I. Von denen Coͤrpern/ welche
nicht sollen verwesen seyn.
§. I.
DEnn dieses ist das erste Zeichen eines
Vampyrs, wie die oben gesetzte Historie
umstaͤndlich ausweiset. Wenn man nun bloß
nach der Historie uͤberhaupt fragt, ob das schon
mehrers geschehen seye, daß ein menschlicher
Coͤrper (denn von andern will ich Kuͤrtze wegen
nichts melden) nach der Trennung der Seelen,
etliche Tage, Wochen, Jahre und Secula, un-
verwesen seye erhalten worden, so muß man in
alweg mit einem Ja darauf antworten. Und
zwar versteht sich solches nicht von solchen Coͤr-
pern, die nichts als ihr aͤusserliche Gestalt be-
halten haben, an sich aber schon zu Staub und
Aschen worden, und in solche alsobald zerfal-
len sind, wo sie an freye Lufft gebracht, und
starck beweget wurden. Dergleichen man ei-
nem ohne Zweifel in vielen Grufften zeigen koͤn-
te, und ich dahero nicht viel besonders sehe an
dem, was an dem Coͤrper Caroli V. nach 98.
Jahren auf solche Weise ist wahrgenommen
worden. Denn hie ist nicht die Frage von
denen Mumien, noch Coͤrpern, die durch Ein-
balsamirungen lange Zeit in besagtem Zustand
koͤnnen conservirt werden: sondern von Coͤr-
pern, die ohne Kunst gelassen werden, und doch
in keine putrefaction gehen, keinen Todten-
Geruch von sich lassen, Haut, Fleisch und
Saͤffte, sonderlich das Blut, unversehrt, frisch
und fluͤßig behalten haben. Dergleichen er-
zehlen die Alten etwas von Hectore und Alexan-
dro Magno. Wenn bißweilen manche in Berg-
Wercken oder andern Erd-Faͤllen verschuͤttet
worden sind, hat man einiger Coͤrper offt lan-
ge Jahr hernach, auch halbe oder gantze Secu-
la, noch unversehrt gefunden. Unsere deutsche
Acta Erudit. erzehlen uns ein noch frisches Ex-
empel, so ein Wuͤrtembergischer Pfarrer,
M. Georg Christoph Ludwig, in einer Schrifft,
die er Rothenackers Trauer-Tag betitelt, be-
schreibet. Es seyen nemlich im Winter des
Jahrs 1709. etlich und viertzig Maͤnner sei-
ner Gemeinde auf einen Eyß-gang von der
Donau hingenommen, und 24. darunter auf
allerley Weise jaͤmmerlich verdorben worden.
Nachdem man nun die Coͤrper algemach zu-
sammen gesucht, in eine warme Stube ge-
bracht, und mit warmen Wein gewaschen habe,
seye geschehen, daß bey einigen, die 4. 5. 6. 7. bis
acht Wochen unter dem Wasser gelegen waren,
das helle klare Blut starck aus der Nasen her-
fuͤrgefloßen, so daß nicht nur ein Tropf den an-
dern geschlagen, sondern auch bey einigen die
Leilach, darinnen sie eingenaͤhet gewesen, mit
Blut angefuͤllet worden, welches zum theil gar
durch die Todten-Bahr gedrungen seye, p. 26.
65. So armselig und traurig es hie bey die-
sen verungluͤckten Leuten hergieng, daß gedach-
ter beredter Prediger es nicht klaͤglich genug
fuͤrzustellen weiß: so kostbar und ungemein
praͤchtig und froͤlich ging es hingegen vor 9.
Jahren bey der endlich erlangten Canonisa-
tion des eben auch aus dem Wasser gezogenen
Heiligen Johannis Nepomuceni ab.
Dieser Johannes hat bißher auch unter den
Protestanten viel Redens gemacht. Er war
aus dem Staͤdtlein Nepomuck in Boͤhmen
gebuͤrtig, und daher heißt er Nepomucenus.
Ist gebohren um das Jahr 1320. Seine
Gabe zu predigen brachte ihn an den Hof des
Keysers Wenceslai zu Prag, und damit, wie
es schon mehrers unterdessen geschehen ist, in
sein Ungluͤck; aber eben damit auch wieder zu
seiner groͤsten Ehre und Erhoͤhung. Zu sei-
nem Ungluͤck gereichte das besondere Vertrauen
der Keyserl. Gemahlin gegen diesen Hof-Predi-
ger, und das argwoͤhnische Gemuͤth des un-
ordentlichen Wenceslai. Denn dieser wolte
wissen, was seine Gemahlin gebeichtet haͤtte,
und Johannes wolte es nicht sagen. Dar-
uͤber kam es mit ihm ins Gefaͤngnis, und da
dieses noch nichts verfangen wolte, so wurde
er heimlich bey Nacht den 16. May An. 1383.
in die Muldau geworffen. Der redliche und
getreue Johannes war kaum ertruncken, so ver-
trocknete das Wasser des Flusses drey gantzer
Tage lang; es erschienen allerhand helle Lichter
an dem Ort, wo sein Coͤrper liegen geblieben
war, und dieser signalirte sich sogleich durch
allerhand Wunder-Wercke, die in seiner Ge-
genwart fast so haͤuffig geschahen, als man eben
jetzund von dem Grabe des Paris zu Paris er-
zehlet. Warum wir aber seiner alhie geden-
cken, ist die Ursache, weilen bey dessen neulicher
Erhebung aus dem Grabe nach 338. Jahren
der uͤbrige Leib zwar als ein Sceleton, die ver-
schwiegene Zunge aber gantz frisch, und am
Kopf und an der Seiten zwey frische Wun-
den, woraus Eyter geflossen, gefunden wor-
den. Die Acta dieser Canonisation, zu Prag
und Rom zusammen getragen, sind wol zu le-
sen; wenn nur das Weibliche Geschlecht das
drey und achzigste Blat uͤberschlaͤgt. Doch ist
der vierfache Gruß an diese Zunge noch an-
daͤchtiger unter den Roͤmischen, dessen Anfang
lautet: O liebwerthester Heiliger Johannes!
ich bin nicht faͤhig mehrers außzusprechen, als
diese Worte: Ich habe gesuͤndiget; und dar-
um mit Vertrauen dich anruffe: Du wollest
aufloͤsen meine Zunge, damit ich erstlich meine
Suͤnden hertzlich bereue, alsdenn deine heilige
Zunge wuͤrdiger verehren und ehrerbietiger
gruͤßen moͤge. ꝛc. ꝛc. Endlich koͤnte man sich
auch hie einiger maßen errinnern des Blutens
der gewaltthaͤtig umgebrachten Coͤrper, wenn
der Thaͤter zu ihnen hingefuͤhret wird. Unter
so vielen, was hievon geschrieben, ist fuͤrnehm-
lich ein remarquables Exempel bey dem an-
muthigen Harßdoͤrffer im Schau-Platz jaͤm-
merl. Mord-Gesch. c. 129. Aber ein weit
liquiderers, und alle forensische Folterungen
durchpassirtes Exempel von Grypswalden
weiß ich denen Ephemerid. N. C. aber nimmer
wo, gelesen zu haben, bin auch so ungeschickt,
es vor lauter Eilen jetzund nicht in denen vielen
Baͤnden finden zu koͤnnen. Conf. inter. Jos.
Mar. Maraviglia Pseudomuntia veterum &
recentior. explosa.
§. 2. Fragt man nun jetzt nach der Ursa-
che/ wo diese Unverweßlichkeit der Coͤrper
herzuleiten seyn moͤchte, so siehet man hier-
an vorderist eine Probe, wie wir Menschen die
uns fuͤrkommende Dinge durch gantz ungleiche
Brillen sehen, und deßwegen gantz ungleiche,
ja recht contraire Gestalten an ihnen erblicken.
Kurtz, einerley Ding sieht der eine fuͤr eine Ra-
nam, der andere fuͤr eine Dianam; der eine fuͤr
eine Cervam, der andere fuͤr eine Minervam
an, damit ich aus meinem alten Schul-Saͤck-
lein auch etwas an den Mann bringe. Die
gute Leute in Servien an denen noch Barbari-
schen Graͤntzen der Tuͤrckey, halten die unver-
wesene Coͤrper der Begrabenen fuͤr ein Anzei-
gen eines fuͤrchterlichen Vampyrs, Plag-Gei-
stes, Wuͤrg-Engels, Blut-Saugers und
grausamen Moͤrders ihrer Nachbarn und
Bruͤder, oder doch Geschwister-Kinder; Die
Griechen fuͤhren die Unverweßlichkeit eines
Coͤrpers zum Beweißthum eines ansteckenden
Ketzers, oder eines verruchten, verfluchten,
verbannten und unter dem Bann gestorbenen
Missethaͤters an. Die Herrn Catholiquen
haben eine gantz gegenseitige Einsicht, und er-
blicken daran ein deutliches Merckmahl eines
begrabenen grossen Heiligen. Dergleichen
Meynung neben dem Johanni von Nepomuck
dem beruͤhmten Indianer Apostel Francisco
Xaverio und der Heil. Catharina von Bono-
nien zu gut gekommen ist, und ohne Zweifel
auch dem Roͤm. Keyser Carolo V. wiederfah-
ren waͤre, wenn er sich in seinen letzten Stun-
den nicht heimlicher Ketzerey verdaͤchtig gemacht
haͤtte. Unter denen Protestanten theilen sich,
wie es bey ihnen gern zu geschehen pflegt, nach
der mehrern Freyheit zu dencken, auch hie die
Meynungen. Einige nehmen daran ein Pfand
einer in der Ewigkeit lieblich gruͤnenden und
florirenden Seelen. Denn so habe ich erst
diese Woche, zu meiner nicht geringen Vergnuͤ-
gung, in einem neuen Journal, unter deßen Au-
ctoribus ein gelehrter Medicus mit ist, folgende
merckwuͤrdige Pieçe gelesen: Eine Wittwe von
76. Jahren, die von fruͤher Jugend an einen
Ernst zum Christenthum empfangen hatte, wur-
de vor ihrem Ende mit 2. lieblichen Traͤumen
gestaͤrcket, und starb in denen heißen Hunds-
Tagen an der Wassersucht, daß man wegen der
Brand-Blasen und Flecken eine baldige Faͤul-
niß besorgte. Allein am dritten Tage, da man
zur Beerdigung eilete, sahe man etwas gantz
unvermuthetes. Ihr vor hohem Alter und lan-
ger Kranckheit verruntzeltes Gesicht und Ge-
stalt des Leibes klaͤrete sich in einer Stunde auß,
wie einer Person von 30. Jahren. Die Fuͤße
blieben in dem Brand ohne Geruch und Auf-
bruch. So laͤßt ein zum Leben durchbrechen-
der und eindringender Geist auch in seiner Huͤt-
ten ein Denck-Mahl seines Sieges nach sich!
Alle Anwesende bekamen ein Hertzens-Siegel,
es seye das Looß auf das liebliche gefallen! So
ist also ein munterer Todes-Kampf besser als
ein todtes Leben!
§. 3. Andere rathen, um der jetzigen Zei-
ten willen mit solcherley Urtheilen, wenig-
stens vor dem Publico, ein wenig an sich zu
halten. Denn man weiß ein noch merckli-
cheres Exempel von dem unruhigen Eisen-Beißer
Alexandro M. dessen verblichener Leib lag in
dem brennheißen Mesopotamien, weil seine
Generals mit Einrichtung ihrer eigenen Ab-
sichten so viel zu thun hatten, daß sie sich nicht
nach ihm umsehen konten, 7. Tage lang gantz
verlassen; endlich da man weder an ihn den-
cken konte (o wie seynd große Herrn offt bey
Leben und im Sterben so schlecht bedient!) er-
gab sichs, daß man nicht die geringste Spur ei-
niger Faͤulniß an ihm bemerckete, sondern die
lebhaffte Farbe seines Angesichts bluͤhete wie
eine Rose, und es schiene, als wenn er noch ath-
mete, daß die aͤrtzte sich aus Ehrerbietung nicht
getrauten, ihn sobald anzuruͤhren und zu bal-
samiren, Curt. L. X. c. IV. §. 9. sqq. Dahe-
ro wollen einige von keinen andern, als bloß na-
tuͤrlichen Ursachen, wißen. Sie erzehlen uns
ein halb Dutzen Mittel, wodurch ein Coͤrper
vor der Verwesung koͤnne verwahrt werden.
Als da sind 1. Frigus. 2. Calor. 3. Ventilatio.
4. Aêris. exclusio. 5. Salina & adstringentia.
6. Pinguia. Und welches mir 7. zur Zugabe
noch beygeht, spirituosa. Einige hierunter ge-
hoͤren zur kuͤnstlichen præservation: Einige
aber, sonderlich aêris exclusio, dienen zu un-
serm Fuͤrhaben. So gewiß eine Mauß, Vo-
gel, u. d. g. Thier sterben muß, wenn mit der
Antlia Pnevmatica die Lufft aus dem Gefaͤß,
worin es gesperret ist, hinaus gepumpet wird:
so wenig wird dieser erstickte Coͤrper riechen oder
faulen, so lang kein Lufft zu ihm gelassen wird.
Wenn nun auch ein menschlicher Coͤrper in
solche Lage gerathet, so muß sich auch ein glei-
cher effectus der Unverweßlichkeit ergeben. Kan
die Lufft von einem Coͤrper abgehalten werden:
so werden auch die in der Lufft steckende spicula
salina abgehalten, daß sie in dem an sich selbs
zwar zur corruption geneigten Coͤrper keine
wuͤrckliche Bewegung, fermentation und Auf-
loͤsung der Theile verursachen koͤnnen. Was
die oben erwehnte in der Donau viel Wo-
chen lang frisch gebliebene Coͤrper betrifft, so
hat der Herr Auctor des Buchs ein gutes Ju-
dicium Medicum angehaͤngt, welches l. c. p.
27. nachgelesen werden kan. Ich gedencke bey
dieser Waßer-Geschicht an andere, welche zwar
gleicher maßen eine kalte, aber doch gluͤckliche-
re und gesuͤndere Herberge in diesem Element
gefunden haben. Denn da erzehlet Herr D. Joël
Langelott, Hertzoglicher Holsteinischer Leib-
Medicus, wie ein gewißer Gaͤrtner in Schwe-
den, der einen andern retten wolte, mit demsel-
ben ins eißkalte Waßer versunken, alsobald
erstarret, 16. Stunden lang darinnen auf-
recht geblieben, endlich heraus gezogen, mit
Tuͤchern umhuͤllet, an einem gelinden Feuer
erwaͤrmet, und also wieder zum Leben gebracht
worden seye, daß er hernach noch gar viele Jahr
gelebet habe. Darauf erwehnet er eines Wei-
bes, welches drey gantzer Tag also unterm Was-
ser lebendig geblieben, und auf vorige Weise er-
rettet worden seye. Beede Exempel sind ge-
ring gegen das dritte, da ein Juͤngling von 17.
Jahren, Burmann, ins Wasser gefallen, und
erst in der siebenden Woche gefunden, und auf
oben beschriebene Weise wieder zum Leben ge-
bracht worden seye. Uber welche Casus aller-
ley gelehrte Medici in denen Ephem. Nat. Cur.
Decad. I. ad Ann. V. ihre Gedancken eroͤfnet
haben, wie fern es moͤglich seye, daß ein Mensch
so lang unterm Wasser erhalten werden moͤge.
