Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Posselt, August: I. N. J. Den sich selbst/ und die ihn hören/ seelig zu machen bemüheten Schul-Lehrer. Bautzen, [1712].

Bild:
<< vorherige Seite

seelig zu machen bemühete Schul-Lehrer.
bemercken/ das eben mir nicht in die Augen fällt. Wie Nicostratus das
einem sagte. Denn als dieser sonst berühmte Mahler die von Zeuxe ver-
fertigte Helene/ also genau betrachtete/ daß man wohl mercken konte/ daß
er sich über das Mahlwerck verwundere; und ihm einer anredete/ was er
denn daran so sehr bewundere/ antwortete er? Wenn du meine Augen hät-
test/ so fragtest du mich nicht; 9) Als wolte er sagen/ wenn du es so wohl ver-
stündest/ als ich/ so würdest du ebener gestalt dich verwundern/ und verste-
hen/ was an diesem Bilde so künstlich. Gründliche Wissenschafft muß da
seyn/ wo man im Lehr-Ambte überall recht fortkommen will. Dahero
der unten am Ende des Blattes angeführte Theodoretus daselbst/ endlich
spricht: Haud itaque cunctis mortalibus docere alios convenit, sed eis
duntaxat, qui & diuturnitate temporis & experientia doctrinam
sunt assecuti.
Demnechst kommts nicht allen Menschen zu/ daß sie leh-
ren/ sondern denen allein/ der beydes durch lange Zeit und Erfahrung die
Wissenschafft erlanget. Das heist gründliche Wissenschafft haben. Timo-
theo fehlte es an selber nicht/ wie Paulus selber in der andern an ihn geschrie-
benen Epistel Cap. 3. v. 15. spricht: Weil du von Jugend auf die Hei-
lige Schrifft weißest. Ja Paulus hatte ihn über das noch treulich un-
terrichtet/ wie in eben dieser andern Epistel 1. 13. stehet. Halt an dem
Fürbild der heilsamen Wort/ die du von mir gehöret hast/ von
Glauben und von der Liebe in Christo JESU. Er soll demnach fleis-
sig Acht haben auf das was er gelernet/ weil Lehrer Menschen sind und blei-
ben/ und also auch aus Wiederwillen was entfahren kan/ so soll Timotheus
Acht haben. Aber auch

B) Beharren/ beharre in diesen Stücken. Grotius wolte
uns lieber überreden/ das hier stehende epimenei autois solle so viel heissen/ als:
Bleibe bey ihnen/ nehmlich denen Ephesern. Allein ich sehe nicht warum
dieselben der Grotius anführet/ da es auch also gebrauchet werde/ sehe an

wer
9) Ex AElian. l. 14. Var. Hist. citantem vide Zvvingerum Theatr. V. it. Vol. 1.
L. 2. p. m. 156. b. (Edit. Locupl. de anno 1604. Bas.) iterum Vol. XX. l. 1.
pag. 3644. a.
B 2

ſeelig zu machen bemuͤhete Schul-Lehrer.
bemercken/ das eben mir nicht in die Augen faͤllt. Wie Nicoſtratus das
einem ſagte. Denn als dieſer ſonſt beruͤhmte Mahler die von Zeuxe ver-
fertigte Helene/ alſo genau betrachtete/ daß man wohl mercken konte/ daß
er ſich uͤber das Mahlwerck verwundere; und ihm einer anredete/ was er
denn daran ſo ſehr bewundere/ antwortete er? Wenn du meine Augen haͤt-
teſt/ ſo fragteſt du mich nicht; 9) Als wolte er ſagen/ wenn du es ſo wohl ver-
ſtuͤndeſt/ als ich/ ſo wuͤrdeſt du ebener geſtalt dich verwundern/ und verſte-
hen/ was an dieſem Bilde ſo kuͤnſtlich. Gruͤndliche Wiſſenſchafft muß da
ſeyn/ wo man im Lehr-Ambte uͤberall recht fortkommen will. Dahero
der unten am Ende des Blattes angefuͤhrte Theodoretus daſelbſt/ endlich
ſpricht: Haud itaque cunctis mortalibus docere alios convenit, ſed eis
duntaxat, qui & diuturnitate temporis & experientia doctrinam
ſunt aſſecuti.
Demnechſt kommts nicht allen Menſchen zu/ daß ſie leh-
ren/ ſondern denen allein/ der beydes durch lange Zeit und Erfahrung die
Wiſſenſchafft erlanget. Das heiſt gruͤndliche Wiſſenſchafft haben. Timo-
theo fehlte es an ſelber nicht/ wie Paulus ſelber in der andern an ihn geſchrie-
benen Epiſtel Cap. 3. v. 15. ſpricht: Weil du von Jugend auf die Hei-
lige Schrifft weißeſt. Ja Paulus hatte ihn uͤber das noch treulich un-
terrichtet/ wie in eben dieſer andern Epiſtel 1. 13. ſtehet. Halt an dem
Fuͤrbild der heilſamen Wort/ die du von mir gehoͤret haſt/ von
Glauben und von der Liebe in Chriſto JESU. Er ſoll demnach fleiſ-
ſig Acht haben auf das was er gelernet/ weil Lehrer Menſchen ſind und blei-
ben/ und alſo auch aus Wiederwillen was entfahren kan/ ſo ſoll Timotheus
Acht haben. Aber auch

