer lehret uns mehr, an dem fehlts. Es erhel-
let aus dem 74sten derer Psalmen Davids.

Was ist doch gelegen an geschickten Lehrern? Jst der Ver-
stand noch so fähig, er muß durch die Ubung geschärffet wer-
den, sonst ist er dem Eisen ähnlich. Das Eisen verrostet,
braucht mans nicht. Der Verstand aber wird geschärffet,
sind es geschickte Lehrer, welcher man sich bedienet.

Vitringa hat vorgegeben, Christus wäre nach der Ju-
den Art Doctor worden, das hätte er werden müssen, sonst
würde er die Freyheit offentlich zu lehren nicht gehabt haben.
Das sey, wie es sey. Christus war der Lehrer aller Lehrer,
wie er ist der Herr aller Herren.

Derer Lehrer Arbeit ist Kopf-Arbeit. Was Kopf-Ar-
beit ist, verstehet der Pöbel nicht. Wer lehret, muß viel
leiden, sonderlich leidet der Kopf viel, der wird angestren-
get, biß man bricht und zerbricht.

Chrysologus soll gesaget haben: wäre noch ein Paradiß
auf Erden, es wäre da, wo Kirchen und Schulen recht be-
stellet sind. Es hat hingegen Phantasten, die lärmen und
schwärmen, des Lehrstandes könne man entbehren, man ha-
be GOttes innerlichen Zuspruch, an dem müsse man sich ge-
nügen lassen. Wer hellere Augen hat, wird denen nicht
beypflichten.

Man lehret, und lehret in den Kirchen; doch hat die
Welt falsche Joabs, neidische Labans, unzüchtige Am-
mons. Was würde die Welt nicht haben, liesse man den
Lehrstand gar eingehen?

Derer Kirchen Schwestern sind die Schulen. Wer sich
zur Kirche oder zur Schule hält, hält sich zu Bronnen, aus
denen Wasser geschöpfet wird, reines Wasser, Wasser wohl-

gegrün-

Kein Lehrer lehret uns mehr, an dem fehlts. Es erhel-
let aus dem 74ſten derer Pſalmen Davids.

Was iſt doch gelegen an geſchickten Lehrern? Jſt der Ver-
ſtand noch ſo faͤhig, er muß durch die Ubung geſchaͤrffet wer-
den, ſonſt iſt er dem Eiſen aͤhnlich. Das Eiſen verroſtet,
braucht mans nicht. Der Verſtand aber wird geſchaͤrffet,
ſind es geſchickte Lehrer, welcher man ſich bedienet.

Vitringa hat vorgegeben, Chriſtus waͤre nach der Ju-
den Art Doctor worden, das haͤtte er werden muͤſſen, ſonſt
wuͤrde er die Freyheit offentlich zu lehren nicht gehabt haben.
Das ſey, wie es ſey. Chriſtus war der Lehrer aller Lehrer,
wie er iſt der Herr aller Herren.

Derer Lehrer Arbeit iſt Kopf-Arbeit. Was Kopf-Ar-
beit iſt, verſtehet der Poͤbel nicht. Wer lehret, muß viel
leiden, ſonderlich leidet der Kopf viel, der wird angeſtren-
get, biß man bricht und zerbricht.

Chryſologus ſoll geſaget haben: waͤre noch ein Paradiß
auf Erden, es waͤre da, wo Kirchen und Schulen recht be-
ſtellet ſind. Es hat hingegen Phantaſten, die laͤrmen und
ſchwaͤrmen, des Lehrſtandes koͤnne man entbehren, man ha-
be GOttes innerlichen Zuſpruch, an dem muͤſſe man ſich ge-
nuͤgen laſſen. Wer hellere Augen hat, wird denen nicht
beypflichten.

Man lehret, und lehret in den Kirchen; doch hat die
Welt falſche Joabs, neidiſche Labans, unzuͤchtige Am-
mons. Was wuͤrde die Welt nicht haben, lieſſe man den
Lehrſtand gar eingehen?

Derer Kirchen Schweſtern ſind die Schulen. Wer ſich
zur Kirche oder zur Schule haͤlt, haͤlt ſich zu Bronnen, aus
denen Waſſer geſchoͤpfet wird, reines Waſſer, Waſſer wohl-

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[6/0007] Kein Lehrer lehret uns mehr, an dem fehlts. Es erhel- let aus dem 74ſten derer Pſalmen Davids. Was iſt doch gelegen an geſchickten Lehrern? Jſt der Ver- ſtand noch ſo faͤhig, er muß durch die Ubung geſchaͤrffet wer- den, ſonſt iſt er dem Eiſen aͤhnlich. Das Eiſen verroſtet, braucht mans nicht. Der Verſtand aber wird geſchaͤrffet, ſind es geſchickte Lehrer, welcher man ſich bedienet. Vitringa hat vorgegeben, Chriſtus waͤre nach der Ju- den Art Doctor worden, das haͤtte er werden muͤſſen, ſonſt wuͤrde er die Freyheit offentlich zu lehren nicht gehabt haben. Das ſey, wie es ſey. Chriſtus war der Lehrer aller Lehrer, wie er iſt der Herr aller Herren. Derer Lehrer Arbeit iſt Kopf-Arbeit. Was Kopf-Ar- beit iſt, verſtehet der Poͤbel nicht. Wer lehret, muß viel leiden, ſonderlich leidet der Kopf viel, der wird angeſtren- get, biß man bricht und zerbricht. Chryſologus ſoll geſaget haben: waͤre noch ein Paradiß auf Erden, es waͤre da, wo Kirchen und Schulen recht be- ſtellet ſind. Es hat hingegen Phantaſten, die laͤrmen und ſchwaͤrmen, des Lehrſtandes koͤnne man entbehren, man ha- be GOttes innerlichen Zuſpruch, an dem muͤſſe man ſich ge- nuͤgen laſſen. Wer hellere Augen hat, wird denen nicht beypflichten. Man lehret, und lehret in den Kirchen; doch hat die Welt falſche Joabs, neidiſche Labans, unzuͤchtige Am- mons. Was wuͤrde die Welt nicht haben, lieſſe man den Lehrſtand gar eingehen? Derer Kirchen Schweſtern ſind die Schulen. Wer ſich zur Kirche oder zur Schule haͤlt, haͤlt ſich zu Bronnen, aus denen Waſſer geſchoͤpfet wird, reines Waſſer, Waſſer wohl- gegruͤn-

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Zitationshilfe: Böttner, Konrad: Leichen- und Gedächtniß-Rede. Lauban, 1740, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/508578/7>, abgerufen am 16.04.2024.