Da sie denn bey dieser Gelegenheit noch mehrere
Exempel beybringen, und insonderheit Herr
D. Sal. Reisel eines einschaltet, das unserm
Vorhaben nahe kommt, wie der Coͤrper eines
erschoßenen Juͤnglings oͤffters Blut geschweis-
set, und unbegraben 7. Wochen ohne einigen
Geruch und Faͤulniß in seiner Farbe geblieben
seye, wie man deßen unzweifentliche Versiche-
rung habe. Hingegen will man dem Herrn
Baronen von Herberstein in Comment. re-
rum Moscovit. nicht allerdings Glauben bey-
meßen, wenn er von denen Leuten in Lucomo-
rien debitirt, als wenn ihnen die Nase von
dem Eyß zugefriere, daß sie den Winter uͤber
wie todt da liegen, alle Fruͤhling aber gleich-
sam wieder lebendig wuͤrden.
§. 4. Die Personen, mit welchen ich zu thun
hatte, merckten meistens, daß ich mit diesen
Umwegen nur durchzuschlupfen suchete. Dar-
um faßeten sie mich genauer, und fragten, was
denn endlich meine Meynung hievon waͤre?
Ich gab sie dahin, daß alle diese Exempel, wenn
sie auch alle ihre Richtigkeit haͤtten, bey weitem
noch nicht hinreicheten an die Begebenheit der
Vampyrs, da ihrer so viel auf einmal nicht nur
unversehrt bleiben, sondern auch so eine Men-
ge helles Blut in sich behalten, ja nach dem
Tod vollbluͤtiger und sonst vollkommener wer-
den, als sie bey Leb-Zeiten gewesen; Da von
denen Ursachen, welche sonst die Physici anfuͤh-
ren, hie keine anzuschlagen scheint; da sie von
keiner dicken und tiefen Erden verschlagen, oder
von der aufliegenden Last des Wassers gedruͤckt
sind; da andere neben ihnen liegen, und ver-
zehret werden, welche und dergleichen Umstaͤn-
de alle uns noͤthigen, hiebey an etwas weiters
zu gedencken. Es ist noch gar kein sicherer
Schluß zu machen: Es hat etwa hie oder da ein
so seltener und ungefaͤhrer Zusammenschluß
natuͤrlicher Ursachen sich begeben koͤnnen, daß
todte Coͤrper eine Zeitlang unversehret geblie-
ben sind: Darum ist solches auch bey diesen Coͤr-
pern, zu dieser Zeit, in dieser Erden, unter die-
sem Himmel, bey diesen Umstaͤnden, also bloß
natuͤrlich geschehen. Aber es ist von denen oben
angezogenen anderwaͤrtigen Exempeln eben auch
noch eine ziemliche Frage, ob man bey allen Ur-
sache habe, blos die natuͤrliche Gesetze allein
zu supponiren. Zum Exempel, wenn die Erzeh-
lung von der Zunge Johannis Nepomuceni
ihre Historische Gewißheit hat, so weiß ich nicht,
ob nicht der die Graͤntzen seines Verstandes sich
zu groß einbildete, der diese Begebenheit in die
enge Graͤntzen der bloß natuͤrlichen, und durch
einen hazard so zusammen treffenden Ursachen
einschrencken wolte. Es waͤre mir leyd, wenn
ich fuͤr keinen guten Protestanten passiren solte.
Aber das sage ich ungescheuet: wenn ich die Hi-
storie von Nepomuceno glaube, so glaube ich
auch zugleich, daß eine hoͤhere Ursach mit dar-
unter zu suchen seye. Also nun auch mit denen
Vampyrs. Da ich die Relation davon als
wahr annehme, daneben gewiß weiß, daß ein
jeder Coͤrper, von welchem die Seele geschieden
ist, nothwendig zur Corruption sich neiget,
und daß dieses die algemeine Erfahrung in der
gantzen Welt ist, und daß es sich auch ordent-
licher Weise zu Medvegya in Servien so ver-
halte; und nur selten bey einigen sich so etwas
ereigne, was sich da ereignet: so bekenne ich
meine Einfalt vor Herren und Frauen, daß ich
dabey uͤber die gewohnliche Gesetze der Natur
hinausdencke. Ja ich schaͤme mich nicht zu be-
kennen, wenn auf hiesigem Kirch-Hofe nur
ein einiger Coͤrper ausgegraben wuͤrde, der et-
liche Wochen oder Monathe neben andern Ver-
weßten unverweßlich gelegen, ohne Todten-Ge-
ruch, ohne Faͤulniß, mit frischem Fleisch, und
fluͤßigem klaren Blut geblieben waͤre, so koͤnte
ich mich nicht enthalten, uͤber die taͤgliche und
gewohnliche Ordnung der Natur hinaus zu se-
hen, und auf eine dazwischen laufende fremde
und hoͤhere Ursache zu gedencken. Welches ist
aber dieselbe fremde und hoͤhere Ursache? da bit-
te ich mir ein wenig Gedult aus, biß uns die
Ordnung dahin fuͤhret. Wenn ich nun dieses
mein Glaubens-Bekaͤntniß von solcher Art Leu-
te gethan hatte: so fielen mir andere in die Re-
de, welche hatten sagen hoͤren, daß nicht nur
gewiße Todten unversehrt blieben, sondern daß
sie auch in den Graͤbern schmatzeten/ oder
vielleicht mit ihrem Nachbar schwatzeten. Und
da muß ich nun
Den II. Gang thun. §. I. HJe will ich erstlich die Historie erzehlen.
2. die fuͤrnehmste Meynungen beruͤhren.
Und 3. meinen Außschlag geben. Weil doch
die Sach einige Verwandschafft mit den Vam-
pyrs hat, so will ich vorderist die Historie da-
von kuͤrtzlich erzehlen mit denen ungeaͤnderten
Worten derer, die davon geschrieben: Es ist
schon lang, daß sich hin und her in der Welt
bis noch auf unsere Zeiten geaͤußert hat, daß
man aus den Graͤbern heraus die eingescharr-
te Todten hat hoͤren schmatzen, wie die Schwei-
ne, wenn sie eßen; oder batschen, klopffen, und
ein ander Geraͤusch machen. Hat man nun
sie ausgegraben, so hat man gefunden, daß die
Leiche sich entweder die Finger, oder die Haͤn-
de, oder einen Arm, u. d. g. abgenagt, oder
die umgeschlagene Leilache und Hembder halb
oder gantz verschlungen, oder noch blutig im
Rachen stecken gehabt haben. Weil man nun
die Anmerckung haben will, daß auf solches
Schmatzen entweder die Pest folge, oder doch
wenigstens die naͤchsten Anverwandten nachster-
ben muͤssen, daher diese Schmatzer auch Nach-
fresser genennet werden: so pflegt man solchen
Todten mit einem Grab-Scheit den Kopf ab-
zustossen; andere aber beym Begraͤbniß einen
Wasen unter das Kinn, oder einen Stein in
den Mund zu legen, damit ihnen die Naͤsche-
rey vergehen moͤge.
§. 2. Ich will von denen haͤuffigen Auctoribus
keine anziehen, als folgende wenige, Lutherum
in Tisch-Reden, f. m. 151. Er. Franc. Hoͤll.
Prot. c. 28. D. Hoͤrnig im Wuͤrg-Engel qu.
71. Sam. Frid. Lauterbach, Prediger zu Frau-
enstadt in Polen, der erst A. 1710. eine kleine
Pest-Chronic edirt, redet auch von dieser Ma-
terie, und setzt: hinzu: Man will sagen, als
ob dergleichen Aufgraben auch jetzo hie in der
Naͤhe an einem Roͤmischen Ort fuͤrgenom-
men worden, und haͤtten sich einige Leichen
gantz blutig und befressen gefunden, de-
nen man die Koͤpfe abstossen lassen. p. 26. Ich
weiß nicht, muß sich dergleichen etwas schon
bey den alten Juden erzeiget haben, weilen der
gelehrte Calvôr in seinem fast gantz unsichtbar
gewordenen Rituali Evangel. von ihnen schrei-
bet, sie haͤtten gebotten, man solle zusehen, daß
den Todten nichts von leinwandenen Zeug in den
Mund komme, es sey sonst große Gefahr dabey.
Sonderlich werden die Upiers in Polen fast be-
schrieben, wie die Vampyrs in Servien. Wenn
P. Gabr. Azaczynsky Historia Nat. Curiosa re-
gni Poloniæ bey Handen waͤre, Sandom. 1721.
in 4. ed. koͤnten wir uns daraus viel guten Be-
scheids erhohlen. So aber muͤßen wir uns der-
malen mit den Excerptis Actor. Lips. begnuͤ-
gen lassen, die also lauten: Sectione II. de cru-
entationibus cadaverum agens mira profert
Auctor de mortuis in tumulis adhuc voraci-
bus, & vicinos viventes spectrorum modo
trucidantibus, a Polonis speciali nomine U-
piers & Upierzyca appellatis, de quibus quæ
producit authentica documenta, ulteriorem
fortasse disquisitionem merentur, ad Ann.
1722. mens Jan. p. 17. Zeit zu ersparen, will
ich besondere Historien nicht außschreiben. Viel
lieber fragt es sich
§. 3. Was halten gelehrte Leute von diesen aben-
theurlichen Erzehlungen? Ihre Antworten
seynd theils eben so abentheurlich, ut dignas
habeant labra lactucas. Etliche fuͤhren sich
auf gut Machiavellisch auf in regno literario,
und sagen: Historie hin, Historie her, es ist al-
les nicht wahr, was man hievon sagt. Das
waͤre freylich der kuͤrtzeste Weg, auch mit un-
sern Vampyrs aus dem Felde zu kommen. Sed
indignus est Philosopho sermo, ubi causa re-
rum ignoratur, rem ipsam negare potius,
quam ignorantiam suam profiteri, denck ich
mit dem unvergleichlichen Plinio, den einige
fuͤr eine halbe, einige fuͤr eine gantze Biblio-
theque æstimiren, in Hist. Nat. c. 4. Ich
avancire diese Regel bey Zeit, weil ich wuͤnsche,
daß sie auch bey folgenden Materien in frischem
Angedencken bleibe. Andere machen sich ein
Gewißen, den fidem historicam so zu durch-
loͤchern, und erkennen die Glaubwuͤrdigkeit der
Erzehlungen. Aber der eine gibt zur Raison
an das unter-irrdische Feuer; der andere die un-
ter-irrdische brausende Winde; der dritte das
Einfallen des Sargs; der vierte die Hyenam:
und ich weiß nicht, was uns hie Juden und
Tuͤrcken bald von einer Mauß, bald von einem
Engel, vorschwatzen wollen. Der Herr Au-
ctor, der vor 4. Jahren de Masticationibus mor-
tuorum geschrieben, meynt, er habe es bey de-
nen zischenden Schlangen und freßigen Wuͤr-
mern ertappet, die sich sonderlich bey denen fet-
ten und wohl gemaͤsteten ihre Mahlzeit so saff-
tig schmaͤcken ließen, daß man ihr behagliches
Schmatzen oben auf der Erden hoͤre. Hingegen
finden andere hieran keinen gousto, und wol-
len lieber in die Tieffe fahren, und es den Teu-
fel bezuͤchtigen. Doch wissen sie nicht recht,
wie sie es auf ihn bringen sollen. Etliche mey-
nen, Satanas mache ein fallaciam acusticam,
so ein leeres Geraͤusch vor denen Ohren der Le-
bendigen; etliche, es seye zwar ein wahrhaffti-
ges Geraͤusch, aber nicht von den Todten, son-
dern von dem Teufel im Grabe angerichtet. So
hat D. Lutherus decidirt, wie mans ausfuͤhr-
lich lesen kan in Tisch-Reden c. IX. f. 151. und
nach ihm die meisten Theologi. Man sehe
nur Duntem in Cas. Consc. c. XXII. S. 1.
Qu. 19. fuͤrnemlich aber den ehmals sehr curio-
sen und gelehrten Prediger zu Laubach, Mart.
Bohemum, der unter seinen XXIII. Predigten
von denen 3. grossen Land-Plagen in der 17den
austruͤcklich diese Materie behandelt, und aus un-
terschiedlichen Gruͤnden dieses Schmatzen dem
Teufel zuschreibt, und eben auch dahin ziehet,
daß der Kayserin Eudoxia, die den Chrysosto-
mum so verfolgt hatte, ihr Sarg, als sie solte
begraben werden, sich ohne Menschen-Haͤnde
so hin und her beweget habe, nach Niceph. Be-
richt Hist. Eccl. L. XIII. c. 36. So haben sich
auch Pabst Sylvesters II. der insgemein fuͤr ei-
nen Schwartz-Kuͤnstler gehalten wird, Gebei-
ne lange Zeit nach seinem Tode im Sarg be-
weget, daß sie geklappert, auch wol geschwitzet,
wenn ein Pabst hat sterben sollen, wie Bonifac.
Simoneta L. V. c. 50. schreibet.
§. 4. Es ist nicht noͤthig, mit meiner Meynung
lang hinter dem Berg zu halten. Ich bekenne
mich mit kurtzem zu denen, welche muthmaßen,
daß dieses Schmatzen, Klatschen und Geraͤusch
von denen Begrabenen selber gemacht werde.
Ich sage nicht, von denen Todten; sondern
von denen Begrabenen, die nemlich fuͤr todt
gehalten lebendig begraben wurden. Daß die-
ses malheur Unschuldigen nicht nur wiederfah-
ren koͤnne, sondern besorglich nur gar zu offt
schon wiederfahren seye, achte nicht, daß bey
jemand ein Zweifel walte. Denn 1. hat man
unterschiedliche, deren Graͤber man ungefaͤhr,
oder sonst um Ursachen willen geoͤffnet, in ei-
nem solchen Zustand angetroffen, woraus
man uͤberzeugt werden konte, daß wie sie da-
hin gebracht worden, sie noch nicht muͤsten
seyn gestorben gewesen, indem etliche im Sarg
umgewendet gelegen, etliche aufrecht gesessen,
etliche auch gleich nach ihrem Begraͤbniß durch
ihr erbaͤrmliches Gewinsel zu verstehen gegeben,
daß sie noch lebten, indeßen wegen nicht so
bald erfolgter Rettung endlich verderben muͤs-
sen, etliche aber noch zeitlich errettet worden
sind, siehe des nun seel. Herrn Paul Christ. Hil-
schers, beliebten Predigers zu Alt-Dreßden,
der sich mit etlichen curieusen Pieçen bekant ge-
macht, Nachricht von der aus ihrem Grab wie-
der auferstandenen Goldschmids Frau zu Dreß-
den A. 1723. da er zwar diese Sache widerlegt,
hingegen die Sache an sich selbs mit andern
Exempeln bestaͤtiget. 2. Muß man sich andere
Laͤnder und die vorige Zeiten nicht wie unsere
einbilden, als wenn man uͤberall und allezeit so
gute Vorsicht und Ordnung wegen der Be-
graͤbniße getragen haͤtte, als etwa jezund. An
vielen Orten scharrete man die Todten nur ein
wenig mit Erden zu, daher sie leicht heraus ge-
worffen, von Hunden und andern Thieren miß-
handelt werden konten. Insgemein hat man
gar zu sehr mit den Leichen unter die Erde geei-
let. Wie tumultuarisch und unordentlich es
damit muͤße hergegangen seyn, kan man genug
daraus schließen, daß noch zu unserer Vaͤter
Zeiten oder druͤber der gottselige Churfuͤrst Au-
gustus eine Verordnung machen muste, daß
man einen Verstorbenen zum wenigsten zwoͤlff
Stunden lang im Hause behalten solle, s. Kir-
chen-Ordn. General-Artic. n. 15.