B) Beharren/ beharre in dieſen Stuͤcken. Grotius wolte
uns lieber uͤberreden/ das hier ſtehende ἐπιμένει ἀυτοῖς ſolle ſo viel heiſſen/ als:
Bleibe bey ihnen/ nehmlich denen Epheſern. Allein ich ſehe nicht warum
dieſelben der Grotius anfuͤhret/ da es auch alſo gebrauchet werde/ ſehe an

wer
9) Ex Ælian. l. 14. Var. Hiſt. citantem vide Zvvingerum Theatr. V. it. Vol. 1.
L. 2. p. m. 156. b. (Edit. Locupl. de anno 1604. Baſ.) iterum Vol. XX. l. 1.
pag. 3644. a.
B 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="fsSermon" n="1">
        <div type="fsExordium" n="2">
          <p><pb facs="#f0013" n="11"/><fw type="header" place="top"><hi rendition="#b">&#x017F;eelig zu machen bemu&#x0364;hete Schul-Lehrer.</hi></fw><lb/>
bemercken/ das eben mir nicht in die Augen fa&#x0364;llt. Wie <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Nico&#x017F;tratus</hi></hi> das<lb/>
einem &#x017F;agte. Denn als die&#x017F;er &#x017F;on&#x017F;t beru&#x0364;hmte Mahler die von <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Zeuxe</hi></hi> ver-<lb/>
fertigte Helene/ al&#x017F;o genau betrachtete/ daß man wohl mercken konte/ daß<lb/>
er &#x017F;ich u&#x0364;ber das Mahlwerck verwundere; und ihm einer anredete/ was er<lb/>
denn daran &#x017F;o &#x017F;ehr bewundere/ antwortete er? Wenn du meine Augen ha&#x0364;t-<lb/>
te&#x017F;t/ &#x017F;o fragte&#x017F;t du mich nicht; <note place="foot" n="9)"><hi rendition="#aq">Ex Ælian. l. 14. Var. Hi&#x017F;t. citantem vide Zvvingerum Theatr. V. it. Vol. 1.<lb/>
L. 2. p. m. 156. b. (Edit. Locupl. de anno 1604. Ba&#x017F;.) iterum Vol. XX. l. 1.<lb/>
pag. 3644. a.</hi></note> Als wolte er &#x017F;agen/ wenn du es &#x017F;o wohl ver-<lb/>
&#x017F;tu&#x0364;nde&#x017F;t/ als ich/ &#x017F;o wu&#x0364;rde&#x017F;t du ebener ge&#x017F;talt dich verwundern/ und ver&#x017F;te-<lb/>
hen/ was an die&#x017F;em Bilde &#x017F;o ku&#x0364;n&#x017F;tlich. Gru&#x0364;ndliche Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chafft muß da<lb/>
&#x017F;eyn/ wo man im Lehr-Ambte u&#x0364;berall recht fortkommen will. Dahero<lb/>
der unten am Ende des Blattes angefu&#x0364;hrte <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Theodoretus</hi></hi> da&#x017F;elb&#x017F;t/ endlich<lb/>
&#x017F;pricht: <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Haud itaque cunctis mortalibus docere alios convenit, &#x017F;ed eis<lb/>
duntaxat, qui &amp; diuturnitate temporis &amp; experientia doctrinam<lb/>
&#x017F;unt a&#x017F;&#x017F;ecuti.</hi></hi> Demnech&#x017F;t kommts nicht allen Men&#x017F;chen zu/ daß &#x017F;ie leh-<lb/>
ren/ &#x017F;ondern denen allein/ der beydes durch lange Zeit und Erfahrung die<lb/>
Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chafft erlanget. Das hei&#x017F;t gru&#x0364;ndliche Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chafft haben. Timo-<lb/>
theo fehlte es an &#x017F;elber nicht/ wie Paulus &#x017F;elber in der andern an ihn ge&#x017F;chrie-<lb/>
benen Epi&#x017F;tel Cap. 3. v. 15. &#x017F;pricht: Weil du von Jugend auf die Hei-<lb/>
lige Schrifft weiße&#x017F;t. Ja Paulus hatte ihn u&#x0364;ber das noch treulich un-<lb/>
terrichtet/ wie in eben die&#x017F;er andern Epi&#x017F;tel 1. 13. &#x017F;tehet. Halt an dem<lb/>
Fu&#x0364;rbild der heil&#x017F;amen Wort/ die du von mir geho&#x0364;ret ha&#x017F;t/ von<lb/>
Glauben und von der Liebe in Chri&#x017F;to JESU. Er &#x017F;oll demnach flei&#x017F;-<lb/>
&#x017F;ig Acht haben auf das was er gelernet/ weil Lehrer Men&#x017F;chen &#x017F;ind und blei-<lb/>
