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Arnold, Johannes: Die Bittere Klage über den Erschlagenen in meinem Volck. Pirna, 1713.

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Die bittere Klage
storbene und dessen hinterbliebene Freunde und Anverwandten. Denn
da David hörete/ daß sein treuer Freund Jonathan auff dem Gebürge
erschlagen/ ließ er nicht alsobald mit seinem Tode alle Liebe und Freund-
schafft aus seinem Hertzen verschwinden/ sondern stellete eine sehr bittere
Klage über denselben an/ heulete und schrie: Jonathan ist auff deinen
Höhen erschlagen; es ist mir leid um dich/ mein Bruder Jona-
than!

Uber welche beständige Freundschafft Davids gegen Jonathan die
Gelehrten schreiben:

Alter in altero.
Es konten diese zwey Personen
Jn einem Leibe friedlich wohnen.

Und dieses sehen wir an dem Exempel Abrahams gegen sein liebes Weib
Sara/ (Gen. XXIII, 1. 2.) Jacobs und Josephs/ (Gen. XXXVII, 35.)
Naemi und Ruths/ (Ruth. I, 16.) Davids und Hirams/ (1. Reg. V, 1.)
Ja unsers Heylandes gegen Lazarum/ (Joh. XI, 33. seq.) Zu geschweigen
der vielen Exempel aus der Profan-Historia/ in welchen allen wir unsere
obgesetzte Thesin und Schluß bekräfftiget finden. Laurentius Faustus
gedencket im Sächsischen Stamm-Buch von Chur-Fürst Augusto zu
Sachsen/ und Johann George/ Chur-Fürst zu Brandenburg/ daß sie ein-
ander so treulich geliebet/ daß auch einer des andern Bildniß mit ins Grab
genommen. Rittershusius erzehlet in seiner Genealogie von Francisco I.
König in Franckreich/ daß/ da er gehöret/ Heinricus II. König in Engel-
land sey gestorben/ sey er allezeit traurig/ und biß an sein Ende melancho-
lisch gewesen; Und ein gelehrter Commentator über den Julium Caesa-
rem
schreibet: Es wären in Egypten gewisse Freunde gewesen/ welche
Sunapothneskontes, cummorientes, oder Mit-sterbende wären genennet
worden/ weil sie ein stetswährendes Andencken ihrer verstorbenen Freunde
bey sich behalten/ und darüber betrübet; welche beständige Liebe gegen die
verstorbenen Freunde der grosse GOtt der Natur gleichsam selber einge-
pflantzet/ indem die Physici oder Naturkündiger von der Turteltaube
schreiben/ daß sie sich/ nach Verlust ihres Ehegattens/ mit keinem andern
gatte/ weßhalben die Gelehrten darzu schreiben:

Et solitaria & sola,
Einsam und allein/
Will ich stetig seyn.
Und

Die bittere Klage
ſtorbene und deſſen hinterbliebene Freunde und Anverwandten. Denn
da David hoͤrete/ daß ſein treuer Freund Jonathan auff dem Gebuͤrge
erſchlagen/ ließ er nicht alſobald mit ſeinem Tode alle Liebe und Freund-
ſchafft aus ſeinem Hertzen verſchwinden/ ſondern ſtellete eine ſehr bittere
Klage uͤber denſelben an/ heulete und ſchrie: Jonathan iſt auff deinen
Hoͤhen erſchlagen; es iſt mir leid um dich/ mein Bruder Jona-
than!

Uber welche beſtaͤndige Freundſchafft Davids gegen Jonathan die
Gelehrten ſchreiben:

Alter in altero.
Es konten dieſe zwey Perſonen
Jn einem Leibe friedlich wohnen.