§. 5. Was manchen auf dem Schragen, man-
chen noch auf dem Kirch-Hof bey dem Grab
wiederfahren ist, das hat andern im Grabe erst
wiederfahren koͤnnen, nemlich daß sich ihr noch
nie verloschenes Leben wieder geoffenbahret hat.
Gedachter Herr Hilscher erzehlet von seiner ei-
genen Gemeinde, daß A. 1719. eine Christ-
liche Witwe begraben worden, welche als A.
1680. in der damaligen Contagion ihr Mann
nebst 25. Personen aus einem Hause verstor-
ben, und sie selbs auch von der Pest hefftig an-
gegriffen worden seye, habe man sie den andern
Leichen zugesellet. Indem aber des Abends,
da sie solte begraben werden, noch jemand an ihr
etwas zu recht machen wolte, hat sie daruͤber die
Augen aufgethan, und sich beschweret, daß man
sie in ihrer Ruhe gestoͤhret habe, da sie dem Him-
mel schon so nahe gewesen seye. So wurde auch
A. 1698. aus Coppenhagen geschrieben, daß
ein gewisser Schif-Capitain nach langer Kranck-
heit von den Anwesenden fuͤr todt gehalten wor-
den. Nachdem er aber etliche Stunden gele-
gen, und ihn der Tischer, so das Maaß zum
Sarg nehmen wollen, etwas zu unsanfft ange-
ruͤhret, hat er jenen beym Kopf gekriegt, wel-
cher sich dermassen daruͤber entsetzet, daß er
ploͤtzlich kranck worden, und bald gestorben seye.
Noch mehr ist, was in eben selbigem Jahr aus
London gemeldet wurde, daß in der Graffschafft
Yorck ein Prediger, Henr. Weats, vor todt
angesehen, und nach der Kirchen zur Begraͤb-
niß gebracht worden seye. Indeme man ihm
aber die Leichen-Predigt gehalten, habe er in
dem Sarg ein solches Gepolter gemachet, daß
man selbigen eroͤfnet, und ihn zu aller Ver-
wunderung lebendig gefunden habe, so gar, daß
er etliche Tage hernach wieder vor denen gepre-
diget, welche seinem Begraͤbniß beygewohnet
hatten. Und wie sehr man immer noch auch
bey uns in dieser Sache anstosse, weiß man in
dieser Stadt, wo ich schreibe, aus einem noch
ziemlich frischen Exempel, noch wol. Eine krei-
stende Frau arbeitete sich uͤber der Geburt so
muͤde, daß sie vermuthlich in eine tieffe Schwaͤ-
che und Ohnmacht sanck, und fuͤr todt gehalten
wurde, ehe sie die Frucht von sich gebracht hat-
te. Man wickelte sie ein, und legte sie hinaus
in ein kaltes Zimmer. Nach etlichen Stun-
den kam der Tischer, und wolte das Maaß neh-
men zur Bahr. Man fande aber mit Bestuͤr-
tzung, daß nicht nur inzwischen das Kind von
ihr getrieben worden war: sondern daß sie auch
das Leilach uͤber sich zerzaplet und von sich ge-
schafft hatte: welches wenigstens bey vielen ei-
nen Verdacht erweckte, als waͤre damals noch
ein Leben in ihr gewesen.
§. 6. Und so ist es auch bey andern Arten der
Kranckheiten, als Schlag-Fluͤssen, Ohnmach-
ten, fallender Sucht, Gichtern, Erstickung
durch Rauch oder starcken Geruch, mancherley
weiblichen Beschwerungen, u. d. g. leichtlich
geschehen, daß die Seele aus dem Stand ihrer
ordentlichen Bewegungen gesetzet, und so denn
der Leib vor eine Leich, ehe er eine ist, angese-
hen werden kan. Vid. Paræus L. 23. c. 46. de
hysterica pro mortua habita, quæ ad cultri
anatomici applicationem vitæ superstitis si-
gna præbuit; Borell. Cent. 1. Obs. 2. de car-
bonum fumo suffocatis vitæ restitutis. Theod.
Kirchmaj. Diss. de hominibus apparenter
mortuis, Witteb. 1669. Valvassors Ehre des
Herzogthums Crain L. XI. p. 715. 717. Die
uͤbrige kan man gantze Schocken-weiß angezo-
gen finden, bey P. Hilschern, l. c. p. 10. und D.
Mich. Alberti Diss. Memento mori §. 12.
& in Diss. de Resuscitatione semi-mortuorum
medica, §. 5. Ich setze nur noch zwey hinzu,
die der Fleiß dieser Maͤnner nicht mitgenom-
men hat, nemlich Hieron. Jordan. de eo, quod
divinum est in morbis humani corporis, c. 42.
welches anfangt: multos morbos naturaliter
mortem mentiri notum est, p. 154. b. Fuͤr-
nehmlich aber den gruͤndlichen Theologum,
D. Ph. jac. Spenerum, der in seinen Consil.
Lat. eine weitlaͤufftige Antwort einem fuͤrneh-
men Herrn gibt, der ihn Raths gefraget hat-
te uͤber das oͤfftere Klopffen in den Graͤbern,
welches von einem Jahr her an seinem Ort ge-
hoͤret werde. Daraus ich das meiste mitthei-
len will, weilen doch die wenigsten ein Buch
nachlesen koͤnnen oder wollen, wenn es nur ci-
tirt wird. Er sagt: wenn auch nur das gering-
ste Geraͤusch gehoͤret werde, solle man alsobald
das Grab eroͤfnen. Ich habe meinen Bekan-
ten schon offt gesagt, man begrabe weit mehr
Lebendige, als etwa jemand glauben doͤrffte.
Die Medici sollen gute Kennzeichen haben, dar-
an man die wahrhafftig gestorbene von den ver-
meyntlich gestorbenen, sonderlich in gewissen
Affecten, unterscheiden kan (von welchen be-
trieglichen und wahrhafftigen Kennzeichen eines
Todten nebst P. Zachia in QQ Medic. Legal.
l. 4. tit. 1. qu. 11. n. 26–29. auch ein Theolo-
gus, P. Hilscher, handelt, l. c. p. 21. sqq.)
Ja ich habe ehdessen den Rath dahin gegeben,
daß keine Frau, welche hystericis passionibus
unterworffen gewesen, vor dem fuͤnfften Tag als
fuͤr gewiß todt solle gehalten und begraben wer-
den; wo er sich denn auf ein paar Exempel be-
ziehet. Er selber habe einen Oncle gehabt, der
70. Jahr alt worden, den man aber im 16ten
Jahr als an den Gichtern gestorben von fruͤh
morgens an bis in die folgende Nacht fuͤr todt
gehalten, und zur Bestattung beschicket habe,
da er in dem wieder zu sich selbs gekommen seye.
Mehrere solche Exempel erzehle Sebizius in ei-
nem Brief an D. Danhauern, welchen er seinem
Scheid- und Absag-Brief einverleibet habe p.
232. Deßwegen wo die geringste Vermuthung
eines Schalles in dem Grab seye, solle man zu-
eilen, und solches eroͤfnen. Unterlasse man sol-
ches, so verschulde man sich eben so schwer, als
wenn man sonst aus seiner Schuld den Neben-
Menschen umkommen lasse. Er sehe keine Ur-
sache, warum man sich ein Bedencken machen
solte. GOtt habe solches nirgend verbotten.
Es moͤchte endlich zu einigem Aberglauben An-
laß geben. Aber diese Gefahr seye nicht so groß,
als wenn unter vielen nur eines einigen Leben,
der haͤtte auf solche Weise salvirt werden koͤn-
nen, versaͤumet wuͤrde. Ja er wolte wuͤnschen,
daß, ehe ein Sarg eingesencket werde, man den-
selben jedesmahl zuvor eroͤfne, und versuche, ob
bey der neuen Anwehung freyer Lufft sich nicht
am Gesicht oder sonsten auch nur das geringste
Zeichen eines noch uͤbrigen Lebens entdecken las-
se, wozu man erfahrne Maͤnner nehmen muͤ-
ste. Das Leben des Menschen seye so pretios,
daß es sich wol solcher Sorgfalt belohne. Wol-
te man aber dieses Klopffen und Rauschen fuͤr
ein Wunder-Werck ansehen, so gehoͤre gros-
se Fuͤrsichtigkeit dazu, damit wir nicht einer
andern Ursache zuschreiben, was die Natur
vermocht hat. Ja wenn auch der Teufel hie und
da sein Spiel mit darunter menge, so schade
es doch nichts, den Coͤrper aufzugraben, und
nachzusehen, was denn geschehen seye. Bishie-
her der vernuͤnfftige D. Spencer Part. III. p.
120. sq. Noch faͤlt mir ein, daß Herr D. Al-
berti sich irgendwo auch auf die Herrn Juristen
beruffet, welche schon mehrers es denen Medi-
cis verweisen, daß sie wo nicht gleich den ersten,
doch den andern Tag promiscue ihre Sectiones
fuͤrnehmen ꝛc. Weil diese Sache in praxi ge-
nutzet werden kan, so habe mich ein wenig laͤn-
ger, als meinem Vorhaben gemaͤß, dabey auf-
gehalten. Ehe wir aber von unsern bißher
durchkrochenen Graͤbern hinweg gehen, wol-
len wir zum Angedencken unserer gethanen Wal-
fahrt auch eine Grab-Schrifft hinterlas-
sen. Das solle des subtilen Scholastici, Jo-
hannis Duns Scoti seyn, welcher ehrliche Mann
eben auch die bißher beklagte Fatalitaͤt erlitten,
und deßwegen folgendes Epitaphium verdienet
hat.
Quod nulli unquam homini accidit, Via-
tor,
Hic Scotus jaceo semel sepultus,
Et bis mortuus, omnibus Sophistis
Argutus magis atque captiosus.
Kormann. de Mirac. mort. P. VI. c. 56. §. 7. So dreißt stellete mich zwar, so raisonir-
te ich mit Gruͤnden, so schmuͤckte ich mich mit
Auctoritatibus aufs schoͤnste; und etliche ad-
mirirten auch meine Lumieres. Aber ich krieg-
te auch so kluge Leute vor mich, welche sich da-
mit noch nicht wolten abfertigen lassen. Sie
hielten mir entgegen, ein anders seye klopffen,
ruffen, seinen Situm umkehren ꝛc. welches die
apparenter mortui und lebendig begrabene wol
thun koͤnten; ein anders aber seye masticiren,
sich Haͤnd und aͤrm abessen, und zwar so, daß
die Anverwandten nachsterben, so lang, bis
man einem solchen Nachfresser den Kopf abge-
stossen habe; Denn dieses bezeugen so viele Hi-
storien, die man nicht so schlecht weg leugnen
doͤrffe. Ferner so habe man offt solches Ge-
raͤusch viel Tage oder auch Wochen hinter ein-
ander gehoͤret, da ohnmoͤglich die Begrabene
so lang haͤtten leben koͤnnen. Wiederum, wie
doch ein geschwaͤchter Leib im Grab bey so gros-
sem Mangel der Lufft sich Haͤnd und Aerm, die
gemeiniglich fest eingebunden sind, abbeissen,
wie er bey so schwachem Athem holen grosse Stuͤ-
cke von Leinwand in sich schlucken koͤnne, da er
sich damit das Athmen noch mehr intercludire.
Zu geschweigen, wie die famose Masticanten
gemeiniglich ziemlich exsangues und ausgetrock-
net in die Gruben kommen, und aber daselb-
sten mit animalischen Feuchtigkeiten auf eine
erstaunliche Weise angefuͤllet gefunden werden.
ꝛc. Wenn wir nun davon in die Laͤnge und in
die Quere ein paar Stuͤndgen raisoniret hat-
ten, so war der Beschluß, wie er noch offt bey
wichtigern Versammlungen zu seyn pfleget:
Und ein jeder gieng also heim, unverrichteter
Sachen, Joh. VII. 52.
Der III. Versuch. §. 1. DJese Scharmuͤtzel seynd nur kleine Zu-
bereitungen gewesen auf das Feuer und
Rauch unter den Vampyrs in Ser-
vien. Wer die obige Historie gelesen hat, oder
jetzt wiederholet, muß bekennen, daß dieses er-
staunliche Kraͤfften und verwickelte Wirckun-
gen untereinander seyen. Wer sie demeliren,
und ihren nexum causalem zeigen kan, erit or-
bi magnus Apollo, den wollen wir fuͤr so
klug halten, als den Daniel. Bey diesem
Bengel nun, welchen GOtt denen Gelehrten
hingeworffen hat, fuͤhren die Leute, die mir
bekant worden sind, eine unterschiedliche Con-
duite. Etliche suspendiren ihr judicium.
Und die thun wol am kluͤgsten. Aber es pro-
fitiret niemand nichts von ihrer gravitaͤtischen
Weißheit. Wenns bey allen Knoten alle
Menschen so machen wolten, wie schlecht waͤre
bißher der Welt gerathen worden! Nihil sa-
pienter fit, quod si ab omnibus fiat, inutile
est ac malum, schreibet unvergleichlich der
Christliche Cicero, Lactantius in Instit. L. 3.
c. 22. Etliche wagen sich ihren Kram auß-
zulegen; doch erwehlen sie unterschiedliche Mit-
tel. Einige wollen diese Wasche allein aus der
Philosophie außwaschen. Und da war schon,
nisi fallor, Anno 1725. oder 1726. vornen
draus Herr M. Michaêl Ranftius, V. D. M.
welche literæ initiales ohne Zweifel bedeuten:
Verbi Divini Minister. Man wuͤrde es aber
auch ohne diesen Zusatz leicht errathen haben,
daß der Auctor ein Geistlicher seyn muͤsse, so-
bald man seine 2. Dissertationes de Mastica-
tione mortuorum in tumulis gelesen haͤtte.
Nicht zwar, als wenn er so bigotisch mit der
Schrifft und Theologischen Waffen stritte;
denn diese haͤlt er fuͤr zu stumpf gegen seine Phi-
losophie: sondern weilen die Arbeit eben
sonst so gerathen ist, wie sie gemeiniglich zu ge-
rathen pfleget, so offt Theologi philosophi-
ren wollen. Wenn es diesen Herren niemand
sonst vertraut haͤtte, als der cordate Thoma-
sius, so solten sie zum Nachdencken gebracht
worden seyn. Sed æthiops non dealbatur.
Nun unser Herr M. Ranft hat sich fuͤrgenommen,
alle diese oben beschriebene wunderliche
Begebenheiten aus der Natur der bloßen Ma-
terie, und Operatione corporis in corpus zu
erklaͤren, ohne einen Goͤttlichen, oder Mensch-
lichen, oder Englischen, oder Teuflischen Geist
dabey noͤthig zu haben. Es gehet alles aus
dem heut zu Tag so sehr beliebten Mechanismo
und communicatione motus non nisi per ma-
terias possibili. Welchen Kuͤnstlern unser
Herr D. Alberti in seinem Specimine Theo-
logiæ Medicæ einen scharffen Text lieset, p. 90.
sqq. dessen mich nicht weiter annehme. Doch
supponirt Herr M. Ranft keine materiam
inertem & passivam, sondern infinitis poten-
tiis & vitalitatibus fœcundam & gravidam.
