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Henel, Christoph: Die itzt abfallende und wandernde Blätter Als Ein Bilde des Lebens und Außganges. Schlichtingsheim, [1692].

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Die itzt abfallende
erwege/ was am verwichenen 3. Septembris in diesem Hoch-
Adel. Hause Dalcke geschehen/ und warumb noch itzo al-
les in Boy und Flor kläglich verhüllet/ und mit Leid und
Trauren gäntzlich erfüllet ist. Dieses wenn ichs bey mir
überlege und betrachte/ so kan ich mich allerdinges nicht
enthalten/ ich muß nochmahlen außbrechen und sagen:

Wie die Blätter itzo wandern/
Jmmer eines nach dem andern/
So gehts auch uns Menschen allen/
Daß wir falben und abfallen.

Daß ich aber eben davon anfange/ dessen soll und wird sich
verhoffentlich niemand groß verwundern. Denn ist et-
was auf dem grossen Schau-Platze der Natur/ was uns
zuföderst zu dieser Zeit des Jahres zu unser Erkäntnüs füh-
ren/ und ein Bilde unsers Lebens und dessen Nichtigkeit
und Flüchtigkeit geben und vorstellen kan: So werden es
gewißlich und vor allem andern die itzt abfallenden und
wandernden Blätter
seyn/ die wir itzo täglich und stünd-
lich vor den Augen/ ja vor den Füssen/ sehen und haben.
Sind diese bißher gleich noch so eine schöne Zierrath der
Bäume und Gärte den Sommer über gewesen; Sie ha-
ben an ihren Stämmen noch so wohl gestanden/ gestutzet
und gepranget: So fangen sie doch zu dieser Zeit/ da der
Safft und Nahrung ihnen entzogen/ und die kalten Nord-
Winde über sie gegangen/ nicht allein mit aller Macht an
zu falben und zu gelben/ die Todten-Farbe und den Sterbe-
Kittel anzulegen/ und sich zum Grabe geschickt und reise-

fertig

Die itzt abfallende
erwege/ was am verwichenen 3. Septembris in dieſem Hoch-
Adel. Hauſe Dalcke geſchehen/ und warumb noch itzo al-
les in Boy und Flor klaͤglich verhuͤllet/ und mit Leid und
Trauren gaͤntzlich erfuͤllet iſt. Dieſes wenn ichs bey mir
uͤberlege und betrachte/ ſo kan ich mich allerdinges nicht
enthalten/ ich muß nochmahlen außbrechen und ſagen:

Wie die Blaͤtter itzo wandern/
Jmmer eines nach dem andern/
So gehts auch uns Menſchen allen/
Daß wir falben und abfallen.

Daß ich aber eben davon anfange/ deſſen ſoll und wird ſich
verhoffentlich niemand groß verwundern. Denn iſt et-
was auf dem groſſen Schau-Platze der Natur/ was uns
zufoͤderſt zu dieſer Zeit des Jahres zu unſer Erkaͤntnuͤs fuͤh-
ren/ und ein Bilde unſers Lebens und deſſen Nichtigkeit
und Fluͤchtigkeit geben und vorſtellen kan: So werden es
gewißlich und vor allem andern die itzt abfallenden und
wandernden Blaͤtter
ſeyn/ die wir itzo taͤglich und ſtuͤnd-
lich vor den Augen/ ja vor den Fuͤſſen/ ſehen und haben.
Sind dieſe bißher gleich noch ſo eine ſchoͤne Zierꝛath der
Baͤume und Gaͤrte den Sommer uͤber geweſen; Sie ha-
ben an ihren Staͤmmen noch ſo wohl geſtanden/ geſtutzet
und gepranget: So fangen ſie doch zu dieſer Zeit/ da der
Safft und Nahrung ihnen entzogen/ und die kalten Nord-
Winde uͤber ſie gegangen/ nicht allein mit aller Macht an
zu falben und zu gelben/ die Todten-Farbe und den Sterbe-
Kittel anzulegen/ und ſich zum Grabe geſchickt und reiſe-

fertig
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[4/0004] Die itzt abfallende erwege/ was am verwichenen 3. Septembris in dieſem Hoch- Adel. Hauſe Dalcke geſchehen/ und warumb noch itzo al- les in Boy und Flor klaͤglich verhuͤllet/ und mit Leid und Trauren gaͤntzlich erfuͤllet iſt. Dieſes wenn ichs bey mir uͤberlege und betrachte/ ſo kan ich mich allerdinges nicht enthalten/ ich muß nochmahlen außbrechen und ſagen: Wie die Blaͤtter itzo wandern/ Jmmer eines nach dem andern/ So gehts auch uns Menſchen allen/ Daß wir falben und abfallen. Daß ich aber eben davon anfange/ deſſen ſoll und wird ſich verhoffentlich niemand groß verwundern. Denn iſt et- was auf dem groſſen Schau-Platze der Natur/ was uns zufoͤderſt zu dieſer Zeit des Jahres zu unſer Erkaͤntnuͤs fuͤh- ren/ und ein Bilde unſers Lebens und deſſen Nichtigkeit und Fluͤchtigkeit geben und vorſtellen kan: So werden es gewißlich und vor allem andern die itzt abfallenden und wandernden Blaͤtter ſeyn/ die wir itzo taͤglich und ſtuͤnd- lich vor den Augen/ ja vor den Fuͤſſen/ ſehen und haben. Sind dieſe bißher gleich noch ſo eine ſchoͤne Zierꝛath der Baͤume und Gaͤrte den Sommer uͤber geweſen; Sie ha- ben an ihren Staͤmmen noch ſo wohl geſtanden/ geſtutzet und gepranget: So fangen ſie doch zu dieſer Zeit/ da der Safft und Nahrung ihnen entzogen/ und die kalten Nord- Winde uͤber ſie gegangen/ nicht allein mit aller Macht an zu falben und zu gelben/ die Todten-Farbe und den Sterbe- Kittel anzulegen/ und ſich zum Grabe geſchickt und reiſe- fertig

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Zitationshilfe: Henel, Christoph: Die itzt abfallende und wandernde Blätter Als Ein Bilde des Lebens und Außganges. Schlichtingsheim, [1692], S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/359521/4>, abgerufen am 23.04.2024.