Und dieſes ſehen wir an dem Exempel Abrahams gegen ſein liebes Weib
Sara/ (Gen. XXIII, 1. 2.) Jacobs und Joſephs/ (Gen. XXXVII, 35.)
Naemi und Ruths/ (Ruth. I, 16.) Davids und Hirams/ (1. Reg. V, 1.)
Ja unſers Heylandes gegen Lazarum/ (Joh. XI, 33. ſeq.) Zu geſchweigen
der vielen Exempel aus der Profan-Hiſtoria/ in welchen allen wir unſere
obgeſetzte Theſin und Schluß bekraͤfftiget finden. Laurentius Fauſtus
gedencket im Saͤchſiſchen Stamm-Buch von Chur-Fuͤrſt Auguſto zu
Sachſen/ und Johann George/ Chur-Fuͤrſt zu Brandenburg/ daß ſie ein-
ander ſo treulich geliebet/ daß auch einer des andern Bildniß mit ins Grab
genommen. Rittershuſius erzehlet in ſeiner Genealogie von Franciſco I.
Koͤnig in Franckreich/ daß/ da er gehoͤret/ Heinricus II. Koͤnig in Engel-
land ſey geſtorben/ ſey er allezeit traurig/ und biß an ſein Ende melancho-
liſch geweſen; Und ein gelehrter Commentator uͤber den Julium Cæſa-
rem
ſchreibet: Es waͤren in Egypten gewiſſe Freunde geweſen/ welche
Συναποϑνήσκοντες, cummorientes, oder Mit-ſterbende waͤren genennet
worden/ weil ſie ein ſtetswaͤhrendes Andencken ihrer verſtorbenen Freunde
bey ſich behalten/ und daruͤber betruͤbet; welche beſtaͤndige Liebe gegen die
verſtorbenen Freunde der groſſe GOtt der Natur gleichſam ſelber einge-
pflantzet/ indem die Phyſici oder Naturkuͤndiger von der Turteltaube
ſchreiben/ daß ſie ſich/ nach Verluſt ihres Ehegattens/ mit keinem andern
gatte/ weßhalben die Gelehrten darzu ſchreiben:

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Einſam und allein/
Will ich ſtetig ſeyn.
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[30/0030] Die bittere Klage ſtorbene und deſſen hinterbliebene Freunde und Anverwandten. Denn da David hoͤrete/ daß ſein treuer Freund Jonathan auff dem Gebuͤrge erſchlagen/ ließ er nicht alſobald mit ſeinem Tode alle Liebe und Freund- ſchafft aus ſeinem Hertzen verſchwinden/ ſondern ſtellete eine ſehr bittere Klage uͤber denſelben an/ heulete und ſchrie: Jonathan iſt auff deinen Hoͤhen erſchlagen; es iſt mir leid um dich/ mein Bruder Jona- than! Uber welche beſtaͤndige Freundſchafft Davids gegen Jonathan die Gelehrten ſchreiben: Alter in altero. Es konten dieſe zwey Perſonen Jn einem Leibe friedlich wohnen. Und dieſes ſehen wir an dem Exempel Abrahams gegen ſein liebes Weib Sara/ (Gen. XXIII, 1. 2.) Jacobs und Joſephs/ (Gen. XXXVII, 35.) Naemi und Ruths/ (Ruth. I, 16.) Davids und Hirams/ (1. Reg. V, 1.) Ja unſers Heylandes gegen Lazarum/ (Joh. XI, 33. ſeq.) Zu geſchweigen der vielen Exempel aus der Profan-Hiſtoria/ in welchen allen wir unſere obgeſetzte Theſin und Schluß bekraͤfftiget finden. Laurentius Fauſtus gedencket im Saͤchſiſchen Stamm-Buch von Chur-Fuͤrſt Auguſto zu Sachſen/ und Johann George/ Chur-Fuͤrſt zu Brandenburg/ daß ſie ein- ander ſo treulich geliebet/ daß auch einer des andern Bildniß mit ins Grab genommen. Rittershuſius erzehlet in ſeiner Genealogie von Franciſco I. Koͤnig in Franckreich/ daß/ da er gehoͤret/ Heinricus II. Koͤnig in Engel- land ſey geſtorben/ ſey er allezeit traurig/ und biß an ſein Ende melancho- liſch geweſen; Und ein gelehrter Commentator uͤber den Julium Cæſa- rem ſchreibet: Es waͤren in Egypten gewiſſe Freunde geweſen/ welche Συναποϑνήσκοντες, cummorientes, oder Mit-ſterbende waͤren genennet worden/ weil ſie ein ſtetswaͤhrendes Andencken ihrer verſtorbenen Freunde bey ſich behalten/ und daruͤber betruͤbet; welche beſtaͤndige Liebe gegen die verſtorbenen Freunde der groſſe GOtt der Natur gleichſam ſelber einge- pflantzet/ indem die Phyſici oder Naturkuͤndiger von der Turteltaube ſchreiben/ daß ſie ſich/ nach Verluſt ihres Ehegattens/ mit keinem andern gatte/ weßhalben die Gelehrten darzu ſchreiben: Et ſolitaria & ſola, Einſam und allein/ Will ich ſtetig ſeyn. Und

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Zitationshilfe: Arnold, Johannes: Die Bittere Klage über den Erschlagenen in meinem Volck. Pirna, 1713, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/392439/30>, abgerufen am 19.04.2024.