Diese neue Notion der Materie beweiset Herr
Auctor daher, weil GOtt materiam primam
nicht anders als voller Leben und Actuositaͤt
habe erschaffen koͤnnen, indem Er kein todter
und muͤßiger, sondern ein lebendiger und actuo-
ser GOtt in actu creationis gewesen seye.
Wol gezielt, aber schlecht getroffen. So
werden wir denn eine ewige, allmaͤchtige, un-
endliche, allweise, allguͤtige, geistliche ꝛc. Ma-
terie von nun an haben. Das bekuͤmmert
Herrn Ranftium wenig, sondern nachdem er
demonstrirt hat, wie der Erden-Kloß, dar-
aus Adams Leib gebildet worden, so voll un-
endlicher vitalitatum gewesen, ehe ihm GOtt
der HErr den lebendigen Athem in die Nasen
eingeblasen, so macht er nunmehr vitalitatem
zur eigentlichen proprietate materiæ, welche
wieder 2. andere proprietates an sich habe,
1. Vegetantiam, daß wenn schon vita homi-
nis tanquam compositi im Tod aufhoͤre, so
bleibe doch vita corpori specifica noch uͤbrig,
und durch dieses koͤnnen die zwar gestorbene
Menschen, aber doch lebende Coͤrper sich un-
verwesen erhalten, schmatzen, Blut lassen, an
Haaren wachsen, penem erigiren. ꝛc. 2. Sen-
sionem; aus dieser leitet er die operationem
nocivam corporum in vivos her, dabey es auf
die Sympathie und Antipathie der Coͤrper, auf
die Magiam Nat. auf die Imagination der Hin-
terlassenen, und die effluvia der Verstorbenen
hinaus laufft. Wie sich nun der Mann hie-
mit viel Unerwiesenes heraus nimmt: also muß
er sich noch weit mehr zwergen, wenn er seine
principia ad hypothesin bringen, und auf die
fuͤrgelegte phænomena appliciren solle. Es
grauet einem vor dem Zwang, wie er sich dre-
hen, und hundert Umstaͤnde fingiren muß, diese
effectus aus seiner, obwol lebhafftigsten, Mate-
rie heraus zu drechseln. Ich sehe also wol,
man muß hie ein principium vitale haben,
man mag es nun einen Geist, oder Archeum,
oder balsamum corporum, oder Materiam
infinitis potentiis vitalibus refertam, oder an-
ders nennen. Warum eckelt man doch so den
Nahmen eines Geistes, und bildet sich lieber
tausenderley schwerere Dinge ein, wie es moͤchte
zugehen koͤnnen, als daß man συνέργειαν spiritus
zulassen will? Muß denn auch diß Kennzei-
chen der ersten Welt an uns eintreffen: Die
Menschen seynd Fleisch! Ich hatte wenige Zeit
zuvor in des Engellaͤnders Chambers Lexico
Univers. Artium & Scientiarum, Lond. 1728.
gelesen, daß er meynt, der Enthusiamus seye
denen Artificibus und Inventoribus wie ar-
tium, also auch Systematum, ja dem gantzen
Menschlichen Geschlecht so eigen, daß der
Mensch besser koͤnne beschrieben werden, er seye
ein Animal enthusiasticum, als wie vulgo, ein
Animal rationale. Das hat sich aufs we-
nigste an dem Hn. Auctore verificirt. Ge-
wiß, er muß in einem starcken raptu enthusia-
stico gewesen seyn, da er ein solches Systema
von so lebvoller Materie, von so unerweißli-
chen suppositionibus, von so chimerischen Ein-
bildungen, daß der Haß die Imagination der
Verstorbenen dermassen anflamme, daß sie
solche Tragœdie unter den Lebenden spielen
koͤnnen, ersonnen hat.
§. 2. Hac non successit, alia aggrediamur via,
dachten andere, welchen Molliers Maladie ima-
ginée eingefallen ist. Denn diese weitsehen-
de dencken, es koͤnte diese gantze Sache eine Un-
garische Kranckheit, und eine Wirckung der cor-
rupten Phantasie seyn. Was die morbi idea-
les fuͤr stupendos effectus produciren koͤnnen,
quibus non solum spiritus, sed ipsa anima
ad varios & inordinatos motus concitentur,
hisque mediantibus variæ corpori impressio-
nes & noxæ inferri queant, wissen die Medici
am besten. Wenn einer weiter nichts lieset,
als die Acta privata, betreffend diejenige Kranck-
heit, womit Personen unterschiedlichen Ge-
schlechts und Alters zu St. Annenberg vom
Jahr 1713. bis An. 1719. uͤberfallen worden,
edirt von Herrn D. Chr. Hoͤpner in 4. Leipz.
1720. so kan er sich genug ersehen, quam gra-
ves morbi & incredibiles effectus, die auch
etliche Medici einer uͤbernatuͤrlichen Ursache
zugeschrieben, doch bloße causas naturales zu
ihrem Ursprung oͤffters haben, die zwar An-
fangs sehr schwer zu eruiren seynd, gleichwo-
len endlich, und bißweilen auch nach dem Tode
noch, offenbar werden, vid. D. Wedels Diss.
de morbis ex fascino, c. 5. Ich will aus be-
sagten Actis einen einigen §. hersetzen, womit
sich manche hoch tragen unter uns, da unter
andern es also lautet: Anlangend die Er-
scheinungen, so ist der Seelen nebst andern
uns nicht allezeit begreiflichen Kraͤfften von
GOTT auch diese mitgetheilet worden, daß
sie bey ihrem natuͤrlichen Zustand dasjenige, so
sie einmal gesehen oder gehoͤret, denen aͤusserli-
chen Sinnen bey Gelegenheit allemal wieder
vorstellen kan. Wer glaubet, es seyen in dem
Gehirn des Menschen gewisse oͤrter anzutref-
fen, welche auf diese oder jene Art afficirt aller-
hand Bildungen, die sich ausser uns in der That
nicht befinden, erregen und verursachen, daß der
Mensch, dessen Gehirn auf dergleichen Art af-
ficirt wird, festiglich davor haͤlt, er sehe derglei-
chen Bildungen wircklich vor sich, als Men-
schen-Gestalten, Geld, Vogel, Engel ꝛc.
Er fuͤhle eine kalte Hand, u. s. w. Wer sage
ich, dieses glaubet, der wird auch nicht vor
ohnmoͤglich halten, daß ohne Beytrag des
Teufels oder seiner Werck-Zeuge ein Mensch
an denen gewissen oͤrtern des Gehirns
dergleichen Impression empfinden koͤnne,
welche nach denen Regeln der Natur mit ei-
nem Schein jetzterwehnter und anderer Dinge
verknuͤpfet, in der That aber nichts wirckliches
ist, siehe Bayle Dict. art. Hobbes. lit. M. Die-
ses leugnet man nicht, daß denen Krancken, wie
sie es selber aussagen, diese oder jene Gestalten
fuͤrkommen; Daß aber supernaturale quid
hiebey unterlauffe, und daß die Gestalten wirck-
lich die angegebene Personen seyen, wird
man nimmermehr behaupten koͤnnen.
Im vergangenen Sommer wurde ich zu ei-
ner Jungfer erfordert, sie hatte Hitze, Hertzens-
Angst, weinete immer ꝛc. nach paar Tagen er-
fuhr ich von ihr, daß sie in des vor einigen Ta-
gen verstorbenen Haußwirths Bette lag, und
gab vor, sie saͤhe den verstorbenen Haußwirth
stets vor sich sitzen, dahero sie sich einbildete, sie
muͤste sterben. Ich verordnete sie sogleich in
ein ander Bett, und an einen andern Ort zu le-
gen, sie nicht allein zu lassen, und gab ihr eini-
ge Artzneyen, worauf sich die falsche Bildung
nebst dem Fieber und andern Zufaͤllen gar bald
verlohren, p. 45. §. 9. Man koͤnte noch weit
wunderlichere Exempel anfuͤhren, was eine
verruͤckte Imagination fuͤr Spiele anrichten
koͤnne. Doch ist mir immer unter allen das
lustigste von der Herrn Schweitzer ihrem be-
schrienen Heimweh fuͤrgekommen. Diese Leu-
te werden kranck vor Verlangen. In der
Kranckheit phantasiren sie bestaͤndig, und spre-
chen immer von denen, welche sie verlassen muͤs-
sen. Bißweilen stellen sie sich in der Ihrigen
Platz, und bekuͤmmern sich, wie ihre Hinter-
lassene um ihrentwillen sich betruͤben. Sie
bilden sich ein, wie die Ihrigen oͤffters zu ihnen,
oder sie zu jenen kaͤmen. Und dieses setzt sich
so fest in die Einbildungs-Krafft, daß wenn
ein solcher auch wieder gesund wird, laͤßt er sich
dennoch nicht mehr davon abtreiben, daß er
nicht zu Hause, oder die Seinen bey ihm hie ge-
wesen seyen.
§. 3. Wie? wenn einer gedaͤchte, es koͤnte sich
dergleichen etwas auch in Servien begeben?
Die unbaͤndige und ungehaltene Einwohner
dorten koͤnten aus Verlangen, Verdruß, Liebe,
Zorn, Rachgierigkeit, Unversoͤhnlichkeit, und
dergleichen Affecten kranck werden? in der
Kranckheit koͤnten sie sich einbilden, die ge-
liebten, oder die beleidigten Personen kaͤmen zu
ihnen, und embrassirten sie, es seye, aus wel-
chem Affect es wolle? Das sagen die Patienten
aus; der aberglaubische und schon præoccu-
pirte Poͤbel glaubet es Himmel-feste; die An-
verwandten fuͤrchten sich, und erkrancken auch;
die Nachbarn erschrecken, und vor Schrecken
stirbt einer nach dem andern dahin. Wer
denn so von einem vermeynten Vampyr gestor-
ben ist, wird auch ein Vampyr, dadurch sich
das Ubel in kurtzer Zeit fast ins unendliche auß-
breiten kan. Wie leicht koͤnnen schlaue Koͤpfe,
deren es auch unter der Bauerschafft nicht we-
nige gibt, solcher persuasion, die einmal unter
einem Volck herrschet, zu allerhand boͤsen Ab-
sichten mißbrauchen! Es kan leicht Hanß ein
Koͤrbgen von der Gretha empfangen haben, so
kan er sich nach Art des dortigen rachgierigen
Volcks fuͤrnehmen, solche verschmaͤhte Liebe
aufs empfindlichste zu raͤchen!
Es ist ein Volck auf Erden,
Hoffaͤrtig von Geberden,
Heimtuͤckisch von Gemuͤthe,
Rachgierig von Gebluͤte,
Beschoren wie die Affen,
Gekleidet wie die Pfaffen,
Beschlagen wie die Pferd,
Ist keiner drey Heller werth!
Welche Verslein ich von einem vertriebenen
Ungarischen wackern Theologo uͤber seine
Lands-Leute in meiner Jugend gelernet habe.
Wie leicht kan ein solcher drohen, er wolle von
einem durch einen Vampyr außgesogenen
Schaaf essen, er wolle auch ein Vampyr wer-
den, er achte nicht, wenn er naͤchstens sterbe,
er wolle sich aber revengiren, sie solle nach sei-
nem Tod ihren Eigensinn, Hochmuth, Untreu ꝛc.
theuer genug bezahlen muͤssen! Es ist moͤglich,
daß ein solcher aus anderer Ursachen willen
zeitlich stirbt, wie der Heyducke Parle von einem
Heu-Wagen herab gefallen ist. Das Weibs-
Bild fangt sich an Gedancken zu machen, aus
Gedancken werden Grillen, aus Grillen der
verstorbene arme Courtisan, der macht eine
schreckhaffte Einbildung; der Schrecke bringt
den Tod; der Tod zieht die geaͤngstigte Eltern,
Geschwister; Diese die Nachbarn, und solche
das gantze Dorf nach sich! das seynd moͤgliche
Dinge; und wer weiß, wenn einer in Servien
kaͤme, ob er sie nicht als wuͤrckliche Sachen
antraͤfe! Denn ich weiß nicht, traumt es
mir, oder habe ichs wahrhafftig irgendwo ge-
lesen, daß die Leute selbiger Revieren von
alten Zeiten her glauben, wenn einer un-
versoͤhnlich sterbe, oder es verspreche einer ei-
nem Maͤgden die Ehe, fuͤhre sie aber an, und
sterbe druͤber, so komme er nach seinem Tod,
besuche seinen alten Schatz, und sauge ihr das
Blut aus, worauf sie in etlichen Tagen sterben
muͤsse. Wenn es diesem so ist, so kan man
leicht rechnen, wie manche Faͤlle entstehen koͤn-
nen, die einem sich uͤbel bewusten zum Schre-
cken gereichen muͤssen. Schrecken aber ver-
ursachet nicht nur Kranckheiten und Sterben,
sondern auch Seuchen und Pest. Erst juͤng-
stens hat davon historice & philosophice ge-
handelt der accurate Medicus, Herr D. Georg
Dethardinus zu Rostock in Scrutinio Medico
de morbis a spectrorum apparitione (vel ve-
ra vel imaginaria) oriundis An. 1729. &
D. Lentilius in Misc. Med. Pr. P. I. p. 130.
febris malignæ ex mera imaginatione prælu-
dia.
§. 4. Sprichst du: ich sehe noch nicht, wo die-
ser Discurs hinaus will? So will ich dir also-
bald mit naͤherer Nachricht aufwarten. Ist
die Ursache der Kranckheit eine Einbildung;
besteht die gantze Kranckheit selbs in einer Ein-
bildung: so gibts Vernunfft, Kunst und Er-
fahrung, daß sie auch mit Einbildung muß cu-
rirt werden. Jener, der sich Froͤsche im Lei-
be zu haben einbildete, wurde curirt, da man Froͤ-
sche in seine excrementa practicirte, als waͤren
sie von ihm ausgegangen. Der sich einbildete,
keinen Kopf zu haben, wurde ein bleyerner Hut
aufgesetzt, den er wol fuͤhlte, und nun glaubte,
daß er seinen Kopf druͤcke. Der nicht sitzen wol-
te, weil er sein glaͤsern Gesaͤß zu zerbrechen
fuͤrchtete, wurde mit Gewalt hingesetzt auf ei-
ne Banck, darauf ein Glaß lag, welches er
zerbrach, und damit gesund wurde. Einer
hielte sich fuͤr gestorben, und wolte nichts mehr
essen und trincken; man legte Leute neben ihn,
die sich stelleten, als waͤren sie todt; man wi-
ckelte sie in Leilache ein, man ließ sie aber essen
und trincken, daß der Patient sahe, wie die Ver-
storbene dennoch essen und trincken, das that er
nach, und wurde curirt; und dergleichen fast
unzehliche Exempel, vid. D. Salzmanni Diss.
de Phantasiæ actionibus §. 21. Die Herrn
Naturæ Curiosi haben in ihren Ephemerid.
zerschiedene andere Exempel, welche mit meh-
rern, und was sonst von dieser Materie ge-
sagt werden kan, der fleißige und Christliche
Herr D. Alberti zusammen getragen hat in sei-
nen 2. Diss. de Valetudinariis, Imaginariis,
& de Therapia imaginaria, wo er auch eine
Therapiam moralem fuͤrschlaͤgt in einer eige-
nen Diss. fuͤr diejenigen Imaginaires, deren viel
sind, die sich immer einbilden, es seye ihnen
nicht wol; und indem sie sich dergleichen ein-
bilden, und immer daran gedencken, verderben
sie sich erst, oder noch mehrers, und werden zu-
letzt fast gar unbrauchbar. Wie waͤre es nun,
wenn wir sagten, was wider die Vampyrs fuͤr-
genommen werde in Servien, seye eine kluge
Invention eines geschickten Medici? wer weiß,
ob man sich nicht nach dem Aberglauben der ein-
faͤltigen Leute accommodirt, die angegebene
Aussauger ausgraͤbt, und ihnen die Schaufel
durch die Brust stoͤßt, um durch diese Impres-
sion den Leuten die Furcht zu benehmen, und
sie also von ihrer Kranckheit zu befreyen.
