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Weber, Michael: Christliche Trawr- und Leichpredigt. [Nürnberg], 1647.

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siebenden Jahr seines Alters/ die Mutter hielt jhn zwar zur
Schul/ aber die Nahrung war jhr zu schwer/ drumb nam sie
jhn auß der Schul/ vnd thät jhn nach Hagenhausen bey Alt-
dorff zu einem Müller. Nach einem halben Jahr nam sie jhn
wider zu sich/ vnd ließ jhn/ durch Schickung Gottes/ wider in
die Schul gehen/ da er dann sehr wol gelernet/ vnd nach verrich-
ter Schul der Mutter zur Nahrung geholffen mit Nehen vnd
Saumlöchermachen/ am Mittwoch vnd Sambstag mit Holtz
tragen vnd Eichelaufflesen. Anjetzo zu geschweigen der grossen
Kranckheiten/ die er/ als er noch ein Studiosus war/ daheim vnd
in der Frembd außgestanden.

Als er nun ins Predigambt kommen/ da hat sich erst An-
fechtung/ Creutz vnd Leiden gefunden. Er hat gehabt Ambts-
Creutz/ Hauß-Creutz/ wann jhm vor etlich Jahren seine erste liebe
Haußfraw durch den zeitlichen Tod von der Seiten hinwegge-
rissen/ vnd er mit vier kleinen Kindern ein hertzbetrübter Witti-
ber worden. Er hat gehabt grosse Kinder-Creutz/ welche biß an
sein Ende gewäret. Er hat gehabt Creutz an seinem eigenen
Leibe: Ach was Schmertzen hat der sehr gedultige Herr gelitten
am Stein/ deren einer sehr groß vnnd bey 20. Lohten schwer
nach seinem seligen Ableiben von jhm geschnitten worden/ am
Zipperlein vnd andern Symptomatibus. Diese Creutz vnnd
Schmertzen haben jhn freylich zum Gebet vnd Seufftzen getrie-
ben. Das Lesen ist auch nicht dahindenblieben. O wie offt hat
man jhn in seinen langwürigen Kranckheiten auff dem Kreist-
bettlein sitzend gefunden/ da er ein Tischlein vor jhm gehabt/ ge-
lesen/ geschrieben/ vnd wie ein Blenlein das Beste auß andern
zusammengetragen. Durch solchen steten Fleiß hat er es so weit
gebracht/ daß mit Grund der Warheit von jhm kan gesagt wer-
den/ was Sirach Cap. 39. von einem/ der sich darauff geben
soll/ daß er das Gesetz deß Höchsten lerne/ erfordert: Er hat die
Weißheit aller Alten erforschet/ vnd in den Propheten studirt.
Er hat die Geschicht der berühmten Leut gemerckt/ vnd densel-

ben

ſiebenden Jahr ſeines Alters/ die Mutter hielt jhn zwar zur
Schul/ aber die Nahrung war jhr zu ſchwer/ drumb nam ſie
jhn auß der Schul/ vnd thaͤt jhn nach Hagenhauſen bey Alt-
dorff zu einem Muͤller. Nach einem halben Jahr nam ſie jhn
wider zu ſich/ vnd ließ jhn/ durch Schickung Gottes/ wider in
die Schul gehen/ da er dann ſehr wol gelernet/ vnd nach verrich-
ter Schul der Mutter zur Nahrung geholffen mit Nehen vnd
Saumloͤchermachen/ am Mittwoch vñ Sambſtag mit Holtz
tragen vnd Eichelauffleſen. Anjetzo zu geſchweigen der groſſen
Kranckheiten/ die er/ als er noch ein Studioſus war/ daheim vñ
in der Frembd außgeſtanden.

