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Arnold, Johannes: Die Bittere Klage über den Erschlagenen in meinem Volck. Pirna, 1713.

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über den Erschlagenen in meinem Volck.
drum rühmet er von derselben: Das Hertz freuet sich der Salben und
Rauchwerck; aber ein Freund ist lieblich/ um Rath willen der Seelen/
(Prov. XXVII, 9.) Wormit Syrach übereinstimmet: Ein treuer Freund
ist ein starcker Schutz/ wer den hat/ der hat einen grossen Schatz. Ein treu-
er Freund ist mit keinem Gelde noch Guth zu bezahlen. Ein treuer Freund
ist ein Trost des Lebens/ wer GOtt fürchtet/ der krieget solchen Freund/
(Syr. VI, 14. 15. 16.) Der Römische Käyser Albertus II. führete dieses Sym-
bolum:

Amicus optimae vitae possessio.

Das heist vergnügt gelebt/ viel treue Freunde haben/
Mit denen sich das Hertz zu aller Zeit kan laben.

Und diese süsse Vergnügung hatte auch David an seinem Hertzens-
Freund Jonathan/ wiewohl sie ihn hernach/ nach dessen Verlust/ zur ob-
gedachten bittern Klage bewog. Ja er ward auch zur selben angetrie-
ben

p. Per constantem amoris & amicitiae singularitatem & sin-
ceritatem,
durch die beständige/ gar sonder- und wunder-
bare Auffrichtigkeit seiner Liebe und Freundschafft.

Denn es heist im Texte: Deine Liebe ist mir sonderlicher gewe-
sen/ denn Frauen-Liebe.
Amor tuus admirabilis fuit, prae amore mu-
lierum,
heist es in seiner Sprache; Deine Liebe ist mir viel wunderbarer
gewesen/ denn Frauen-Liebe. Hier wollen wir uns mit denen Auslegern
nicht weitläufftig auffhalten/ ob das Wörtlein ahabt@ deine Liebe/ acti-
ve
von Jonathan zu verstehen sey/ und also müsse gegeben werden: Deine
Liebe/ o Jonathan/ womit du mich bißhero umfasset hast/ ist mir sonder-
licher gewesen/ denn Frauen-Liebe ist; Oder ob es passive müste genom-
men werden/ von der Liebe Davids/ womit er Jonathan geliebet/ und al-
so im Teutschen müste übersetzet werden: Deine Liebe/ womit du von mir
bißhero bist umfasset worden/ ist mir sonderlicher gewesen/ denn Frauen-
Liebe. Denn diesen Streit hat der selige Herr D. Sebastian Schmidius
in seinem Commentario in h. l. weitläufftig angeführet/ entscheidet/ und
nimmt es in sensu passivo, vor die Liebe Davids gegen Jonathan; mit
welchem wir es auch halten/ und dahero gar leicht erweisen können/ weil
David diese seine Liebe gegen Jonathan/ als eine wichtige Motive und
Ursache anführet/ welche ihn zur bittern Klage über Jonathan bewoge.
Doch ist auch dieses nicht zu läugnen/ daß David von Jonathan auch
recht hertzlich geliebet/ und durch dieselbe aus vieler Gefahr seines Lebens

von

uͤber den Erſchlagenen in meinem Volck.
drum ruͤhmet er von derſelben: Das Hertz freuet ſich der Salben und
Rauchwerck; aber ein Freund iſt lieblich/ um Rath willen der Seelen/
(Prov. XXVII, 9.) Wormit Syrach uͤbereinſtimmet: Ein treuer Freund
iſt ein ſtarcker Schutz/ wer den hat/ der hat einen groſſen Schatz. Ein treu-
er Freund iſt mit keinem Gelde noch Guth zu bezahlen. Ein treuer Freund
iſt ein Troſt des Lebens/ wer GOtt fuͤrchtet/ der krieget ſolchen Freund/
(Syr. VI, 14. 15. 16.) Der Roͤmiſche Kaͤyſer Albertus II. fuͤhrete dieſes Sym-
bolum:

Amicus optimæ vitæ poſſesſio.

Das heiſt vergnuͤgt gelebt/ viel treue Freunde haben/
Mit denen ſich das Hertz zu aller Zeit kan laben.

Und dieſe ſuͤſſe Vergnuͤgung hatte auch David an ſeinem Hertzens-
Freund Jonathan/ wiewohl ſie ihn hernach/ nach deſſen Verluſt/ zur ob-
gedachten bittern Klage bewog. Ja er ward auch zur ſelben angetrie-
ben

p. Per conſtantem amoris & amicitiæ ſingularitatem & ſin-
ceritatem,
durch die beſtaͤndige/ gar ſonder- und wunder-
bare Auffrichtigkeit ſeiner Liebe und Freundſchafft.