§. 5. Das leuchtet mir wol ein, sprichst du; nur
moͤchte ich vollends wissen, wie es zugienge, daß
die Leiber solcher angegebenen Personen so viel
Wochen lang koͤnnen unverwesen geblieben seyn,
daß man eine solche Execution an ihnen vor-
nehmen kan? Hierauf koͤnte man sagen, es
bringe vieleicht dieses die Art des dortigen Ter-
rains mit sich, daß die Coͤrper sich lange ohne
Verwesung halten koͤnnen. Gleichwie die so-
genante terra Neapolitana die Eigenschafft hat,
daß sie die Feuchtigkeit aus denen Coͤrpern an
sich ziehet, und sie desto mehr vor der putredi-
ne verwahret. Also doͤrffte auch dorten ein
Erdreich an manchen Orten von dieser Art seyn.
Wenigstens hat der gelehrte Engellaͤnder Rob.
Boyle in seiner Diss. de admirandis Hungariæ
aquis viel wunderbare Dinge angemercket, z. E.
daß das Wasser theils Orten das Holtz so hart
mache, daß man mit keinem Eisen ihm etwas
abgewinnen koͤnne: Findet sich aber das beym
Wasser, so doͤrffen wir wol auch dergleichen
von der Erden vermuthen. Und was ver-
muthen? Wir wissen ja so viel, daß wenn die
Hungarische Bauren zu Kriegs-Zeiten oͤffters
fliehen, und ihre Speisen in die Erde vergra-
ben, sie solche nach langer Zeit frisch und wol
conditionirt noch antreffen. Und auf diese
Weise koͤnte diese prodigios und fuͤrchterlich
scheinende Sache eine raisonable Erklaͤrung
bekommen, ohne daß man einen andern Schluͤs-
sel suchen doͤrffte.
§. 6. Gleichwie es Leute gibt, die solche Din-
ge erdichten doͤrffen: also zweifle nicht, es wer-
den auch Leute seyn, die solches begierig ergreif-
fen werden. Sie wollen alles in die efficaciam
phantasiæ resolviren. Und gewiß, wie ge-
schaͤfftig und maͤchtig die Phantasie zu allerhand
ungeheuren Mißgeburten seye, koͤnnen sie kei-
nen bessern Beweißthum als eben sich selbsten
in diesem Gespenst anziehen. Sie bilden sich
in dieser Sache eine Menge Dinge ein, und
beweisen keine einige. Es ist dieses res facti;
sie bringen aber nicht nur kein documentum
historicum auf, sondern bilden sich Begeben-
heiten ein, welche der historischen Relation
schnur gerad entgegen seyn: Es folgt ja nicht:
vieleicht kan dieses so seyn, Ergo ists wuͤrcklich
also. Die corrupte Phantasie hat schon sol-
che und solche Kranckheiten gebohren: Ergo
liegen diese Leute in Servien alle an der Phan-
tasie kranck. Wo findet man in der histori-
schen Relation, daß alle an einer acuten Kranck-
heit in gar kurtzer Zeit sterben? Findet man
nicht auch solche darunter, die etliche Wochen
und Monathen an verzehrenden Kranckheiten
algemach gestorben sind? Wo ist doch die al-
lergeringste Spur in der Specie Facti von de-
nen erdichteten Liebes-Haͤndeln, die den An-
fang sollen gemacht haben? Stehet nicht aus-
truͤcklich num. 2. daß ein sechzigjaͤhriges Weib
Miliza den Anfang zu dermaligen Vampyren
gegeben, nicht, da sie einem Buhler ungetreu
geworden, sondern da sie von einem Vampyri-
schen Schaaf gegessen habe? Es sterben auch
Kinder von 8. Tagen an dieser Vampyrischen
Kranckheit num. 3. Seynd diese kleine Kinder
auch schon so grosse Phantasten? Und wer hat
wol diesen klugen Einfall gehabt, Einbildung
durch Einbildung zu curiren? Die Beschrei-
bung des Kayserlichen Provisoris, seine Ter-
giversation es denen andringenden Bauren zu
erlauben, seine unterthaͤnigste Anfrage bey Loͤb-
licher Administration, dieser hohen Admini-
stration selber mancherley Anstalten, zeigen
handgreiflich an, daß Sie um dieses geheime
Kunst-Stuͤcklein nichts wissen muͤssen. Gesetzt
aber, man wolte eine solche Spiegelfechteri-
sche Cur fuͤrnehmen, wuͤrde es sich gerad zu-
tragen, daß man an lauter Graͤber geriethe,
darinnen unverwesene Coͤrper liegen, wie hie,
bis auf ein paar, arrivirt ist? Mit welchem
Schein will man nur probable machen, daß
die Erde zu Medvegya sonsten alle Coͤrper ver-
zehre, nur jetzund nicht? daß einerley Kirch-
Hofs-Erde die eine Coͤrper verwesen lasse, an-
dere nicht, und zwar die naͤchst an ihnen gelegen?
num. 8. Ist es um nichts zu thun, als denen
phantasirenden Vampyrs mit Destruction der
Leiber ein Blendwerck fuͤr zu machen: Was
bedarfs dieser muͤhlichen Secirungen? und war-
um schweigt man doch von dem haͤuffigen fluͤs-
sigen und balsamischen Blut in denen ausge-
grabenen Coͤrpern so stille? Woher kommts,
daß eine im gantzen Leben magere und ausge-
dorrete Person hernach im Grabe so fett, voll-
bluͤtig und vollkommen wird? num. 2. Bringts
die Erde auch mit sich, daß die alte Haut im
Grab abgehet, und eine frische und lebhaffte
dagegen waͤchset? ꝛc.
§. 7. Diese Sache ist uͤber den Schertz, den ich
sonst wol auch verstehe. Soll man die Graͤntzen
der Phantasie so weit extendiren? Soll man vi-
res imaginationis supra Naturæ Æquatorem
erheben, nur damit man auch bey denen entsetz-
lichsten Zufaͤllen alle causas-præter-trans- & su-
pra-naturales gaͤntzlich ausschliessen moͤge? Be-
scheidene Medici klagen selbsten uͤber solche
Ausschweifungen. Quis cumeret eos, qui ad
unum omnes cum primicerio suo Avicenna,
Caddo, Ant. van Dalen, Beckero, (parco reli-
quis) nimis superstitiosi in extollenda imagi-
nationis virtute eidem adscribunt adscriben-
da viribus diabolicis? eyfert Herr D. Werck-
meister in Diss. de Imaginatione causa mor-
borum p. 2. Ja wol, indem man unter dem
verhaßten Nahmen des Aberglaubens keine
Ehrerbietung vor die Heil. Schrifft und der-
selben Lehren haben will, verfaͤlt man in die
groͤste Bigotterie, und macht lieber bald die
Natur, bald die Phantasie zu einem Idolo, als
daß man auf den wahren GOtt aufsehen mag!
Ist es aber nicht mit Erstaunen zu betrachten
(sind Worte eines Christlichen Medici) daß
bey der Sonnen-hellen Klarheit und Felsen-
festen Warheit des geoffenbahrten goͤttl. Worts
so viele Christen, Theologi, Politici und Medi-
ci, durch die Beckerische und andere Schwarm-
Grillen also verblendet worden, daß sie durch
einen adæmonistischen Naturalismum entwe-
der die Geister und Teufel gaͤntzlich leugnen,
oder doch Satans Klauen also verbergen, und
abgeschnitten fuͤrstellen, daß sie wenig, oder
gar keine Macht wider den klaren Inhalt goͤtt-
lichen Worts mehr bey den Menschen uͤbrig be-
halten! ꝛc. Diese epidemische Seelen-Seuche
wird durch kein Einbildungs-Mittel gehoben.
Natur reicht nicht zu. Gnade muß den gan-
tzen Grund des innerlichen Menschens umkeh-
ren und ausheilen, vid. D. A. Rechenb. Disp.
Pract. de efficacia gratiæ quoad imaginatio-
nis in mentem corpusque imperium. Das
schoͤne Wort Socratis in der Natur wird noch
schoͤner, wenn es auf die Gnade und uͤberna-
tuͤrliche Wirckung des Heil. Geistes in der See-
len gezogen wird, da er sagte: Oculus sine to-
to capite, caput sine toto corpore, corpus
sine tota anima sanari non potest, apud Ma-
xim. Disp. 18. Ja wol ist das Flicken kein nuͤ-
tze! Soll dem Menschen von seinen geistlichen
Kranckheiten, sonderlich der πολλῆς φαντασίας
innerlich und aͤusserlich geholffen werden, so
muß die gantze Seele wiedergebohren werden!
§. 8. Da man sich vor dem præcipitio des vori-
gen Wegs billig zu scheuen hat, so seynd einige auf
die Gedancken gerathen, ob man nicht einen ebe-
nern und richtigern Weg in dem Statu Religionis
selbigen Volcks finden koͤnne. Man moͤchte doch
nicht nur wissen, woher dieses Ubel komme; son-
dern auch warum es sich in dortigen und den
benachbarten Gegenden allein, oder mehrers
finde, als in andern? Und da duͤnckete es ei-
nen oder den andern unter uns, man koͤnne die
erste Spur und gleichsam den Saamen dieser
wunderbarlichen Begebenheit am besten in der
dortigen Religion aufsuchen. Wir supponi-
ren, daß diese Leute der Griechischen Kirche an-
hangen. In dieser finden wir aber, welches
zu diesem phænomeno, und dessen modifica-
tion, leichtlich einen Anlaß hat geben koͤnnen.
Ich deute auf die Art ihrer Excommunication.
Wenn diese Kirche jemand in den Bann thut,
so fliessen nebst anderm auch diese Fluͤche in die
Formul ein: Dein Theil seye mit dem
Teufel, und mit dem Verraͤther Ju-
da! ja nach deinem Tod solt du in E-
wigkeit nicht zu Aschen werden, son-
dern wie Stein und Eisen unverweß-
lich liegen. Und da glaubt man bestaͤndig,
wenn ein solcher verbannter Mensch vor sei-
nem Ende nicht wieder die Absolution erhalte,
er keineswegs verfaulen koͤnne, sondern wie ei-
ne Drommel aufschwelle, und als Stahl und
Eisen unverweßlich bleibe, bis ihn der Bischoff
von dem Bann loß zehle, da denn der Coͤrper
auf einmahl zu Aschen werde. Eines der an-
sehnlichsten solcher Exempeln ist wol dieses, so
sich unter Mahomet II. der Constantinopel
eingenommen, zugetragen hat. Dieser Kay-
ser hatte gehoͤret, daß die, welche in dem Bann
gestorben, nicht verwesen koͤnten, und ließ sich
die Curiositaͤt ankommen, hievon eine Probe
zu nehmen. Daher befahl er dem Patriarchen,
daß er einen solchen Coͤrper aufsuchen, und wie
gewoͤhnlich, absolviren solte. Die Clerisey
erinnerte sich auch, daß vor vielen Jahren der
Patriarch Gennadius eine Priesters Witwe in
den Bann gethan, die auch darinnen ohne Ab-
solution gestorben waͤre. Als man nun die-
ses Grab oͤfnete, fand man einen greulichen Anblick, nemlich einen Coͤrper, der wie eine Trommel aufgeschwollen, und so hart als Stahl und Eisen war. Denselben legte man in einen Sarg, welcher zur Verhuͤtung alles Betrugs mit dem Kayserlichen Siegel verwahret wurde, und trug ihn in die Kirche. Daselbst hielte der Patriarch das Amt, zehlte die verstorbene Frau von dem Bann loß, und verlaß das hieruͤber ausgefertigte Diploma. So bald dieses geschahe, hoͤrte man ein gewaltiges Geprassel in dem Sarge, und als man denselben eroͤfnete, fand man nichts anders, als wenige Knochen, welche unter der Asche zerstreuet lagen. Siehe D. Joh. Mich. Heineccii Abbild. der Griechischen Kirche P. III. p. 419. alwo er sich auf mehrere Exempel in seiner Disput. de Absolutione mortuor. tympaniticor. in Eccles. Gr. berufft. Ein neues Exempel erzehlet Maudrell, Prediger der Engellaͤndischen Compagnie zu Aleppo in seiner Reiß-Beschreibung des Heil Landes 1696. p. 204. Ein Griechischer Prediger versicherte mich bey Priesterlichem Glauben (er war aber ein aufrichtiger und verstaͤndiger Mann) es seye etwa vor 15 Jahren ein gewisser Griech gestorben ohne vorher empfangene Absolution, welcher ein Laster, so der Excommunication wuͤrdig gewesen,
obwol die Kirche nichts darum gewußt, begangen hatte. Er wurde begraben als ein Christ. Zehen Jahr aber hernach stirbt einer seiner Soͤhne. Man macht ihm ein Grab nahe an des Vaters seinem. Hie nun fand man seinen Leib noch gantz, als wie er bey dem Begraben war, das Leich-Tuch vermodert, der Leichnam gantz nacket und schwartz, ohne die geringste Anzeige einer Verwesung. Als es der Bischoff erfahren, zweifelte er Anfangs selbs an der Ursache einer so ungemeinen Begebenheit; schickte etliche Priester, unter welchen auch dieser Referens war, hin, um GOtt fuͤr die Suͤnde des Abgeleibten zu bitten, und ihme die Absolution im Grab zu geben. Dieses war so bald nicht geschehen, so zerfiel der Leib in Staub. ꝛc. Ich weiß noch, wie dieses der Griechische Praͤlat, welcher vor einigen Jahren hiesige Lande passiret, mit grosser Parrhesie bestaͤtiget, und solches nicht allein fuͤr ein besonders Wunder, sondern absonderlich auch fuͤr eine augenscheinliche Bekraͤfftigung der Bischoͤfflichen Gewalt bey ihnen angegeben hat. Ich weiß aber auch noch gantz eigentlich, wie wir damalige muntere Studiosi ihme entgegen gehalten, nach diesen Kennzeichen seye der Vorzug zwischen der Griechischen und Roͤmischen Kirche immer noch sehr zweiffelhafft. Denn
habe der Griechischen Kirche Bann so eine Krafft auf die menschliche Coͤrper, auch bis nach ihrem Tod, zu wircken: so habe hingegen der Roͤmischen Kirche Excommunication solche Krafft, die auch bis auf die unvernuͤnfftige Thiere dringe, und sie auf der Stelle angreiffe. Als er hieruͤber stutzte, zeigten wir ihm des Eisenachischen Medici, D. Christ. Franc. Paulini, curieuse Dissertation de Corvo excommunicatio. Der Abbt Cunradus des Closters Corbey, gegen das Ende des XII. Seculi, legt, da er die Haͤnde waschen wolte, seinen Ring von sich an das Fenster. Der Rab, welchen der Abbt zu seiner Lust in der Stuben hielte, sahe den Ring glaͤntzen und nimmt ihn hinweg, daß es niemand merckte. Der Abbt misset seinen pretiosen Ring, den ihm Kayser Cunradus zur Bestaͤtigung vieler Privilegien verehret hatte. Man sucht ihn in allen Winckeln, kan ihn aber nirgend finden. Die Bedienten werden examinirt, einige kommen in Verdacht; keiner will nichts gestehen. Endlich gibt einer den Rath, man solle den unbekanten Dieb in Bann thun. Es geschicht unverzuͤglich. Aber von Stund an versteckt sich der Rabe, wird traurig, da er sonsten so lustig war, bleibt in seinem Nest sitzen, frißt nichts, nimmt ab, und wird sehr schwaͤchlich. Endlich
faͤlts einem Bedienten ein, der sagt: Was gilts, der schwartze Schelm hat den Ring gestohlen, und liegt deßwegen unter dem Bann. Man visitirt sein Nest, und findet darinnen den gesuchten Ring. Der Abbt hebt den Bann auf, der Rabe frißt wieder, wird munter und froͤhlich. Diese Geschicht hat gedachter Paulini nicht nur mit haͤuffigen Zeugnissen belegt, sondern sie auch in die Ephemer. Nat. Cur. gegeben, in Dec. II. ad Ann. V. in Append. p. 78. sqq.