ben/ und al&#x017F;o auch aus Wiederwillen was entfahren kan/ &#x017F;o &#x017F;oll Timotheus<lb/>
Acht haben. Aber auch</p><lb/>
          <p><hi rendition="#aq">B)</hi><hi rendition="#fr">Beharren/</hi> beharre in die&#x017F;en Stu&#x0364;cken. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Grotius</hi></hi> wolte<lb/>
uns lieber u&#x0364;berreden/ das hier &#x017F;tehende &#x1F10;&#x03C0;&#x03B9;&#x03BC;&#x03AD;&#x03BD;&#x03B5;&#x03B9; &#x1F00;&#x03C5;&#x03C4;&#x03BF;&#x1FD6;&#x03C2; &#x017F;olle &#x017F;o viel hei&#x017F;&#x017F;en/ als:<lb/>
Bleibe bey ihnen/ nehmlich denen Ephe&#x017F;ern. Allein ich &#x017F;ehe nicht warum<lb/>
die&#x017F;elben der <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Grotius</hi></hi> anfu&#x0364;hret/ da es auch al&#x017F;o gebrauchet werde/ &#x017F;ehe an<lb/>
<fw type="sig" place="bottom">B 2</fw><fw type="catch" place="bottom">wer</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[11/0013] ſeelig zu machen bemuͤhete Schul-Lehrer. bemercken/ das eben mir nicht in die Augen faͤllt. Wie Nicoſtratus das einem ſagte. Denn als dieſer ſonſt beruͤhmte Mahler die von Zeuxe ver- fertigte Helene/ alſo genau betrachtete/ daß man wohl mercken konte/ daß er ſich uͤber das Mahlwerck verwundere; und ihm einer anredete/ was er denn daran ſo ſehr bewundere/ antwortete er? Wenn du meine Augen haͤt- teſt/ ſo fragteſt du mich nicht; 9) Als wolte er ſagen/ wenn du es ſo wohl ver- ſtuͤndeſt/ als ich/ ſo wuͤrdeſt du ebener geſtalt dich verwundern/ und verſte- hen/ was an dieſem Bilde ſo kuͤnſtlich. Gruͤndliche Wiſſenſchafft muß da ſeyn/ wo man im Lehr-Ambte uͤberall recht fortkommen will. Dahero der unten am Ende des Blattes angefuͤhrte Theodoretus daſelbſt/ endlich ſpricht: Haud itaque cunctis mortalibus docere alios convenit, ſed eis duntaxat, qui & diuturnitate temporis & experientia doctrinam ſunt aſſecuti. Demnechſt kommts nicht allen Menſchen zu/ daß ſie leh- ren/ ſondern denen allein/ der beydes durch lange Zeit und Erfahrung die Wiſſenſchafft erlanget. Das heiſt gruͤndliche Wiſſenſchafft haben. Timo- theo fehlte es an ſelber nicht/ wie Paulus ſelber in der andern an ihn geſchrie- benen Epiſtel Cap. 3. v. 15. ſpricht: Weil du von Jugend auf die Hei- lige Schrifft weißeſt. Ja Paulus hatte ihn uͤber das noch treulich un- terrichtet/ wie in eben dieſer andern Epiſtel 1. 13. ſtehet. Halt an dem Fuͤrbild der heilſamen Wort/ die du von mir gehoͤret haſt/ von Glauben und von der Liebe in Chriſto JESU. Er ſoll demnach fleiſ- ſig Acht haben auf das was er gelernet/ weil Lehrer Menſchen ſind und blei- ben/ und alſo auch aus Wiederwillen was entfahren kan/ ſo ſoll Timotheus Acht haben. Aber auch B) Beharren/ beharre in dieſen Stuͤcken. Grotius wolte uns lieber uͤberreden/ das hier ſtehende ἐπιμένει ἀυτοῖς ſolle ſo viel heiſſen/ als: Bleibe bey ihnen/ nehmlich denen Epheſern. Allein ich ſehe nicht warum dieſelben der Grotius anfuͤhret/ da es auch alſo gebrauchet werde/ ſehe an wer 9) Ex Ælian. l. 14. Var. Hiſt. citantem vide Zvvingerum Theatr. V. it. Vol. 1. L. 2. p. m. 156. b. (Edit. Locupl. de anno 1604. Baſ.) iterum Vol. XX. l. 1. pag. 3644. a. B 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/360149
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/360149/13
Zitationshilfe: Posselt, August: I. N. J. Den sich selbst/ und die ihn hören/ seelig zu machen bemüheten Schul-Lehrer. Bautzen, [1712]. , S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/360149/13>, abgerufen am 29.03.2024.