Denn es heiſt im Texte: Deine Liebe iſt mir ſonderlicher gewe-
ſen/ denn Frauen-Liebe.
Amor tuus admirabilis fuit, præ amore mu-
lierum,
heiſt es in ſeiner Sprache; Deine Liebe iſt mir viel wunderbarer
geweſen/ denn Frauen-Liebe. Hier wollen wir uns mit denen Auslegern
nicht weitlaͤufftig auffhalten/ ob das Woͤrtlein אַהֲבׇתְּ deine Liebe/ acti-
ve
von Jonathan zu verſtehen ſey/ und alſo muͤſſe gegeben werden: Deine
Liebe/ ô Jonathan/ womit du mich bißhero umfaſſet haſt/ iſt mir ſonder-
licher geweſen/ denn Frauen-Liebe iſt; Oder ob es pasſivè muͤſte genom-
men werden/ von der Liebe Davids/ womit er Jonathan geliebet/ und al-
ſo im Teutſchen muͤſte uͤberſetzet werden: Deine Liebe/ womit du von mir
bißhero biſt umfaſſet worden/ iſt mir ſonderlicher geweſen/ denn Frauen-
Liebe. Denn dieſen Streit hat der ſelige Herr D. Sebaſtian Schmidius
in ſeinem Commentario in h. l. weitlaͤufftig angefuͤhret/ entſcheidet/ und
nim̃t es in ſenſu pasſivo, vor die Liebe Davids gegen Jonathan; mit
welchem wir es auch halten/ und dahero gar leicht erweiſen koͤnnen/ weil
David dieſe ſeine Liebe gegen Jonathan/ als eine wichtige Motive und
Urſache anfuͤhret/ welche ihn zur bittern Klage uͤber Jonathan bewoge.
Doch iſt auch dieſes nicht zu laͤugnen/ daß David von Jonathan auch
recht hertzlich geliebet/ und durch dieſelbe aus vieler Gefahr ſeines Lebens

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[23/0023] uͤber den Erſchlagenen in meinem Volck. drum ruͤhmet er von derſelben: Das Hertz freuet ſich der Salben und Rauchwerck; aber ein Freund iſt lieblich/ um Rath willen der Seelen/ (Prov. XXVII, 9.) Wormit Syrach uͤbereinſtimmet: Ein treuer Freund iſt ein ſtarcker Schutz/ wer den hat/ der hat einen groſſen Schatz. Ein treu- er Freund iſt mit keinem Gelde noch Guth zu bezahlen. Ein treuer Freund iſt ein Troſt des Lebens/ wer GOtt fuͤrchtet/ der krieget ſolchen Freund/ (Syr. VI, 14. 15. 16.) Der Roͤmiſche Kaͤyſer Albertus II. fuͤhrete dieſes Sym- bolum: Amicus optimæ vitæ poſſesſio. Das heiſt vergnuͤgt gelebt/ viel treue Freunde haben/ Mit denen ſich das Hertz zu aller Zeit kan laben. Und dieſe ſuͤſſe Vergnuͤgung hatte auch David an ſeinem Hertzens- Freund Jonathan/ wiewohl ſie ihn hernach/ nach deſſen Verluſt/ zur ob- gedachten bittern Klage bewog. Ja er ward auch zur ſelben angetrie- ben p. Per conſtantem amoris & amicitiæ ſingularitatem & ſin- ceritatem, durch die beſtaͤndige/ gar ſonder- und wunder- bare Auffrichtigkeit ſeiner Liebe und Freundſchafft. Denn es heiſt im Texte: Deine Liebe iſt mir ſonderlicher gewe- ſen/ denn Frauen-Liebe. Amor tuus admirabilis fuit, præ amore mu- lierum, heiſt es in ſeiner Sprache; Deine Liebe iſt mir viel wunderbarer geweſen/ denn Frauen-Liebe. Hier wollen wir uns mit denen Auslegern nicht weitlaͤufftig auffhalten/ ob das Woͤrtlein אַהֲבׇתְּ deine Liebe/ acti- ve von Jonathan zu verſtehen ſey/ und alſo muͤſſe gegeben werden: Deine Liebe/ ô Jonathan/ womit du mich bißhero umfaſſet haſt/ iſt mir ſonder- licher geweſen/ denn Frauen-Liebe iſt; Oder ob es pasſivè muͤſte genom- men werden/ von der Liebe Davids/ womit er Jonathan geliebet/ und al- ſo im Teutſchen muͤſte uͤberſetzet werden: Deine Liebe/ womit du von mir bißhero biſt umfaſſet worden/ iſt mir ſonderlicher geweſen/ denn Frauen- Liebe. Denn dieſen Streit hat der ſelige Herr D. Sebaſtian Schmidius in ſeinem Commentario in h. l. weitlaͤufftig angefuͤhret/ entſcheidet/ und nim̃t es in ſenſu pasſivo, vor die Liebe Davids gegen Jonathan; mit welchem wir es auch halten/ und dahero gar leicht erweiſen koͤnnen/ weil David dieſe ſeine Liebe gegen Jonathan/ als eine wichtige Motive und Urſache anfuͤhret/ welche ihn zur bittern Klage uͤber Jonathan bewoge. Doch iſt auch dieſes nicht zu laͤugnen/ daß David von Jonathan auch recht hertzlich geliebet/ und durch dieſelbe aus vieler Gefahr ſeines Lebens von

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Zitationshilfe: Arnold, Johannes: Die Bittere Klage über den Erschlagenen in meinem Volck. Pirna, 1713, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/392439/23>, abgerufen am 28.03.2024.