§. 9. Aber wieder zu unsern Vampyrs umzukehren, so zwar zwischen ihnen und denen Griechischen Excommunicatis tanquam tympaniticis ein grosser Unterscheid. Gleichwol kommen sie in aliquo tertio der Fuͤrdaurung nach dem Tod mit einander uͤberein. Wo nun in einer Kirche oͤffentlich gelehret und geglaubet wird, daß die von Christo verliehene Gewalt zu binden auf Erden, auch auf den Leib und zwar bis unter die Erde sich erstrecke, daß nicht nur die Seelen dem Teufel uͤbergeben, sondern auch der Leib um gewisser Suͤnden willen, also gebunden werde, daß er nicht verwesen koͤnne ewiglich, und daß diese Nicht-Verwesung ein gewisses Kennzeichen eines lasterhafften verbannten Menschen seye: wie leicht hat dieses algemach
Anlaß und Gelegenheit zu allerley Meinungen von den fatis der Leiber nach dem Tod, zu aberglaubischen und fuͤrchterlichen Einbildungen der Einfaͤltigen, oder andern uns hie zu Landen unbekanten Mißbraͤuchen unter einem ohne hin ziemlich ruden Volck geben koͤnnen! Welcher Gemuͤths-Disposition der Leute sich freylich hernach der Teufel als einer bequemen Gelegenheit bedienet hat, eine wuͤrckliche und wahrhafftige Comœdie zu spielen, deren Invention aus etwas der Griechischen Kirche genommen, aber mit seinen Zusaͤtzen, Veraͤnderungen und Verkleidungen ist aufgefuͤhret worden. Fast auf die Weise, wie die Gelehrten insgemein dafuͤr halten und beweisen, daß er es mit den Geschichten der Schrifft selbs unter den Heyden gemacht, woraus er sie gestohlen, und hernach in seine façon eingekleidet hat. Ja ich wolte eben den gar nicht auslachen, der sich den Teufel auch hie, wie sonst unzehlich offt, als einen Affen Gottes fuͤrstellet. Ruͤhmete nun die Griechische Kirche die Gegenwart und kraͤfftige Beweisung JEsu Christi so sehr an denen unverwesend bleibenden excommunicirten Coͤrpern: so hat dieser Affter-Koͤnig und Fuͤrst der Finsterniß nicht geringer seyn, wol aber es Christo noch bevor thun wollen, indem er sein Reich und Gewalt auch unter denen Todten
auf eine so ausser-ordentliche und erstaunliche Weise zu exerciren suchte.
§. 10. Indem wir aber algemach darauf gekommen sind, unter diesem Trauer-Spiel den verkapten Teufel zu suchen, und aber nur die erste Anregung davon der heutigen Welt so veraͤchtlich und widrig ist: so muͤssen wir uns hieruͤber ein wenig deutlicher erklaͤren. Man siehet verhoffentlich aus dieser meiner bißherigen gantzen Auffuͤhrung, daß ich keiner von denen seye, die sub quocunque lapide scorpium, und unter einem jeden phænomeno den Teufel mit ihren clair voianten Augen erblicken. Aber ich mag auch kein Mitglied der grossen Gesellschafft seyn, in deren Statutis die erste Regel ist, keinen Geist und Teufel zu glauben. Beede Theile gefallen mir so wenig, als die zwey andere Secten unter uns, deren die eine gar keinen Pabst sehen wollen, ob er schon hie und da in Lebens-Groͤsse sich præsentirt, die andere hingegen, wie Thomasius und seine Juͤnger, sehen nichts als lauter Paͤbste. Es ist aber dem sonst wolverdienten Mann ergangen, wie jenem Menschen, dessen Lockius de Intell. Hum. gedencket, weiß nicht wo. Den hatte ein Medicus zwar curirt, aber durch ein scharffes und beschwerliches Mittel. So offt nun dieser hernach
den Medicum sahe, so offt empfand er den Eckel seiner eingenommenen widerwaͤrtigen Artzney und seines erlittenen Schmertzens. Thomasius ist in seinen ersten Jahren zu unsanfft von einem oder anderm Theologo angeruͤhret worden; Dieses setzte sich bey ihm so fest, daß so offt er in seinem gantzen Leben solche Leute sahe oder hoͤrte, so sahe, hoͤrte, fuͤhlte, riechte er nichts, als lauter Paͤbste. Ich begehre ja kein Haaß zu seyn, der auf diesem todten Loͤwen herum springe. Der Mann hat mir nichts Leyds, und viel Guts erwiesen in meinem Leben. Aber ich sehe es an so vielen Exempeln, wie auch grosse Gelehrten sich in eine gewisse Meynung verbilden, oder an derselben eckeln koͤnnen, ohne daß sie dessen eine wahre Ursache haͤtten. Wenn ich aber glaube, daß bey dieser aus Servien beschriebenen Begebenheit der Teufel sein Werck mit habe: so muß ich mich vorderist in thesi legitimiren, und sagen, man habe grosse Ursache fuͤrsichtig zu fahren, wenn man bey offenbaren Wirckungen die unbekante Ursache dem Satan zuschreiben will. Das kan leicht ein Asylum ignorantiæ & ignaviæ abgeben. Es kan die sonst unwidersprechliche Warheit von der Existenz und Operation des Teufels manchen muthwilligen Gemuͤthern exponirt werden, wenn heut aus natuͤrlichen Ursachen
demonstrirt wird, was man gestern noch allein dem Teufel zugeschrieben hat. Und was dergleichen Bedencklichkeiten mehr seyn moͤgen. Gleichwol glaube ich auch daneben, man koͤnne bey vielen phænomenis nicht hinaus kommen, wie gelehrt, geschmeidig, subtil und spitzig man sich auch mache, wo man nicht einen Geist, und zwar den boͤsen Geist, und dessen concursum mit zu Huͤlffe nehme. Es seynd gerade zu dieser Zeit drey Medici beruͤhmt, (ich weiß nicht, warum mir immer diese Herrn am meisten in die Feder kommen) an welchen einer seine sonderbare Lust sehen kan. Herr D. Alberti zu Hall schrieb eine Dissert. de Potestate diaboli in corpus humanum, 1725. sein Herr Collega D. Hoffmann schrieb auch eine de Potentia diaboli in corpus humanum, 1723. und Herr Doctor Dethardinus zu Rostock eine de Obessione spuria. Alle drey tractiren fast zu gleicher Zeit einerley argumentum; aber aus unterschiedlichen Gruͤnden und Systematibus. Herr D. Alberti ist ein Pnevmato-Cosmicus, und kan sich mit seinem Geist leicht und uͤberal helffen. Bey Hn. D. Hofmanns hypothesibus mechanicis gehet es schwer, doch noch erleidentlich daher. Aber Herr D. Dethardinus unter dem Zwang nach der summa ἀκριβεία Methodi mathematicæ allenthalben,
und auch in dieser Materie, zu procediren, und dem Teufel fast lauter ferias und muͤßige Zeit zu machen, macht er sich desto mehr Muͤhe und Arbeit, und, ohne Verletzung des Respects, einen Hauffen unnoͤthiger Bedencklichkeiten. Die Sache laͤßt sich hie nicht in ihrer Extension tractiren. Genug, den Zustand der Gelehrten, und ihrer zerschiedenen hypothesium beruͤhret zu haben. Aus diesen will ich, nur ad hominem, den Mitlern heraus wehlen, der nicht gar zu Pfaͤffisch, und nicht gar zu profan scheinet. Er gibt unter andern 2. Canones, I. Perspiciendum est, ne nimium, & ne nihil, tribuamus diabolo; videndum, quid valcat & non valeat, & an omni tempore & in omnibus subjectis id præstare possit, d. i. man muß wol darauf sehen, daß wir dem Teufel nicht zu viel, aber auch nicht gar nichts zuschreiben; man muß forschen, was er vermoͤge, und was er nicht vermoͤge, und ob er solches zu allen Zeiten, und bey allen Personen ausrichten koͤnne? 2. Non esse sub examine morborum (& aliorum phænomenorum) ad causas supernaturales transiliendum, quamdiu causarum naturalium nexus ad phænomena explicanda sufficit, d. i. wenn man Kranckheiten und andere Begebenheiten untersuchen solle, so muß man nicht zu uͤbernatuͤrlichen Ursachen fliehen, so lange man
zeigen kan, daß diese Wirckung aus natuͤrlichen Ursachen entstehen koͤnne. Beede Reglen seynd raisonables. Bescheidene Politici werden so wenig der ersten Regel ablegen, als vernuͤnfftige Theologi sich Bedencken machen moͤchten, der zweyten zu unterschreiben. Aufs wenigste haben wir oben von dem bedaͤchtlichen D. Spener angefuͤhrt, daß er eben dieses im Mund oder Sinn gehabt, da er sagte: Es bedoͤrffe grosse Fuͤrsichtigkeit, damit wir nicht einer andern Ursache zuschreiben, was die Natur vermocht habe. Dennoch, duͤncket mich, bedoͤrffe diese zweyte Regel noch einige Erlaͤuterung und Limitation. Man muß unterscheiden inter causam totalem & partialem, solitariam & sociam. So lang man nemlich etwas aus natuͤrlichen Ursachen resolviren kan, solle man den Teufel nicht mit hinein ziehen als eine causam solitariam, als haͤtte ers allein gethan; wol aber etwa doch als eine causam partialem, als einen, der dazu geholffen, und zum effectu mitgewircket hat. Und weiß ich demnach gar nicht, warum man den Teufel endlich nur da noch zu suchen haben solle, wo Sachen vorgehen, die die gewoͤhnliche Ordnung und Kraͤfften der Natur uͤbersteigen? da der Boͤßwicht viel oͤffter seine behende Kraͤfften
auch in die natuͤrliche wirckende Ursachen mit hinein spielet. Wenn wir ausser der Schrifft solten die Einfaͤlle der Araber und Chaldæer in die Guͤter Hiobs analysiren, so wuͤrden wir perfectissime alles aus natuͤrlichen Ursachen her leiten koͤnnen, und bliebe uns noch uͤbrig. Dennoch zeuget die Schrifft, daß der Teufel darunter gesteckt seye. Wie es in moralibus ist, daß der Teufel dem David ins Hertz gegeben, er solte das Volck zehlen lassen, welches ihm eben so gut auch natuͤrlich Fleisch und Blut haͤtte eingeben koͤnnen: so gehets ohne Zweifel auch in rebus mere physicis. Ich glaube, daß zu den Zeiten Christi bey den meisten Gebrechlichen, μογιλάλοις, Stummen, Tauben ꝛc. vitia naturalia in derselben Organis sich gefunden haben, und daß also ihre beschwerliche Sprache, Taubheit ꝛc. aus natuͤrlichen Ursachen hat koͤnnen gezeiget werden: Dennoch steckte der Teufel dahinter, und bediente sich dieser natuͤrlichen Indisposition der Menschen. Wie sich unsere Seele ministerio spirituum animalium in exequendis motibus coproris naturalibus gebrauchet, welche weder der Seele allein, noch dem Leib allein, sondern beeden als ein ἀποτέλεσμα koͤnnen zugeschrieben werden: also kan sich dieser Geist auch mit den viribus rerum naturalium vereinigen, und entweder einen gewoͤhnlichen oder etwas ungewoͤhnlichen effectum produciren,
der weder dem Teufel allein, noch z. E. dem Menschen allein, sondern beeden zugeschrieben werden muß, ob er auch gleich von dem Menschen allein haͤtte producirt werden koͤnnen. Kurtz, es ist ja die Frage nie allein von der Operatione, sondern von der Cooperatione, συνεργεία und Mitwirckung des Teufels. Welcher Unterscheid in denen mancherley Consiliis der Medicorum uͤber die oben angezogene Annenbergische Haͤndel niemalen ist beobachtet worden. Das ists, was ich von einem meiner Herrn Præceptorum in folgendem Canone gelernet habe: Quodcunque principium analysin horum vel illorum phænomenorum physico-mathematicum non modo non turbat vel impedit, sed potius confirmat atque illustrat, imo expeditiorem & evolutiorem reddit, illud principium à bono Philosopho quà tali negligi aut fastidiri non debet. Atqui principium de συνεργεία alicujus spiritus vel boni vel mali analysin ꝛc. Ergo. Sic demum sua Scripturæ S. illibata constabit Virginitas. Qui autem contra hanc observationem supercilio suo philosophico indulget, ille vel profano affectu in historiam S. Scripturæ infectus est, vel insigni fastu ingenii laborat, quod ideas rerum grandes, & subtilitates vulgo haud obvias, nec facile extricabiles, impotentius affectat.
