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Klepperbein, Vertraugott: Den Todt im Leben Und das Leben im Tode. Schlichtingsheim (Oder), 1693.

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Abdanckungs-Rede.
mus. Idcirco singulis horis cogitare debemus, qvo sin-
gulis momentis properamus.
So schöne stimmet mit
meinem Vorhaben überein der fromme Kirchen-Lehrer
Bernhardus Abbas Clora vallensis Tom. V. Oper. Tr. de inte-
riori Domo c. XXVI. Edit. Lugdun. p. m.
158. Welcher Worte
Innhalt eben alldar zu finden/ und dieser ist: Mors semper
& ubiq; ex spectanda, qvia illa nos ubiq; exspectat.
Den Tod
erwarte allenthalben/ denn er wartet auch auf dich allenthal-
ben. Wir mögen alle Winckel der Erden anschauen und wo
auch kein Wurm zu finden/ da werden wir doch des Todes
gewahr werden. Kaum hat ein Kind/ die Augen im Leben
aufgemacht/ so muß es dieselben wieder in dem Tode zuma-
chen/ und unter der Erde ins finstere geleget werden/ da es
erst in das Tage-Licht gebracht/ ja da es solte anfangen zu
leben/ so höret es auf zu leben. Manches wird entweder ei-
ne Leiche in mütterlichem Leibes-Sarge; Oder/ da es ein le-
bendiges Fleisch hätte bekommen sollen/ wird es in einen toden
Stein verwandelt/ wie davon Simon Goulard eine wunder-
Beschrei-
bung
Franck-
reichs.
p. 716.
liche Geschichte/ so in Sens an einer Frau Colombe Chabry
sich begeben/ erzehlet/ wie sie gantzer 28. Jahr in ihrer Ehe/
eines solchen steinernen Kindes Last getragen/ und nicht
eher davon erlöset werden können/ biß sie GOtt selber auf-
gelöset/ und hernach eröffnet worden.

Die nachfolgenden Jahre der lieblich blühenden Ju-
gend/ haben ja so viel Bedienungen vom Tode/ der ihnen
aus der Wiege biß in den Sarg nachschleichet/ daß sie mit
guttem Recht dem Gevögel und Wilde; Und der Tod dem
Vogelsteller und Schützen zuvergleichen. Man stehet ja/
wie so wohl einem Kinde/ als altem Greisse/ ein Sarck und

Grab

Abdanckungs-Rede.
mus. Idcircò ſingulis horis cogitare debemus, qvò ſin-
gulis momentis properamus.
So ſchoͤne ſtimmet mit
meinem Vorhaben uͤberein der fromme Kirchen-Lehrer
Bernhardus Abbas Clora vallenſis Tom. V. Oper. Tr. de inte-
riori Domo c. XXVI. Edit. Lugdun. p. m.
158. Welcher Worte
Iñhalt eben alldar zu finden/ und dieſer iſt: Mors ſemper
& ubiq́; ex ſpectanda, qvia illa nos ubiq́; exſpectat.
Den Tod
erwarte allenthalben/ deñ er wartet auch auf dich allenthal-
ben. Wir moͤgen alle Winckel deꝛ Erden anſchauen und wo
auch kein Wurm zu finden/ da werden wir doch des Todes
gewahr werden. Kaum hat ein Kind/ die Augen im Leben
aufgemacht/ ſo muß es dieſelben wieder in dem Tode zuma-
chen/ und unter der Erde ins finſtere geleget werden/ da es
erſt in das Tage-Licht gebracht/ ja da es ſolte anfangen zu
leben/ ſo hoͤret es auf zu leben. Manches wird entweder ei-
ne Leiche in muͤtterlichem Leibes-Sarge; Oder/ da es ein le-
bendiges Fleiſch haͤtte bekom̃en ſollen/ wird es in einen toden
Stein verwandelt/ wie davon Simon Goulard eine wunder-
Beſchrei-
bung
Franck-
reichs.
p. 716.
liche Geſchichte/ ſo in Sens an einer Frau Colombe Chabry
ſich begeben/ erzehlet/ wie ſie gantzer 28. Jahr in ihrer Ehe/
eines ſolchen ſteinernen Kindes Laſt getragen/ und nicht
eher davon erloͤſet werden koͤnnen/ biß ſie GOtt ſelber auf-
geloͤſet/ und hernach eroͤffnet worden.

Die nachfolgenden Jahre der lieblich bluͤhenden Ju-
gend/ haben ja ſo viel Bedienungen vom Tode/ der ihnen
aus der Wiege biß in den Sarg nachſchleichet/ daß ſie mit
guttem Recht dem Gevoͤgel und Wilde; Und der Tod dem
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[10/0010] Abdanckungs-Rede. mus. Idcircò ſingulis horis cogitare debemus, qvò ſin- gulis momentis properamus. So ſchoͤne ſtimmet mit meinem Vorhaben uͤberein der fromme Kirchen-Lehrer Bernhardus Abbas Clora vallenſis Tom. V. Oper. Tr. de inte- riori Domo c. XXVI. Edit. Lugdun. p. m. 158. Welcher Worte Iñhalt eben alldar zu finden/ und dieſer iſt: Mors ſemper & ubiq́; ex ſpectanda, qvia illa nos ubiq́; exſpectat. Den Tod erwarte allenthalben/ deñ er wartet auch auf dich allenthal- ben. Wir moͤgen alle Winckel deꝛ Erden anſchauen und wo auch kein Wurm zu finden/ da werden wir doch des Todes gewahr werden. Kaum hat ein Kind/ die Augen im Leben aufgemacht/ ſo muß es dieſelben wieder in dem Tode zuma- chen/ und unter der Erde ins finſtere geleget werden/ da es erſt in das Tage-Licht gebracht/ ja da es ſolte anfangen zu leben/ ſo hoͤret es auf zu leben. Manches wird entweder ei- ne Leiche in muͤtterlichem Leibes-Sarge; Oder/ da es ein le- bendiges Fleiſch haͤtte bekom̃en ſollen/ wird es in einen toden Stein verwandelt/ wie davon Simon Goulard eine wunder- liche Geſchichte/ ſo in Sens an einer Frau Colombe Chabry ſich begeben/ erzehlet/ wie ſie gantzer 28. Jahr in ihrer Ehe/ eines ſolchen ſteinernen Kindes Laſt getragen/ und nicht eher davon erloͤſet werden koͤnnen/ biß ſie GOtt ſelber auf- geloͤſet/ und hernach eroͤffnet worden. Beſchrei- bung Franck- reichs. p. 716. Die nachfolgenden Jahre der lieblich bluͤhenden Ju- gend/ haben ja ſo viel Bedienungen vom Tode/ der ihnen aus der Wiege biß in den Sarg nachſchleichet/ daß ſie mit guttem Recht dem Gevoͤgel und Wilde; Und der Tod dem Vogelſteller und Schuͤtzen zuvergleichen. Man ſtehet ja/ wie ſo wohl einem Kinde/ als altem Greiſſe/ ein Sarck und Grab

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Zitationshilfe: Klepperbein, Vertraugott: Den Todt im Leben Und das Leben im Tode. Schlichtingsheim (Oder), 1693, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/359522/10>, abgerufen am 25.04.2024.