Als er nun ins Predigambt kommen/ da hat ſich erſt An-
fechtung/ Creutz vnd Leiden gefunden. Er hat gehabt Ambts-
Creutz/ Hauß-Creutz/ wañ jhm vor etlich Jahren ſeine erſte liebe
Haußfraw durch den zeitlichen Tod von der Seiten hinwegge-
riſſen/ vnd er mit vier kleinen Kindern ein hertzbetruͤbter Witti-
ber worden. Er hat gehabt groſſe Kinder-Creutz/ welche biß an
ſein Ende gewaͤret. Er hat gehabt Creutz an ſeinem eigenen
Leibe: Ach was Schmertzen hat der ſehr gedultige Herr gelitten
am Stein/ deren einer ſehr groß vnnd bey 20. Lohten ſchwer
nach ſeinem ſeligen Ableiben von jhm geſchnitten worden/ am
Zipperlein vnd andern Symptomatibus. Dieſe Creutz vnnd
Schmertzen haben jhn freylich zum Gebet vñ Seufftzen getrie-
ben. Das Leſen iſt auch nicht dahindenblieben. O wie offt hat
man jhn in ſeinen langwuͤrigen Kranckheiten auff dem Kreiſt-
bettlein ſitzend gefunden/ da er ein Tiſchlein vor jhm gehabt/ ge-
leſen/ geſchrieben/ vnd wie ein Blenlein das Beſte auß andern
zuſammengetragen. Durch ſolchen ſteten Fleiß hat er es ſo weit
gebracht/ daß mit Grund der Warheit von jhm kan geſagt wer-
den/ was Sirach Cap. 39. von einem/ der ſich darauff geben
ſoll/ daß er das Geſetz deß Hoͤchſten lerne/ erfordert: Er hat die
Weißheit aller Alten erforſchet/ vnd in den Propheten ſtudirt.
Er hat die Geſchicht der beruͤhmten Leut gemerckt/ vnd denſel-

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[91/0100] ſiebenden Jahr ſeines Alters/ die Mutter hielt jhn zwar zur Schul/ aber die Nahrung war jhr zu ſchwer/ drumb nam ſie jhn auß der Schul/ vnd thaͤt jhn nach Hagenhauſen bey Alt- dorff zu einem Muͤller. Nach einem halben Jahr nam ſie jhn wider zu ſich/ vnd ließ jhn/ durch Schickung Gottes/ wider in die Schul gehen/ da er dann ſehr wol gelernet/ vnd nach verrich- ter Schul der Mutter zur Nahrung geholffen mit Nehen vnd Saumloͤchermachen/ am Mittwoch vñ Sambſtag mit Holtz tragen vnd Eichelauffleſen. Anjetzo zu geſchweigen der groſſen Kranckheiten/ die er/ als er noch ein Studioſus war/ daheim vñ in der Frembd außgeſtanden. Als er nun ins Predigambt kommen/ da hat ſich erſt An- fechtung/ Creutz vnd Leiden gefunden. Er hat gehabt Ambts- Creutz/ Hauß-Creutz/ wañ jhm vor etlich Jahren ſeine erſte liebe Haußfraw durch den zeitlichen Tod von der Seiten hinwegge- riſſen/ vnd er mit vier kleinen Kindern ein hertzbetruͤbter Witti- ber worden. Er hat gehabt groſſe Kinder-Creutz/ welche biß an ſein Ende gewaͤret. Er hat gehabt Creutz an ſeinem eigenen Leibe: Ach was Schmertzen hat der ſehr gedultige Herr gelitten am Stein/ deren einer ſehr groß vnnd bey 20. Lohten ſchwer nach ſeinem ſeligen Ableiben von jhm geſchnitten worden/ am Zipperlein vnd andern Symptomatibus. Dieſe Creutz vnnd Schmertzen haben jhn freylich zum Gebet vñ Seufftzen getrie- ben. Das Leſen iſt auch nicht dahindenblieben. O wie offt hat man jhn in ſeinen langwuͤrigen Kranckheiten auff dem Kreiſt- bettlein ſitzend gefunden/ da er ein Tiſchlein vor jhm gehabt/ ge- leſen/ geſchrieben/ vnd wie ein Blenlein das Beſte auß andern zuſammengetragen. Durch ſolchen ſteten Fleiß hat er es ſo weit gebracht/ daß mit Grund der Warheit von jhm kan geſagt wer- den/ was Sirach Cap. 39. von einem/ der ſich darauff geben ſoll/ daß er das Geſetz deß Hoͤchſten lerne/ erfordert: Er hat die Weißheit aller Alten erforſchet/ vnd in den Propheten ſtudirt. Er hat die Geſchicht der beruͤhmten Leut gemerckt/ vnd denſel- ben

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Zitationshilfe: Weber, Michael: Christliche Trawr- und Leichpredigt. [Nürnberg], 1647, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/346672/100>, abgerufen am 28.03.2024.