§. 11. Und damit ist der Weg von der Thesi zur hypothesi wircklich geoͤfnet. Wer die Schrifft respectirt, sie als eine Præsidem Philosophiæ verehret, und noch einen Teufel erkennet (denn mit keinen andern wollen wir zu thun haben) der wird keinen Anstand haben, den Teufel unter denen Vampyrs nicht nur zu vermuthen, sondern auch in seiner groben Gestalt gleichsam mit Haͤnden zu greifen. Wenn hie der Teufel, der Fuͤrst der Finsterniß, der in der Finsterniß dieser Welt zu agiren gewohnt und befugt ist, der Feind des menschlichen Geschlechts, der Wuͤrg-Engel, der umhergehende bruͤllende Loͤwe, der Moͤrder von Anfang, in dieser Mord-Gruben nichts zu thun hat, so weiß ich nicht, wo er mehr etwas zu thun haben solte. Hiezu fehlt es ihme nicht am Willen, und nicht am Vermoͤgen. Nicht am Willen, wie bekandt. Denn er ist ein uͤberaus feuriger, hitziger, hungeriger, grimmiger und unruhiger Geist, der duͤrre Staͤtte durchwandelt, und wider sein inwendiges Zorn-Feuer Ruhe suchet, fuͤrnehmlich aber Ruhe und Abkuͤhlung in denen Leibern, nach welchen er eine unsaͤgliche Begierde hat, Matth. XII, 43. Kan er keine lebendige Leiber haben, so sucht er die todten Coͤrper in den Graͤbern. Darum haͤlt er sich so gern in
denen Graͤbern auf, wie das bedenckliche Exempel Matth. VIII, 28. seq. uns anweiset, und welches weiters Nachsinnen verdienet. Ja wenn er keine menschliche Coͤrper haben kan, so haͤlt ers doch noch fuͤr ein Wohl, wenn er nur Saͤu-Coͤrper erlangen, und in sie fahren kan: Hingegen schreyet er, als uͤber seine grosse Quaal, wenn er ohne Leib herum fahren muß, Matth. VIII. 29. sqq. welches alles bedenckliche Wincke der H. Schrifft sind. Es fehlet ihm aber auch nicht am Vermoͤgen. Denn daß er in lebendige Leiber fahren, und wunderbarliche Bewegungen, ungewoͤhnliche Wercke ꝛc. durch sie thun koͤnne, ist aus der Historie der Besessenen offenbar. Er kan aber auch todte Coͤrper ohne Zweifel eben so leicht bewegen und fuͤhren, als andere leblose Dinge, Holtz, Stein, u. d. g. Was hat er nicht fuͤr Gauckeley getrieben mit dem Leibe Samuels, I. Sam. 28. Waͤre es auf Zulassung GOttes der wahre Leib Samuels gewesen, so waͤre das ein pertinentes Exempel, wie er die Coͤrper der Menschen auch lange nach der Begraͤbniß noch so sehr mißbrauchen koͤnne. Ists aber nicht der wahre Leib Samuels gewesen, so sehen wir doch, wie dieser Tausend-Kuͤnstler sich unter die Gestalt der menschlichen Leiber zu verkappen, und in solchen zu erscheinen pflege, die in denen ehmals
lebenden gleich sehen. Und was meynen wir, was fuͤr eine Art Muthwillens er mit dem Leichnam Mosis muͤsse fuͤrgehabt haben, daß der Ertz-Engel Michael dagegen so hat streiten muͤssen Jud. v 9. Es ist dieses aufs wenigst die Meynung unsers schon mehr belobten Hof- und Consistorial-Raths, Herrn D. Alberti, der austruͤcklich schreibet: Sicut diabolus potestatem habet in corpus hominis animatum: ita perinde perditissimam suam vim in corpus exanimatum æque ac in alias naturales & materiales substantias permissu Dei derivare, suaque glaucomata & fraudulenta artificia prodere potest, qualia multis speciminibus, fide etiam dignis, Kormannus & Garmannus in suis Tract. de miraculis mortuorum, confirmant. Quare illi in pertinaci scepticismo hærere nobis videntur, qui talia phænomena in cadaveribus hum. obvia, indiscriminatim nudis naturalibus processibus & contingentiis adsignant, & diaboli influxum atque concursum negant, cum hæc potestas diaboli in corpora in dubium vocari nequeat ꝛc. alwo er sich auf Tob. Andreæ pec. Tract. de malorum angelorum potentia in corpus beziehet, den ich aber nie gesehen habe, in spec. Theol. Med. p. 466. conf. p. 550. Und hie muß ich nur aufrichtig gestehen, daß ich die
zwey Tractaͤt de Mirac. mort. welche am meisten hieher gehoͤren, auch nie gelesen habe, doch soviel von Kornmanno weiß, daß er viel Fabelhafftes eingemenget. Im uͤbrigen ist die quæstio præjudicialis, ob und wie ein Geist uͤberhaupt in einem Leib wircken koͤnne, von mir hie uͤberal zum voraus gesetzet worden.
§. 12. Nur will ich noch erwehnen, wie die Leute dortiger Gegenden selber diese Avanture einem solchen principio zuzuschreiben scheinen. Denn bey der 1ten Nachricht A. 1725. sagten sie aus, daß ihr Dorf schon einmal vor diesem durch solchen uͤbeln Geist zu Grund gegangen seye. Worinnen wir noch mehr koͤnnen bestaͤrcket werden, wenn wir abermal die Griechische Historie fuͤr uns nehmen, darinnen wir folgendes finden: Von einigen dergleichen excommunicirten Coͤrpern, davon wir oben geredet, welche sie Brucolaccas nennen, geben sie fuͤr, daß sie von dem Teufel eingenommen und gleichsam belebet wuͤrden, und daher den Menschen viel Schaden zufuͤgten. Denn sie giengen oͤffters in der Nacht auf den Strassen herum, klopften an die Thuͤren, und rufften einen von den Hauß-Genossen mit
Nahmen. Wenn nun derselbe antworte, so muͤsse er des andern Tags sterben. Daher ist in der Insul Scio die Gewohnheit, daß die Leute, wenn man sie des Nachts ruffet, das erste mahl nicht antworten, aus Beysorge, daß es vielleicht ein solches Gespenst seye. Bißweilen sollen dergleichen Coͤrper am hellen Mittag in den Weinbergen und andern einsamen oͤrtern herum gehen, und die Leute toͤdten. Wenn man nun an einem Ort von ploͤtzlichen Todes-Faͤllen hoͤret, so schreibt man es alsbald diesen excommunicirten Coͤrpern zu. Darum graben die Bauren dieselben aus, lassen sie von dem Priester absolviren, und werffen sie ins Feuer, Leo Allat. ad Paul. Zachiam §. 12. Ricant Ottomann. Pforte p. 60. Wer siehet aber hieraus nicht, daß die unter den Griechen excommunicirte und nach dem Tod herumwandlende und toͤdtende Coͤrper eine fast voͤllige aͤhnlichkeit mit denen Vampyrs in Servien haben, und auf gleiche Weise mit Ausgraben und Verbrennen tractirt werden? Wer siehet nicht hieraus, was die Lehre von einer solchen Excommunication fuͤr wunderliche Folgen unter den einfaͤltigen Leuten nach sich ziehe? Wie die Absolution (und vielleicht auch die Excommunication) diesem nach nicht mehr ein Werck nur des Patriarchen, sondern eines
jeden Priesters geworden? Was da fuͤr geistliche Boßheiten koͤnnen gespielet werden? Wie die Leute voll Furcht, Argwohns und Einbildung seyen, sie muͤsten sterben? Wie sie jeden schnellen Todes-Fall einem solchen Coͤrper zuschreiben? Wie sich insonderheit die Bauren mit diesen Gespenstern tragen? Wie sich solche Coͤrper nicht an oͤffentlichen und Volckreichen Plaͤtzen, oder in Staͤdten und fuͤrnehmen Haͤusern, sondern in Weinbergen und einsamen oͤrtern sehen lassen? und wie ohne Zweifel viel unrichtiges und phantastisches Wesen sich mit einmenge? u. d. m. Nicht als wolte ich damit wieder aufbauen, was ich oben abgebrochen; nicht als wolte ich die gantze Sache zuletzt in ein Gauckel-Spiel der Imagination verwandlen, oder die dort herrschende Superstition zu einer alleinigen und vollkommenen Mutter aller dieser angegebenen phænomenorum machen, in præjudicium veritatis historicæ: Sondern nach meinem propos zu erweisen, wie der Teufel bey so gestalten Sachen ein gewonnen Spiel habe, seinen Rendesvous an solchen Orten zu nehmen, wo wenig Wort GOttes, wenig Erkaͤntniß, wahren Glaubens, rechten Gebets; und hingegen desto mehr Aberglauben ist. Das wissen wir schon aus der Historie aller Zeiten, je mehr Unwissenheit und Aberglauben,
je mehr teuflischen Rumorens; je mehr aber jene vertrieben werden, je weniger kan sich dieser mainteniren. Man sehe nur die Zeiten vor und nach der Reformation, Catholische und Protestirende Laͤnder an. Nicht als wenn man hernach zufahren und sagen doͤrffte: O! es ist also der Teufel nirgend, als im Glase, oder in dem Hirn præoccupirter Leute, u. d. g. sondern weilen der Teufel nach dem Zeugniß der Schrifft in der Finsterniß, leiblicher und geistlicher Weise, herrschet, und also beym Licht sein Werck und Reich nicht haben kan. Wenn ein Quack-Salber und Marckt-Schreyer sein Theatrum wo aufrichtet, so lauft ihme eben der unwissende Poͤbel mit Hauffen zu, und vergaffet sich an seinen Großsprechereyen, Bullen und Attestatis, wenn diese verlaufen sind, ist unter den besser Berichteten seines Bleibens nimmer lang. Und je mehr man dem Satan auf seine Kuͤnste und geschwinde Gaucklers-Haͤnde sehen kan, je baͤlder hat sein Taschen-Spielen ein Ende. Ohne Zweifel wenn jemand aus unsern Landen in selbige Gegenden kaͤme, und nach denen Gesetzen der Historie, Philosophie und Theologie nach allen Dingen forschen koͤnte, wir solten bald sehen, wie Zihim und Ohim hie einander begegneten, ich will sagen, wie arme, blinde, unwissende, irrende, aberglaubische und gottlose
Menschen, und boͤse, feindselige und arglistige Geister untereinander liefen, Esa. XIII. 21. Und eben dieses leitet uns noch auf das, was gemeiniglich das Letzte war in unsern Discursen.
§. 13. Nemlich wir wuͤnscheten eine ausfuͤhrlichere und profundere Nachricht zu bekommen, als wir dermalen haben. Auch so gar das Wort Vampyr ist uns nicht bekant, was es fuͤr ein Wort seye, was es bedeute, woher es komme. Mehr aber waͤre uns an einer Historie dieses phænomeni gelegen. Denn es hat sich solches nicht erst seit gestern erhoben, sondern vor etlich 100. Jahren sich schon je und je geaͤussert beedes unter Christen, und unter Tuͤrcken. Und deßwegen koͤnte man von dem ersten Anfang, Hergang, Aufhoͤren und wieder Anfangen, laͤngerer oder kuͤrtzerer Dauer und Erstreckung, Veranlassungen, Begebenheiten, Mitteln, und dergleichen Dingen dieses Mali schon ziemlich vollstaͤndige Acta und Documenta haben; sonderlich da man sich in dem unterth. Bericht auf ihren sogenanten Hadnack (welches man hie auch nicht verstehet) beziehet, der schon vorhin bey dergleichen Begebenheiten gewesen seyn solle. Und da nach dem Bericht Anno 1725. das Dorf Kisolova noch ehmals unter Tuͤrckischer Bottmaͤßigkeit von diesem Ubel zu Grund
gerichtet, und nun vor 7. Jahren wieder damit befallen worden, so waͤre zu untersuchen, ob bey dem Ort oder dessen Einwohnern nicht etwa besondere Beschaffenheiten physice & moraliter koͤnten entdecket werden, die als Spuren uns weiter leiten koͤnten. Auch so gar eine Historia Natur. von Ungarn und Servien, wie der oben belobte Autor von Polen, und andere von andern Laͤndern gestellet haben, kaͤme uns wol zu statten. Es gehet aber mit Ungarn und denen benachbarten oͤrtern besonders schwer her in diesem Stuͤck. Ein gewisser Observator in denen Ephemer. Nat. Cur. schreibet davon, es seye zu beklagen, daß der groͤste Theil von Ungarn, welches doch so ein fruchtbares und mit allerhand natuͤrlichen Schaͤtzen erfuͤltes Land seye, theils unter eigener, theils unter Tuͤrckischer Barbarey liege, und nach seinen Merckwuͤrdigkeiten nicht mit gnugsamer Sicherheit koͤnne erforschet werden. Denn wenn die Einwohner curiose und der natuͤrlichen Dingen begierige Nachforscher antreffen, so begegnen sie denselben feindselig, und tractiren sie fuͤr Spionen. Dazu komme, daß die Deutschen die Ungarische Lufft so gar nicht ertragen koͤnnen, und nach dem Sprichwort insgemein ihren Kirch-Hof dorten finden, welches mit etlichen Exempeln gelehrter Maͤnner beleget,
und dabey erzehlet wird, wie eine und andere gesammlete Hungarische Histor. Nat. seye unterbrochen, oder sonst, weiß nicht mit welcher Fatalitaͤt, wieder zerstreuet worden, welches ich niemand zu nahe aus gedachten privilegirten Ephemer. bona fide will nachgeschrieben haben, Decad. I. ad Ann. II. p. 56. Wenn demnach durch unsere jetzt viel dahin gehende Deutschen, sonderlich durch hohe Anstalten der Grossen in der Welt diesem Mangel kan abgeholffen werden, wird es deroselben gloire so viel erhoͤhen, als es den Nutzen des Publici vermehren wird. Doch davon hat vieles schon præstirt der gelehrte und beruͤhmte Herr Graf von Marsigli in seinem magnifiquen Werck von der Beschreibung der Donau ꝛc. Und wie viel auf die Beschaffenheit der Lufft, Erde und des Wassers ankomme, kan man aus des gelehrten und gottseligen Ritters Rob. Boyle Diss. de admirandis Hungariæ aquis schliessen.
§. 14. Ferner hat man bessere Information zu wuͤnschen von dem leiblichen und geistlichen Zustand der Inwohner selbst. Und zwar von ihrem geistlichen Zustand, wie die Religion dorten beschaffen, ob sie Griechisch, Mahomedanisch, Catholisch oder vermengt seye? Was die Priester vor Leut seyen, ob sie auch eine Literatur und
Philosophie, und was fuͤr eine, haben? Ob sie auch eine gute Theologische Erkaͤntniß besitzen? Ob sie ihre Leute in der Erkaͤntniß GOttes und seines Reichs auch gruͤndlich unterrichten? Ob sie auch geistliche Mittel hiebey anwenden? Oder ob sie die Leute in Unwissenheit, Aberglauben ꝛc. stecken lassen? Was die Verstorbene fuͤr ein Leben gefuͤhret? Ob sie wegen fuͤrwitziger Kuͤnsten, Zaubereyen oder anderm ruchlosen Leben beruͤchtiget gewesen seyen? In was fuͤr einer Gemuͤths-Bewandniß, Affecten, Zorn, Feindschafft, Unversoͤhnlichkeit, sie gestorben? Ob sie auch gebeichtet, und das Sacrament empfangen? Besonders ob der Arnont Parle, der von einem Vampyr geplaget worden und gewußt hat, daß er nach seinem Tod ebener massen ein Vampyr werden muͤsse, nicht auch bey Lebzeiten dafuͤr Sorge getragen, oder sich sonst bey dem Priester Raths erholet habe, was die Priester, was fuͤrnehme Personen, was Medici, was kluge Leut sonsten an selbigen Orten hievon sentiren? u. d. g. Endlich hat man auch mehrers zu wissen von ihrem leiblichen Zustand, als wessen Temperaments sie gewesen? Welches Todes sie gestorben, eines natuͤrlichen oder gewaltsamen, und warum dieses letztern? Von ihrer Kranckheit, wie zwar in dem unterth. Bericht
ziemlich geschehen, ob sie langwirig oder kurtz, absonderlich aber ob sie hectisch oder acut. ꝛc. gewesen? Ob ihnen die Aussaugung allein bey Nacht und im Schlaff wiederfahre, oder auch bey Tage und wachend? Zu was fuͤr Leuten die Vampyrs kommen, allein zu ihren Verwandten, oder Feinden, zu Frommen oder Gottlosen, oder ob da kein Unterscheid zu observiren seye? Denn es ist eben doch etwas rares, daß der Teuffel solte wahre Christen aͤusserlich und in sichtbarer Gestalt durch Gespenster oder andere Erscheinungen angreiffen doͤrffen, judice ex Nostris D. Spenero, in Glaubens-Lehre, p. 312. ex Reform. H. Voëtio de Magia P. III. Sel. Disp. Man koͤnte auch die Materiam medicam zu Rath ziehen de sugillatione vel effusione sanguinis in substantiam cutis, vel ab incubis & spectris prætensis, vel aliunde oriunda, vid. Horstii Observ. L. 4. P. 2. Obs. 11. Es doͤrffte auch noch besser gethan seyn, wenn zu denen Herrn Regiments- und andern Feld-Scherern auch gelehrte Medici, Philosophi, Juristen und Theologi gezogen, die Coͤrper in allen Theilen aufs genaueste durchsucht, sonderlich die, welche fuͤrgeben, daß sie gesauget worden, alsobald nach ihrem Tod secirt und besichtiget wuͤrden, ob ihnen denn wahrhafftig das Blut entzogen worden,
und sie aus Mangel desselben gestorben, oder ob es eine Art eines Ephialtes gewesen? Ob aus Furcht und apprehension ihnen nur meatus sanguinis intercludirt worden? Ob, wenn solche, die angezeiget haben, sie seyen gesaugt worden, nach der Secirung nicht begraben, sondern liegen gelassen wuͤrden, ob sie nicht putrescirten, ob sie wieder mit Blut angefuͤllet werden, und zu andern kommen wuͤrden? Ja wenn man die im Grab so lang unverwesen gelegene und hernach ausgegrabene Coͤrper ohne Section, Durchstossung und Verbrennung an der freyen Lufft liegen liesse, ob sie eben auch nicht faulen wuͤrden, ob man bey einer genauen Verwachung derselben, nichts mit ihnen fuͤrzugehen, wuͤrde beobachten koͤnnen? Ob nur die Schaafe oder auch andere Thiere diesen Vampyrs unterworffen seyen? und viel andere Umstaͤnde mehr, die Erfahrnere an die Hand geben koͤnten. Ich habe mich aber fast muͤde mit dieser Art Leute geschwatzet, und werde demnach mit einem nur kurtzen Wort die
IV. Gattung Leute bescheiden. §. I. DAs sind die aͤngstliche Frauen, die mich fast um GOttes Willen gebetten haben,
ich solte ihnen doch sagen, was ich meynte, ob diese entsetzliche Gaͤste und grausame Vampyrs nicht auch algemach zu uns kommen moͤchten? Ich troͤstete sie, so gut ich konte, der liebe GOtt werde uns mit dieser fremden Peitschen nicht auch heimsuchen; dieses Ubel seye immer von so vielen Jahren her in selbigen Graͤntzen verblieben; das deutsche Blut werde diesen Todten so wenig schmaͤcken als der Francken- und Neccar-Wein und das Saͤchsische Bier denen Lebendigen geschmaͤckt gegen ihrem Ungarischen Wein. Aufs wenigste, wenn sie ja Lust bekaͤmen, uns eine Visite zu geben, so doͤrffte es doch die armen Bauren nicht treffen, wie in Servien, als welchen an theils Orten Deutschlands sonsten so fleißig zu Ader gelassen werde, daß diese Vampyrs fast keinen Tropffen Blut auszusaugen bey manchem finden moͤchten: Wie es aber andern vollbluͤtigen gehen moͤchte, koͤnte ich nicht gewiß sagen. Es merckten aber die klugen Frauen bald, daß ich schertzen wolte; und baten mich demnach, ich solte ihnen ernstlich sagen, wie und mit welchen Mitteln man solches Ubels loß zu kommen suchen koͤnne, es moͤchte hie oder in Servien seyn. Und das will ich nun auch mit aller geziemender Ernsthafftigkeit thun. Von denen Leuten in Servien wissen wir, daß sie solchen aufgegrabenen Coͤrpern einen
Pfahl durchs Hertz stossen, oder den Kopff abhacken, ihn zu Aschen verbrennen, und glauben, daß sie hiedurch der Plage loß werden. Dieses procedere aber wollen einige weder medice, noch politice, noch theologice gut heissen. Nicht medice, um der schaͤdlichen Daͤmpffe willen, so aus dem eroͤffneten Grab aufsteigen, und leicht eine Seuche erwecken koͤnnen. Nicht politice, weilen die Graͤber bey allen cultivirten Voͤlckern der unzerstoͤhrlichen Ruhe gewiedmet unversehrlich und Gewalt-frey, das ist, heilig geachtet werden. Nicht theologice, weil dadurch der Aberglaube gemehret; der verstorbenen Leumund, da es auch Unschuldige treffen kan, gekraͤncket; unter den hinterlassenen Verwandten, und denen, die auf das Ausgraben dringen, Bitterkeit und Feindschafft erreget, und der Teuffel mehr als GOtt gefuͤrchtet werde, welches alles mit noch mehrerm ausfuͤhret, und mit Exempeln beleget der oben belobte Prediger Mart. Bohemus in seiner hievon gehaltenen Predigt, aus welchem es Er. Francisci in seinem Hoͤll. Proteo c. 28. gantz scheinet genommen zu haben, ohne der Quelle, daraus er geschoͤpffet, zu erwehnen; wie mehrers geschiehet. Ich lasse diese Gedancken in ihren Wuͤrden. Meyne aber mit dem oben angezogenen D. Spener, daß dieser besondere
Casus eine billige Exception von der gemeinen Regel leyde. Erstlich weilen in physicis auf die bestaͤndige Erfahrung (die ich hie supponire) sonderbar zu reflectiren ist, ob man schon den Modum nicht zeigen kan. Darnach weilen man dem Teuffel auch mit natuͤrlichen Mitteln widerstehen darff. Denn da ein Geist nicht wircken kan in die Natur, als durch Huͤlffe der Natur; und aber der boͤse Geist sich dieser natuͤrlichen Coͤrper zu der Menschen Schaden mißbraucht: So bekenne ich, daß ich nicht so enggewißig seye, ihme die natuͤrliche Dinge zu entziehen, und seine Werckstatt und hoffaͤrtiges Theatrum zu zerstoͤren; zumalen das Mittel, nemlich die Verbrennung der Coͤrper nichts unrechts an sich selbsten ist. Wenn demnach juͤngstens ein gelehrter und dabey sehr Christlicher Medicus irgendwo geschrieben: Actio diaboli in naturalia est certa; reactio vero naturalium in diabolum incerta, imo nulla est; so ist es entweder ein Absolutismus medicus, oder muß von der unmittelbaren reactione naturalium in diabolum erklaͤret werden. Denn das weiß man wol, daß kein leiblich Artzney-Mittel, cujuscunque generis, unmittelbar den Teuffel, einen Geist, beruͤhren, und in ihm agiren kan: So fern aber der Satan sich natuͤrlicher Dingen, Kraͤfften
und Dispositionen gebrauchet, uns zu schaden, so fern kan auch wider dieselbe gestritten, und also mediate in diabolum agirt werden. Ich koͤnte mich weit besser erklaͤren und legitimiren, wie ich Koͤnigs Anmerckungen uͤber Muralts Chirurgische Wercke an der Hand haͤtte, als worinnen solche Zeugniße angefuͤhret werden, die gewißlich unverwerfflich seynd, sonderlich was er von einem Schaͤfer in Maͤhren selbs gesehen hat. Der Wuͤrtenb. beruͤhmte Leib-Medicus, Herr Doct. Rosin. Lentilius hat ein Compositum gegen Zufaͤlle, die der Zauberey zugeschrieben werden, welches in denen Ephemerid. N. C. nicht nur einmal, als was fuͤrtreffliches, allegiret wird.
§. 2. Solte man bey morbis acutis Phantasien, entetirte impressiones auf gewisse Personen, oͤrter ꝛc. spuͤren, so kan ich wiederum nichts straͤffliches absehen, wenn man auch da mit klugen natuͤrlichen Mitteln zu begegnen suchte, z. E. den Zulauff des Volcks abhalten; nicht zugeben, daß die Abwartenden aus des Patienten Fuͤrgeben groß Werck machten, sie in ihren Einbildungen staͤrckten ꝛc. Ja man koͤnte die Krancken gar aus ihren Wohnungen in andere Haͤuser, und wol auch aus dem Dorff sonst wohin bringen, wiewol mir die Beschaffenheit
der Leut und oͤrter nicht bekant ist. Wir haben oben schon ein Exempel gehoͤrt, wie eine aͤngstliche und zagende Jungfer durch Veraͤnderung des Bettes ist curirt worden. Und in eben selbigen Actis wird von einem Mann erzehlet, der in seiner Kranckheit viel Erscheinungen und Ansprache zu haben vermeynte. Nach seiner Genesung gieng ihm dieser Affect so nach, daß er bißweilen Bildungen zu sehen vermeynte, die ihme etwas ansagen wolten. Darwider hatte er kein besser Mittel, als die Veraͤnderung des Orts. So bald er aus der Stadt gieng, so bald wurde er von allen Zufaͤllen frey.
§. 3. Gedaͤchte aber jemand wider obigen §. 1. Was hilffts, einen solchen Coͤrper zu verbrennen? Kan doch der Teufel, wie man oben beweisen wolte, in viel andere fahren! So ist die Antwort nicht schwer. Der Teufel kan nicht thun, was er will; und er darf auch nicht alles thun, was er koͤnte. Er stehet unter der Regierung GOttes, der seine ihm allein bewußte Ursachen hat, warum er ihm uͤber den einen Coͤrper etwas zu erlauben fuͤr gut befindet, hingegen aber uͤber den andern nicht: wie es ja auch so mit ihme gegen die lebendige Coͤrper gehalten wird, sonsten kein Mensch lebendig bliebe. Ich habe aber kein Bedencken zu sagen, daß man den
Grund, warum Satanas offt uͤber einen Leib mehr Macht hat, als uͤber den andern, in einem solchen Menschen selber suchen doͤrffe, bißweilen aus seiner Schuld, bißweilen ohne seine Schuld. Das getrauete ich mir zu behaupten, daß der Teufel nirgend nistern koͤnne, als in einer verderbten Natur. Wie viele Exempel wir von denen Besessenen zu Christi Zeiten lesen, so ist allemal zuvor entweder ihr Leib durch boͤse Constitution, verdorbenes Blut, verwirrtes Hirn ꝛc. oder ihre Seele durch Suͤnden und Laster corrumpirt gewesen. Da nun durch solche corruptionem vel physicam vel moralem vel utramque simul der eine Leib dem Satan eine bequemere Bad-Stuben, so zu reden, abgibt, als der andere: so ist auch leicht zu erkennen, warum er seine Wohnung und Tyranney in dem einen besser haben kan, als in dem andern. Wolte also jenes Mittel nicht gar verwerffen.
§. 4. Aber man solle es dabey nicht bewenden lassen, sondern die Leute auch unterrichten, wie sie dieses recht nehmen sollen; und fuͤrnemlich auch mit geistlichen Waffen wider diesen Feind streiten, welche sind heiliger und fleißiger Gebrauch des goͤttlichen Worts, Unterricht aus demselben wider den Aberglauben und schreckhaffte
Einbildungen, Erweckung eines festen Vertrauens auf den Schutz und Beystand des Allmaͤchtigen GOttes, ohne dessen Zulassung der Satan uͤber keine Saͤu-Borst Macht hat, andaͤchtiges und absonderlich auch gemeinschafftliches Gebet. Wie die erste Christen die Besessene zu den Graͤbern der heiligen Maͤrtyrern gefuͤhret, und daselbsten gebetet haben, daß die Teufel schrien, bruͤlleten und ausfuhren, beschreibet Cyprian. de dupl. Martyr. p. 515. Und Lutherus in der oben angezogenen Stelle seiner Tisch-Reden hat auch auf diesen Schlag gerathen, und setzet hinzu: Der Teufel will kurtzum gefuͤrchtet, geehret und angebetet seyn, wie GOtt. Er ist ein sehr hefftiger und stoltzer Geist, kan nicht leyden, daß man ihn will verachten. Darum soll man ihm hierinnen nicht fuͤgen, sondern in der Kirche zusammen gehen, und GOtt bitten, er wolle uns unsere Suͤnden vergeben um Christi Willen, und den Teufel zu Schanden machen, f. 151. Sonderlich redet auch lieblich davon der anmuthige Scriver und sagt: In der Lebens-Beschreibung des grossen Kirchen-Lehrers Basilii wird berichtet, daß der Satan einem bußfertigen Suͤnder, der im eifrigen Gebet begriffen war, erschienen seye, und habe zu ihm gesagt: Laß mich mit frieden, so will ich dich auch mit frieden lassen. Wenn
dem so ist, so bezeuget es klaͤrlich, daß man dem Feind nicht weher thun kan, als durch ein eifriges und emsiges Gebet, dadurch GOttes Macht und Guͤte gleichsam erwecket wird, daß er etwa einen Engel sendet, der diesen Hund wegpeitschen, und ein Kind GOttes von seinem Anlauffen und Anbellen erretten muß. S. Schatz. P. IV. Pr. 17. §. 40.
§. 5. Endlich ist auch beedes bey denen Sterbenden und Hinterbleibenden auf eine gruͤndliche und aufrichtige Versoͤhnung, wie vorderist mit GOtt, also auch mit dem Neben-Menschen, zu dringen. Christus fuͤhret hiezu gar einen tiefen Grund an, wenn er sagt: Sey willfaͤhrig deinem Wiedersacher bald, alweil du noch bey ihm auf dem Wege bist, auf daß dich der Wiedersacher nicht dermahleins uͤberantworte dem Richter, und der Richter dem Diener, und du werdest in den Kercker geworffen, Matth. V, 25. Was heißt das? Der abgeschiedene Wiedersacher uͤberantwortet dich dem Richter? der Richter dem Diener oder Teufel? Ich sorge, wir haben in der gemeinen Homiletic die volle Krafft dieser Worte noch nicht erreichet. Diese Worte gehen gewißlich in ein geheimes Gericht der
Geister-Welt hinein, und zeigen nicht undeutlich an, daß ein abgeschiedener zorniger Geist noch viel Recht und Macht uͤber den hinterlassenen ungerecht zuͤrnenden habe, denselben zu binden, und dem Gerichte GOttes, und durch dasselbe der Hand des Teufels zu uͤberliefern. Wir sind freylich hospites und Fremdlinge in dem unsichtbaren Reich der Geister: allem Ansehen aber nach haben die abgeschiedene Geister mit den unsern manche Communication, sonderlich was auf die Liebe und Versoͤhnlichkeit ankommt. Davon eine curieuse pieçe in dem III. Stuͤck der geistlichen Fama fuͤrkommt, alwo von einem Eysenachischen Ministro, einem beredten und Christlich-gesinnten Herrn, mit welchem ich in seinen letztern Jahren erbaulich umzugehen Gelegenheit gehabt, erzehlet wird, daß sein Geist nach dem Tod einem Beleidigten fuͤr das Bett gekommen, und ihne noch um Vergebung des fuͤrgegangenen gebeten habe. Doch ich muß nicht zuviel von dem Teufel reden, damit ich nicht denen Herrn Theologis in ihr Amt greiffe, denen zukommt, daß sie seyen agminis infernalis exploratores, wie der seel. D. Fecht ihnen diese geistliche Wacht-Meisters-Stelle zugeschieden hat.